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FSRK

Studiengebühren sind anti-demokratisch...

... weil sie die kooperative Verständigung über die Wissenschaft einschränken.

„Durch […] die Einführung von Kostenbeiträgen werden die Studierenden ihre Ausbildung als Investition in ihre Zukunft, als Investition in ihr Humanvermögen verstehen und sich Gedanken über die Rendite der Investition machen.“

„Hamburgs Hochschulen reformieren – Mehr Freiheit für unternehmerisches Handeln“, Handelskammer Hamburg, 1999.

„Im fächerübergreifenden Zusammenwirken ihrer Mitglieder und Organe entwickelt und vermittelt die Universität wissenschaftliche Methoden, Ergebnisse und Qualifikationen. Die Zusammenarbeit ihrer Mitglieder beruht auf Information und Transparenz, demokratischer Beteiligung und dem Willen zur Konfliktlösung.“

Leitbild der Universität Hamburg, 15. Juni 1998. html

Studium und Wissenschaft sind dann demokratisch, wenn alle daran Beteiligten gemeinsam über Inhalt und Perspektive ihres Tuns an der Hochschule entscheiden und dabei auch der Anspruch entwickelt wird, in allen gesellschaftlichen Bereichen die Bedingungen dafür zu schaffen, daß alle Menschen gleichberechtigt gestaltend eingreifen können. (Eine demokratische Gesellschaft erfordert deshalb selbstverständlich die soziale Offenheit aller Bildungsinstitutionen.)

Unternehmensverbände und Lobbyvertreter der Großunternehmen, z.B. die Handelskammer Hamburg, erhoffen sich von der Studiengebühreneinführung ein verändertes Wissenschaftsbild und Studierverhalten. Es ist gegen den eigenen verallgemeinerungswürdigen demokratischen Anspruch der Universität Hamburg, formuliert beispielsweise im Leitbild, gerichtet.

Studiengebühren sollen Studierende zu Kunden degradieren, die sich nicht mehr als Subjekte der Wissenschaft begreifen, sondern dem „Dienstleistungsunternehmen“ Universität gegenübertreten, um die „Ware Bildung“ käuflich zu erwerben. Bisher haben die Studierenden als Mitglieder der Universität das Recht und die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen über den Inhalt und die Perspektive von Bildung und Wissenschaft demokratisch mitzubestimmen.
Als der Universität Äußerliches sollen sie nun darauf geworfen sein, aus dem „Studien-Angebot“ lediglich zu wählen. Was oft als Souveränität des Konsumenten angepriesen wird („du entscheidest, was du „wählst“), ist jedoch nur eine Scheinverfügung: die Studierenden als „Kunden“ der Universität haben so wenig Einfluß auf die Hochschulentwicklung, wie die Einkäufer im Supermarkt auf Produktentwicklung und -qualität oder gar Preisgestaltung und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter.

Indem Studiengebühren die Partizipation der Studierenden innerhalb des Hochschulwesens abwickeln sollen, sind sie auch dazu gedacht, die Studierenden an der Herausbildung einer umfassend demokratischen Weltanschauung zu hindern: Unter dem Bildungsverständnis der Investition in die eigene Karriere und unter dem sozialen Druck der Studiengebühren sollen die Studierenden darauf festgelegt sein, in kürzester Zeit nur das zu studieren, womit sie sich am besten auf dem Arbeitsmarkt verkaufen können. Hetze durchs Studium und bloße Mitnahme von profitabel Verwertbarem verhindern die Aneignung eines klaren Blicks für die Verhältnisse und ihre politischen, kulturellen und sozialen (und damit Demokratie-)Defizite. Wer stets damit beschäftigt ist, sich Gedanken über die meist minimale und konkurrenzhaft zu erboxende „Rendite“ der eigenen Investition zu machen, wird kaum fragen, wer in der Welt zu wessen Lasten tatsächlich nennenswert Rendite einfährt und wie das im Sinne umfassender Demokratie zu ändern wäre. Kritischer Gesellschaftsbezug und weiterreichende Entwicklungsperspektive würden weitgehend aus dem Studium verschwinden. So erhielten Unternehmen qualifiziertes doch williges „Humankapital“, das keinen Anspruch auf echte Demokratie geltend macht.

Also: Studiengebühren einsargen – mehr Demokratie wagen! Der Boykott der Verwaltungsgebühren sollte daher eng verbunden sein mit dem erweiterten Engagement für eine demokratische, weil allen Menschen gerechte, Entwicklung der Hochschulen.

http://www.fsrk.de/artikel_87.html [Stand 11. Januar 2006]


Studiengebühren sind anti-demokratisch...