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Nur solidarisch ist der Mensch Souverän

„Die Bücher der Geschichte werden es fernen Nationen und Jahrhunderten, zum Trost und zur Ermunterung aller Bedrängten, in Galliens Beispiele verkünden, was für Überkraft in Bürger- und Volksarmen selbst über die zahllosen, geharnischten, waffengeübten Legionen des Despotismus verborgen ruhe und was sie auszurichten vermöge, wenn sie sich nur anstrengen will.“

Gottfried August Bürger, „Ermunterung zur Freiheit“, Rede gehalten am 1. Februar 1790 vor der Freimaurerloge zum Goldenen Zirkel in Göttingen. pdf

In den Medien wird uns tagtäglich eingetrichtert, daß wir in einer Welt voller Sachzwänge leben und sowieso nichts verändern können. Es sei kein Geld da, Studiengebühren kämen sowieso, die Welt sei halt schlecht und Ungerechtigkeit habe es auch schon immer gegeben. Folglich möge man sich mit den gegebenen Bedingungen abfinden und den Anforderungen fügen. Geschichte aber wird von Menschen gemacht. Wer dies erkennt, kann sie mit anderen bewußt gestalten.

Solidarisch in der Geschichte

Entscheidende humane Errungenschaften, die heute noch Geltung haben, hat es gegeben, weil Menschen sich gegen das Bestehende zusammengeschlossen und allgemeinen Fortschritt erkämpft haben.
Die Gleichheit aller vor dem Gesetz und die formale Souveränität des Volkes konnte durch die Aufklärung und die Französische Revolution aufgrund von Einheit und Entschlossenheit der rechtlosen Bevölkerung und Niederwerfung der absolutistischen Herrschaft erkämpft werden.
Die Grundlage für die heutige Kranken-, Renten-, und Unfallversicherung bildete die Sozialgesetzgebung, die die Arbeiterbewegung dem Kaiserreich unter Bismarckscher Verwaltung abtrotzen konnte. Trotz Verbot und Verhaftungen (Sozialistengesetze) nahm die Wirksamkeit der damaligen Sozialdemokratie zu, denn sie forderte eine historisch notwendige Gesellschaftsveränderung und erkämpfte dieses Ziel aus der gemeinsamen solidarischen Assoziation heraus.
Das Ende des 1. Weltkrieges und des Kaiserreiches wurde 1918 von Arbeitern und Soldaten durch Meuterei und Massenproteste erzwungen. Auch wenn sich schließlich obrigkeitstreue Kräfte durchsetzten und eine weitergehende Demokratisierung verhinderten - eine Republik war hervorgebracht.
Selbst in schwierigsten Zeiten, im Faschismus, hat die Solidarität den Menschen Hoffnung gegeben und so überhaupt erst das Überleben im Konzentrationslager durch Essensumverteilung, Schutz von besonders Geschwächten vor schwerer Arbeit oder politische und kulturelle Tätigkeit ermöglicht.
Die soziale Öffnung und weitgehend demokratische Verfaßtheit der Universitäten sind Erfolg der Studentenbewegung von 1968. Die hohe Wirksamkeit, auch über die Hochschulen hinaus, konnte durch einen hohen Organisationsgrad der Studierenden und die Kooperation mit den Gewerkschaften erreicht werden.
Aus der Geschichte läßt sich lernen.

Solidarisch im Alltag

Der studentische Alltag hat mit freudvoller Erkenntniserweiterung meist wenig zu tun: Seminare mit Referatsmarathon, unsinniges Auswendiglernen, überfüllte Lehrveranstaltungen, Anonymität, drohende Studiengebühren, vielfältige Leistungsanforderungen (Referate, Klausuren, Hausarbeiten), nebenbei Arbeiten und dann noch die Eltern, die fragen, wann man endlich fertig sei. Wer sich hier individuell durchwurschteln will, landet schließlich in der Scheinsouveränität des „Ich-will-was-ich-soll“.
Solidarität ist die vernünftige Alternative. Der Austausch mit Kommilitonen über Probleme und die Erkenntnis ihrer überindividuellen Verbreitetheit, sind der erste Schritt, der Bedrängung und Isolation entgegenzutreten. Dies ist die Grundlage für eine kollektiv zu erarbeitende Einsicht in die prinzipielle Kritikwürdigkeit aktueller Lebensbedingungen – innerhalb und außerhalb der Universität – und das Eintreten für verallgemeinerungswürdige Ziele der menschenwürdigen Veränderung der Welt. Dies beginnt bei der kooperativen Bewältigung des Alltags z.B. beim gemeinsamen Vorbereiten eines Referats und führt weiter zur bewußten Organisierung in Fachschaftsräten, Hochschulgruppen und AStA für die Einflußnahme auf eine gesellschaftlich verantwortungsvolle Entwicklung der Hochschulen. So konnten auch in der Vergangenheit u.a. Studienreformen durchgesetzt werden, Räume für studentische Kultur besetzt werden, das Hörergeld durch Boykott abgeschafft werden und kriminalisierte Studierende durch massenhafte Selbstanzeigen ‚befreit‘ werden. Solidarität ist eine Waffe!
Statt sich vereinzelt mit der Einführung von Studiengebühren zu arrangieren ist der Verwaltungsgebührenboykott die Möglichkeit gemeinsamer Gegenwehr. Auf die Solidarität zu setzen, ist jedoch aktuell gesellschaftlich nicht üblich. Die Geschichte zeigt aber: es gibt viel zu gewinnen. Im wirksamen Protest gegen die Studiengebühren können wir die Solidarität neu entwickeln und stehen daher in der Verantwortung, gesellschaftlich beispielgebend voranzugehen. Deshalb ist es von hoher Bedeutung, daß wir alle initiativ sind für den erfolgreichen Gebührenboykott, also möglichst schnell überweisen, andere überzeugen und Mut machen.

http://www.fsrk.de/artikel_84.html [Stand 10. Februar 2006]


Nur solidarisch ist der Mensch Souverän