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FSRK

Für eine Renaissance der Solidarität.

547 Teilnehmer am Boykott beispielgebend für offensiven Kampf für die Gebührenfreiheit

„In den für die Wirtschaft wichtigen Fragen gab es mit Senator Kusch stets gute Zusammenarbeit. Wir gehen davon aus, diesen Kurs mit seinem Nachfolger fortsetzen zu können.“
Karl-Joachim Dreyer, Präses der Handelskammer Hamburg, anläßlich der Entlassung des Hamburger Justizsenators durch Bürgermeister Ole von Beust, im Hamburger Abendblatt, 28.03.2006. html

Justizsenator Dr. Roger Kusch mußte gehen, weil seine Forderung nach rechtlich sanktioniertem Töten auf Verlangen ("aktive Sterbehilfe") zu sehr die Brutalität der puren Verwertungsorientierung offenbart hat. Was sich nicht rechne, habe zu verschwinden. Dieser so skrupellos vertretene Kurs war öffentlich nicht mehr zu halten. Trotzdem wünscht sich die Handelskammer die Fortsetzung dieser Politik, vielleicht etwas besser verschleiert. Das heißt weiterhin kapitaldevote "Standortpolitik" inklusive sozialer Verelendung, gesteigerter Konkurrenz und kultureller Verrohung, sowie ordnungsstaatliches Vorgehen gegen den hieraus resultierenden wachsenden gesellschaftlichen Unmut. Handelskammer und CDU-Senat ist dagegen deutlich zu machen, daß dieser Kurs mehrheitlich nicht mehr gewollt ist.
Hierzu gehört auch die Zurückweisung der betriebswirtschaftlichen Ummodelung der Hochschulen durch Fakultätenbildung, der restriktiven und selektiven wissenschaftsfeindlichen gestuften BA/MA-Studiengänge sowie insbesondere der Studiengebühren.

Zu diesem Zweck hat die Fachschaftsrätekonferenz im Wintersemester 2005/2006 erstmals einen Boykott der seit 2005 eingeführten Verwaltungsgebühren initiiert. Angepeilt war, mindestens 13.000 Studierende dafür zu mobilisieren, den Betrag von 50 Euro statt an die Universität auf ein Treuhandkonto zu überweisen und auf diese Weise gegenüber dem Senat die massenhafte Immatrikulation der Studierenden auch ohne die Zahlung der Gebühren durchzusetzen. An der Aktion haben sich bis zum Stichtag 547 KommilitonInnen beteiligt. Das Quorum wurde somit deutlich verfehlt.
Mit der Aktion ist es gelungen, die Kritik an den Studiengebühren, die Dimension ihrer negativen Wirkung, die aussichtsreiche Möglichkeit der Gegenwehr sowie die damit verbundene Perspektive einer menschenwürdigen weil emanzipatorischen Wissenschaft als Diskussionsthema neu hervorzubringen und dauerhaft im Bewußtsein zu halten und so der schleichenden Gewöhnung und der Kapitulation vor dem Bezahlstudium entgegen zu wirken. In der massenhaften Flugblattverteilung und Seminaragitation, bei diversen Infoständen und Einzelgesprächen, in Diskussions- und Infoveranstaltungen auf dem Campus und in Studentenwohnheimen sowohl in der Vorlesungszeit als auch in den lehrveranstaltungsfreien Wochen haben die Boykottbeteiligten in der Aktion eine alternative kritische und solidarische Alltagspraxis realisiert, deren Verallgemeinerung die Perspektive des Kampfes für die Gebührenfreiheit ist.
Die so beförderte und fundierte massenhaft ablehnende Haltung gegenüber Studiengebühren und die tendenziell positive Bewertung des Boykotts als wirksames Gegenmittel haben jedoch offenbar nicht ausgereicht, um die Letztentscheidung für das Heraustreten aus der alltäglichen Getriebenheit und für das erweitert persönliche Engagement für eine Wissenschaft als Teil gesellschaftlicher Emanzipation zu treffen. Der kulturelle Druck durch die restriktive Politik des Rechtssenats und dadurch hervorgebracht unlautere Exmatrikulationsandrohungen durch die Univerwaltung, Zögerlichkeit beim AStA als zentrales Organ studentischer Interessenvertretung und allgemein mangelndes Vertrauen auf die Wirksamkeit der aufgeklärten Solidarität haben stark verunsichert. So entstand die verbreitete Haltung, die eigene Beteiligung am Boykott vom Engagement anderer abhängig zu machen - Jeder wartete schließlich jeweils auf den anderen.

Die 547 Boykottierer haben nun nicht nur den Beweis angetreten, daß der Mut zum erweiterten Kampf für eine humanistische Entwicklung von Hochschule und Gesellschaft nicht wehtut (die Beteiligten erhalten bis spätestens Mitte der ersten Vorlesungswoche ihre Unterlagen). Vor allem wurde deutlich, daß die Entscheidung gegen das Elend des Gang und Gäbe, gegen Alltagshetze, Bravheit und Einzelkämpfertum und für gemeinsame kritische Reflexion und solidarisches Handeln persönlich befreiend wirkt, weil der Horizont der eigenen Möglichkeiten kollektiver gesellschaftlicher Veränderung geweitet wird.
Diese neu fundierte Einsicht in die Zutreffendheit und humane Qualität einer solidarischen Alltagskultur die in umfassender Gegnerschaft zur Dekultivierungspolitik des rechten Senats steht, wollen wir hinkünftig mit verstärkten Nachdruck verbreiten und verallgemeinern. So kann die Verfaßte Studierendenschaft maßgeblicher Teil gesellschaftlicher Opposition werden, die der neoliberalen Politik in Hamburg ein Ende setzt.
Hierfür werden wir im Sommersemester den Boykott der Verwaltungsgebühren auf neuem Niveau wiederholen.

http://www.fsrk.de/artikel_76.html [Stand 30. März 2006]