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FSRK

Für ein bundeseinheitliches Studienfinanzierungsmodell

"Gibs auf!
Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, daß es schon viel später war, als ich geglaubt hatte, ich mußte mich sehr beeilen, der Schrecken über diese Entdeckung ließ mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg. Er lächelte und sagte: ’Von mir willst du den Weg erfahren?’ ’Ja’, sagte ich, ’da ich ihn selbst nicht finden kann.’ ’Gibs auf, gibs auf’, sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen."

Franz Kafka, "Gibs auf!", 1922. html

Alle wollen Studiengebühren – sagt zumindest der Dräger. ‚Alle’ soll suggerieren: Die Mehrheit der Bevölkerung, die überwiegende Zahl der Studierenden, die ‚Wirtschaft’, die Hochschulen, die Bundesländer. Die beabsichtigte Botschaft ist: Der Kampf gegen Studiengebühren soll aufgegeben werden.

Zugegeben: Es gab vor einigen Jahren eine Umfrage des CHE (Centrum für HochschulEntwicklung des Bertelsmann-Konzern) die besagt, daß die Mehrheit der Menschen (auch der Studierenden) ‚sozial verträgliche Studiengebühren’ befürworten würde. Im Eifer des Gefechtes hat das CHE allerdings die Antwortoption „Ich will keine Studiengebühren“ unter den Tisch fallen lassen. Alle seriösen Studien kommen zu einem anderen Ergebnis: Die meisten Menschen finden Studiengebühren falsch.
Auch die Universität Hamburg hat in mehreren Beschlüssen die Erhebung von Studiengebühren abgelehnt und das Ergebnis der Urabstimmung vom letzten Jahr mit knapp 95% für ein gebührenfreies Studium bei einer Beteiligung von über 1/3 der Studierenden begrüßt. Die Ablehnung von Gebühren ist eindeutig.

Für die Bundesländer hieß es unmittelbar nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches ein bundeseinheitliches Gebührenverbot für unrechtmäßig und Studiengebühren zur Ländersache erklärte: Kein Land wird sich die Gebührenfreiheit als Insellösung auf Dauer leisten können. Die Realität sieht anders aus. Nur sechs von 16 Ländern planen allgemeine Studiengebühren: Bayern, Baden-Würtemberg, Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen, Saarland und Hamburg. In Hessen möchte Koch (CDU) zwar Gebühren erheben, ihm steht dabei aber die antifaschistische hessische Verfassung von 1946 entgegen, die der Notwendigkeit der größtmöglichen kritischen Bildung für alle als Mittel der Aufklärung gegen den Faschismus in Form der Gebührenfreiheit nachkommt. Da half ihm auch nicht die versuchte Verdrehung der Verfassung, in dem er prüfen ließ, ob „Unentgeltlichkeit“ gleich „Gebührenfreiheit“ sei. Im Osten haben die Bundesländer aus der krassen sozialen Ungleichheit die Schlußfolgerung gezogen, daß Studiengebühren die Ungleichheit verschärfen würden und weniger Menschen ein Studium, das mit zusätzlichem finanziellen Aufwand verbunden ist, beginnen würden, während deutlich ist, daß mehr Studierende nötig sind. Hinzu kommen Bremen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz für die – ebenso wie als weiterer Grund für die ostdeutschen Länder – gilt, daß die sich hier in den Regierungen befindliche SPD dem Druck der Studierendenproteste nachkommen mußte. Übrig bleiben die Länder in denen die CDU – mit oder ohne die FDP – regiert.

‚Alle’ im eigentlichen drägerschen Sinne reduziert sich also auf: die Großunternehmen sowie ihre politische Lobby CDU und FDP. Also diejenigen, die an der Konkurrenz jeder gegen jeden, der Bravheit, Angepaßtheit und Biederkeit, an der Hoffungslosigkeit der Menschen auf humane Lebendbedingungen ein Interesse haben. In schöner Friedhofsruhe sollen alle für den Profit zur Verfügung stehen.

Studiengebühren sind aufzuhalten. Entscheidend ist hierfür, daß die mehrheitliche Ablehnung ein stärkeres inhaltliches Fundament bekommt und stärker mit dem Kampf für Wissenschaft und Bildung für alle Menschen verbunden wird. Hochschulen müssen tendenziell offen für alle Menschen sein die sich in ihnen kritisch mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzen. Statt also Bildung und Wissenschaft an den Profitinteressen der Großunternehmen auszurichten, muß ein bundeseinheitliches Studienfinanzierungsmodell das kooperative Lernen, Lehren und Forschen für die soziale und kulturelle Weltaneignung aller Menschen zum Ziel haben. Studiengebührenfreiheit ist ein Teil davon.
Eine gute Gelegenheit so die mehrheitliche Ablehnung von Studiengebühren zum Ausdruck zu bringen ist die Sitzung des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft.

Sitzung des Wissenschaftsausschusses
Montag, 15. Mai, 17:00 Uhr
In der Laeiszhalle (Musikhalle) Johannes-Brahms-Platz
Die Öffentlichkeit hat Rederecht

http://www.fsrk.de/artikel_74.html [Stand 4. Mai 2006]


Für ein bundeseinheitliches Studienfinanzierungsmodell