Heute Abend werden die Studienanfänger mit einer "Feierstunde" im Audimax begrüßt. Die gebührenbefürwortende und weltanschaulich konservative Uni-Präsidentin Auweter-Kurtz hat beschlossen, aus der bislang demokratischen und hochschulöffentlichen Semesterauftaktveranstaltung einen Closed-Shop zu machen. In verklemmter Atmosphäre will sie die Neuankömmlinge ("und Begleitung") gemeinsam mit dem Bürgerschaftspräsidenten Röder (CDU) sowie einem Vertreter des derzeit immer-braven AStA auf den konservativen "Ihr-seid-was-besseres"-Kurs einschwören. Angestrengte Beschwingtheit versprechen die Intermezzos der Uni-Big-Band. Auf keinen Fall möge studentische Kritik an Gebühren und der unternehmerischen Hochschulzurichtung die Heile-Welt-Inszenierung trüben. Das mieft nach sehr alten Zeiten.
"Unter den Talaren...."
Wir erinnern uns: Vergleichbar elitärem Treiben wurde am selben Ort vor fast genau 40 Jahren anläßlich einer Rektoratsfeier entschieden entgegengetreten. Am 9. November 1967 entrollten am selben Ort Studenten das Transparent "Unter den Talaren/Muff von 1000 Jahren". Diese Aktion war Bestandteil bundesweiter studentischen Proteste, die sich in den 1960er Jahren an der sozialen und kulturellen Stagnation der BRD entzündeten und sich besonders gegen die brutale internationale Politik des Westens (Vietnamkrieg) sowie dessen Unterstützung reaktionärer Diktaturen in der "Dritten Welt" (Iran, Chile, Kongo) richteten. Man wandte sich gegen die enge, seit dem Faschismus nur relativierte Verflechtung von Großkapital, Politik und Wissenschaften und forderten weitreichende gesellschaftliche Reformen ("Demokratisierung aller Lebensbereiche") und engagierte sich für Frieden und weitreichenden sozialen Fortschritt.
Hochschulpolitisch erkämpften die Studierenden gegen die überkommen Vorstellungen von Elite- Bildung die soziale Öffnung der Universitäten (aufgrund eines Gebührenboykotts fielen 1970/71 die Studiengebühren), weitgehende demokratische Mitbestimmung sowie eine Stärkung allgemeinwohlorientierter Ansätze in allen Fächern.
Die neoliberale Reaktion
Mit diesen positiven Motiven, Einsichten und Errungenschaften wollen die Hamburger CDU und ihr Wissenschaftssenator seit 2001 kräftig "aufräumen". Ihre ängstliche Verstocktheit angesichts heutiger studentischer Proteste (Gebührenboykott) ist so begründet. Mit der Neubildung von hierarchisierten "Fakultäten" und herrschaftlichen "Dekanaten", der Anbindung der Unis an die private Wirtschaft ("Hochschulrat"), den selektiven und verschulten BA/MA-Studiengängen und den Studiengebühren soll hochschulpolitisch ein Roll- Back verordnet werden. Leistungshetze, Konkurrenz und die devote Übernahme von wirtschaftlichen Forderungen sind die negativen und bekämpfenswerten Folgen dieser Politik.
Studieren als "Privileg"?
Den Studierenden soll diese Zumutung mit dem Versprechen gesellschaftlicher Privilegien schmackhaft gemacht werden. "Ein Studium lohnt sich! Und zwar nicht nur ideell, sondern auch als Investition in die eigene Zukunft. Akademikerinnen und Akademiker haben nach OECD-Angaben durchschnittlich ein um 60 Prozent höheres Einkommen als Beschäftigte mit Abitur, aber ohne Studienabschluss. [...] Deshalb ist es fair, wenn Studierende einen moderaten Beitrag zu den Kosten ihres Studiums leisten." (Senatsbroschüre für Studiengebühren 2007). Brotkrumen gegen Gehorsam ist hier der angestrebte Handel. Was hier als soziale Fairness getarnt wird, ist in Wirklichkeit die beabsichtigte Verfestigung sozialer Ungleichheit im Großmaßstab: Angesichts dessen, daß die reichsten Europäer, die "Aldi"-Brüder, über ein Vermögen von 27 Milliarden Euro verfügen (zu ihnen gesellen sich in Europa 99 weitere Multimilliardäre) und in der Bundesrepublik die Reallöhne seit 20 Jahren nicht mehr gestiegen sind, handelt es sich um einen gravierenden Fall versuchter Bevölkerungsverarschung.
Die Studierenden sollen durch die Gebühren ihr Studium nicht als produktive, emanzipierende Tätigkeit sondern als Investition auffassen. Wissenschaft und Bildung werden so zur Ware herabgewertet, mit deren Erwerb sich jeder individuell Konkurrenzvorteile für den Arbeitsmarkt erwerben könne: Damit wird der Mensch selbst zur Ware.
Mit der bunten Pille vermeintlicher Privilegiertheit wird zugleich die ideologische Kröte der vermeintlichen Natürlichkeit von Konkurrenz und marktmäßiger Selektion verabreicht. "Begabt" ist wer "Vermögen" hat. So sollen die Universitäten auf erhöhter historischer Stufenleiter erneut zur Untertanenfabrik verkommen.
Für eine solidarische Universitäts- und Gesellschaftsentwicklung
Die sozialen Bewegungen und studentischen Proteste der jüngeren Zeit (Studiengebührenboykott) haben dagegen vehemente Aufklärungsund Solidarisierungsarbeit geleistet. Auch der neoliberale Schönsprech von "Freiheit", "Autonomie" und "Selbstbestimmung" kann nun über die kulturelle Nähe der ach so modernen Zeiten mit feudalen Strukturen nicht hinwegtäuschen. Für die weiteren studentischen Aktivitäten ist nun ein lernender Blick in die eigene Geschichte schon deshalb wegweisend, weil auch heute eine rein formale Demokratie, die zudem unter dem Kuratel des höchsten Managements steht, nicht dafür geschaffen ist, Frieden und allgemeine Wohlfahrt zu bringen.
Anstelle von "Elite", "Begabung" und der vereinzelnden Jagd nach vermeintlichen individuellen Vorteilen ist das gemeinschaftliche Engagement für die soziale Öffnung und Demokratisierung der Hochschulen, für den kritischen Gesellschaftsbezug der Wissenschaften zur Beendigung von sozialer und kultureller Armut, Unterentwicklung, Unterdrückung und Krieg sowie solidarisches Lernen für die humanistische Qualifizierung der Persönlichkeit sinnvoll und notwendig.
Zum großen Betrug der "Eliten-Bildung" gibt es nur eine sinnvolle Alternative: Solidarität.
Dann gibt’s auch ehrlich was zu feiern.