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dokumentiert

Stellungnahme des Präsidiums der Universität Hamburg

zum Papier „Strategische Perspektiven für die Hamburgischen Hochschulen bis 2020“ der Behörde für Wissenschaft und Forschung

Zusammenfassung

Das Präsidium der Universität Hamburg hat mit Befremden Kenntnis von dem Papier „Strategische Perspektiven für die Hamburgischen Hochschulen bis 2020“ genommen. Das Präsidium ist über diese Aktivität befremdet,

  • weil die Abfassung eines solchen Papiers in der Behörde nicht Bestandteil der Hochschulvereinbarung war,
  • weil das Papier in erheblichem Maße in die Gestaltungsautonomie der Universität eingreift,
  • weil es keinerlei Wertschätzung der Arbeit der Universitätsmitglieder erkennen lässt, die außerordentlich erfolgreich ist,
  • weil das Papier sich zu den entscheidenden Verpflichtungen des Staates, zukunftsweisende Finanzmittel und Strukturvoraussetzungen für die Universität zu schaffen, nicht äußert.

Im Bereich Studium, Lehre, Lebenslanges Lernen lässt das Papier erkennen, dass die breiten Reformerfolge der Universität im Hinblick auf eine Revision des Bologna-Systems und seine politischen Fehlsteuerungen nicht wahrgenommen werden. Ebenso existiert keine Wahrnehmung der breiten Aktivitäten der Universität im Hinblick auf eine Steigerung der Lehrqualität und im Hinblick auf die Digitalisierung von Lernprozessen. Gleichzeitig enthält das Papier in seiner Forderung nach einem Ausbau der Weiterbildung keine Aussage zu der entscheidenden Frage, zu Lasten welcher Studienplätze dies erfolgen soll.

Im Bereich der Forschung wird nicht zur Kenntnis genommen, dass die Universität aufgrund der außerordentlichen Anstrengungen ihrer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen inzwischen nicht nur im Hinblick auf ein Meta-Ranking (Auswertung namhafter internationaler Rankings) unter den obersten 3% aller deutschen Hochschulen rangiert; auch im Bereich der Publikationen liegt die Universität Hamburg vorn – gemessen am Anteil an hochschulübergreifenden Publikationen im deutschen Vergleich auf Platz 6; bezogen auf kooperative internationale Publikationen sogar auf Platz 5 (vgl. Leiden-Ranking). Das Papier nimmt nicht zur Kenntnis, dass die geforderten Forschungsnetzwerke bereits seit Jahren existieren. Ebenso wenig nimmt das Papier zur Kenntnis, dass die Zusammenarbeit der Universität mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen von größter Breite ist. Die Universität weist den Versuch einer quantitativen und inhaltlichen Festlegung von Forschungsschwerpunkten durch die Regierung schon
aus verfassungsrechtlichen Gründen entschieden zurück. Gleichzeitig registriert das Präsidium mit Befremden, dass die geforderte Erweiterung von Potenzialbereichen der Forschung nicht finanziell unterlegt wird.

Das Papier kopiert in seinen Forderungen die Internationalisierungsstrategie der Universität und fordert sie von der Universität gleichzeitig ein, obgleich sie hier entstanden ist. Das Präsidium vermisst die Kenntnisnahme der Betreuungserfolge internationaler Studierender. Erneut registriert das Präsidium, dass eine finanzielle Unterstützung erweiterter Internationalisierungsbemühungen offenbar nicht vorgesehen ist.

Die Forderung im Hinblick auf das Thema Gleichstellung ist längst erfüllt. Die Universität rangiert unter den ersten drei Hochschulen in Deutschland im Bereich Gleichstellung und Familienfreundlichkeit.

Das Präsidium nimmt im Hinblick auf das Kapitel Infrastruktur zur Kenntnis, dass der teilweise seit Jahrzehnten bestehende Investitionsstau für die Sanierung von Gebäuden und Forschungseinrichtungen in Höhe von inzwischen rund 630 Millionen Euro nicht thematisiert, geschweige denn abzubauen beabsichtigt wird.

Das Präsidium nimmt mit Blick auf die Finanzierung der Universität mit Empörung zur Kenntnis, dass das Papier sich nicht zu der Frage äußert, in welchem Maße die durch die Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene frei gewordenen Mittel im hohen zweistelligen Millionenbereich den Hochschulen zugute kommen sollen.

Die Universität kritisiert, dass mit einem maßlosen bürokratischen Berichtswesen (30 Berichte pro Jahr) die verfassungsrechtlich unzulässige Detailsteuerung auch noch einem Controlling unterzogen werden soll.

Das Präsidium der Universität fordert die Behörde für Wissenschaft und Forschung dazu auf, dieses „Perspektivpapier“ unverzüglich zurückzunehmen und allenfalls durch eines zu ersetzen, das geeignet sein könnte, Zukunftsperspektiven für den Wissenschaftsstandort Hamburg und die Rolle der Universität darin zu entwickeln. Dieses müsste umschließen:

  • klare Aussagen zur Bereitstellung von über einer halben Milliarde Investitionsmitteln zur Sanierung der Infrastruktur,
  • Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen für einen garantierten Masterstudienplatz der Studierenden,
  • eine Kenntnisnahme und Wertschätzung der außerordentlichen Erfolge der Universität in den vergangen Jahren.

Das Präsidium erwartet eine makro-, nicht eine mikropolitische Zukunftsperspektive für das Wissenschaftssystem, die nicht vom Ungeist der Autorität, der Kontrolle und der kostspieligen Bürokratie gezeichnet ist, sondern den Geist einer partnerschaftlichen Zukunftsentwicklung für den Wissenschaftsstandort atmet.

0. VORBEMERKUNG

Die Behörde für Wissenschaft und Forschung legt ein „Perspektivpapier“ vor, das als „Konkretisierung“ die Hochschulvereinbarung 2013-2020 zwischen der FHH und den Hamburger Hochschulen weiter determinieren soll. Die Verabschiedung eines solchen staatlichen Papiers war nicht Bestandteil der Hochschulvereinbarung zwischen der FHH und den Hochschulen und hat die Hochschulleitungen insofern überrascht. Daher kann auch keine Rede davon sein, dass der Text auf den Hochschulvereinbarungen „basiert“, da er selbst nicht Gegenstand einer Vereinbarung gewesen ist. Vielmehr hat die Behörde für Wissenschaft und Forschung den Hochschulleitungen den Entwurf eines solchen Papiers in zwei Sitzungen am 27. Mai 2014 und am 2. Juni 2014 zur Kenntnis gebracht. Die Hochschulleitungen haben anlässlich dieser Termine unmissverständlich festgestellt, dass es sich bei diesem „Perspektivpapier“ nicht um eine gemeinsame Vereinbarung handelt und dass das Papier auch nicht den Eindruck erwecken darf, als ob dieses der Fall wäre.

Eine solche Konsentierung ist auch grundsätzlich nicht möglich, weil das „Perspektivpapier“ in erheblichen Teilen in die Gestaltungsautonomie der Hochschulen eingreift. Diese Autonomie besteht nämlich, wie der Hochschulexperte und Generalsekretär der VW-Stiftung, Wilhelm Krull, dargelegt hat, aus einer

  • „Organisationsautonomie“
  • „finanziellen Autonomie“
  • „Personalautonomie“
  • und nicht nur aus der selbstverständlichen „akademischen Autonomie“ (W. Krull, Die autonome Universität in zeithistorischer Perspektive, in: W. Müller-Esterl (Hg.): Die autonome Universität – ein Erfolgsmodell?, Düsseldorf 2014, S. 21-32; hier S. 23).

Es ist nicht Aufgabe des Staates, über Organisationsformen, Personalformate und -entscheidungen sowie über die Verwendungsweise zugewiesener Globalhaushaltsmittel zu entscheiden, wenn die historisch und verfassungsmäßig gewährte Hochschulautonomie nicht in Frage gestellt werden soll.

Dabei steht außer Frage, dass der Souverän in der Gestalt der Bürgerschaft das Recht und die Pflicht hat, bei der Allokation von Finanzmitteln für den Wissenschaftsbereich makropolitische Entscheidungen zu treffen, beispielsweise über die Zahl und Art der Hochschulen, den Umfang des Studienplatzangebots, die Bereitstellung von Großforschungseinrichtungen usw. Diesbezüglich können zwischen dem Souverän und den autonomen Hochschulen Zielvereinbarungen getroffen werden über die angestrebten Ziele unter den jeweils gegebenen finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

Eine Detailsteuerung über die Maßnahmen und Strukturen der Prozesse im hochschulischen Alltag ist indessen nicht Aufgabe des Staates. Insofern erwarten die Hochschulen und die Universitäten in gleicher Weise, dass das in der Präambel des Papiers genannte „partnerschaftliche Verhältnis von Senat und autonomen Hochschulen“ sich in dem Vertrauen des Staates in die professionelle Kompetenz der Hochschulen und ihrer Leitungen spiegelt. Daher begrüßt die Universität die Zusage der Behörde für Wissenschaft und Forschung, „die Rahmenbedingungen

der Hochschulen so zu gestalten, dass die Aufgabenerfüllung gewährleistet wird.“ (Seite 6) Es bestehen allerdings Zweifel, ob dies mit diesem „Perspektivpapier“ und vor allem mit dem sinkenden Budget erfüllt wird.

Zu den Zielen und Rahmenbedingungen für die Hochschulen ist im Einzelnen (in der Abfolge der Abschnitte des Papiers) festzustellen:

1. STUDIUM, LEHRE, LEBENSLANGES LERNEN

Die Ausführungen in dem Kapitel „Studium, Lehre, Lebenslanges Lernen“ des „Perspektivpapiers“ verkennt in weiten Teilen die bisherigen Aktivitäten und den tatsächlich schon erreichten Stand der Studienreform in der Universität Hamburg. Der dadurch suggerierte Eindruck, die Behörde müsse entsprechende Aktivitäten der Universität anstoßen, ist aus Sicht der Universität nicht haltbar und auch nicht hinnehmbar.

a) Es ist ein fundamentaler Fehler, die Weiterentwicklung des sogenannten Erwerbspersonenpotenzials, d.h. die fachliche Ausrichtung des Studienplatzangebots, an dem Fachkräftebedarf in Hamburg auszurichten. Dieser Fehler ist bereits im Dohnanyi-Gutachten mit den bekannten gravierenden Folgen begangen worden. Die Absolventen/innen der Universität Hamburg werden für den nationalen und internationalen Arbeitsmarkt ausgebildet und werden dort erfolgreich alloziert. Die in Tabelle 1 genannte Zahl an Studienanfängerplätzen kann angesichts des derzeitigen Deltas zwischen der vereinbarten jährlichen Budgetsteigerung
und der Entwicklung der Inflations- und Lohnsteigerungsrate nur mit dem partiellen Einsatz von begrenzten Rücklagen erreicht werden. Die Universität ist damit bereits an ihre Grenzen gestoßen und jede weitere Verpflichtung der UHH wird zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Betreuungsrelation in der Lehre führen.

b) Mit der bloßen Bereitstellung von Masterstudienplätzen besteht zwar rechnerisch, aber nicht faktisch die Chance für jeden Hamburger Bachelorabsolventen auf einen Masterstudienplatz. Dies ist umso gravierender, als inzwischen als unstrittig angesehen werden kann, dass ein bloßer Bachelorabschluss in vielen Studiengängen nur wenig Perspektiven für eine berufliche Zukunft bietet. Mit der Aufforderung, „in sachgemäßer Weise eine angemessene Relation von Bachelor- und Masteranfängerkapazitäten herzustellen, damit qualifizierten Bachelorabsolventen ein Weiterstudium ermöglicht werden kann“, verlagert die Politik ihre Verantwortung auf die Hochschulen. Es fehlt insoweit an einer strategischen Aussage, ob die von der Politik formulierte Erwartung mit der Bereitstellung von zusätzlichen Ressourcen und/oder mit einer Reduzierung von grundständigen Bachelorstudienplätzen erreicht werden soll. Des Weiteren ist die Politik der im Rahmen der Hochschulvereinbarung artikulierten Erwartung nicht nachgekommen, die rechtlichen Voraussetzungen für einen direkten Übergang vom Bachelor zum Master (wie z. B. in der Schweiz) zu schaffen.

c) Die Forderung, das Angebot an Lehramtsstudienplätzen unter Berücksichtigung des bundesweiten Angebots und der bundesweiten Nachfrage festzulegen und entsprechend zu reduzieren (S. 53), kann von der Universität ohne entsprechende Vorgaben der Politik nicht erfüllt werden.

d) Die Qualität der Lehre befindet sich an der Universität Hamburg insgesamt in einem sehr guten Zustand. Dieses wird bestätigt durch die Ergebnisse regelmäßig stattfindender Evaluationen im Sinne von Studierendenfeedbacks, die es den Lehrenden ermöglichen, auf die Rückmeldungen ihrer Studierenden zeitnah zu reagieren und bei Bedarf die didaktische Gestaltung ihrer Lehrveranstaltungen anzupassen. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl von Lehrenden die verschiedenen weiterbildenden hochschuldidaktischen Angebote des ZHW regelmäßig nutzt und
die darin gewonnenen Erkenntnisse in die Gestaltung des Lehr-Lern-Prozesses einfließen lässt. Eine weitere Verbesserung der Studienbedingungen, insbesondere auch eine deutliche Verbesserung der Betreuungsrelationen, kann nur mit zusätzlichen Ressourcen geschaffen werden.

e) Die Ausführungen zur Reform des Bachelor-Master-Systems (Bologna 2.0) berücksichtigen in nur sehr unzureichender Weise den tatsächlich erreichten Reformstand in der Universität. Die Universität Hamburg arbeitet seit Beginn der Einführung der gestuften Studiengänge sehr aktiv und fakultätsübergreifend an deren Weiterentwicklung. Folgende Grafik verdeutlicht, in welchem Umfang seit 2007 jährlich Curricula und fachspezifische Prüfungsordnungen an der Universität
Hamburg überarbeitet worden sind:

Die Studienreformaktivitäten werden seit Einführung der gestuften Studiengänge regelmäßig durch eine Vielzahl von Veranstaltungen flankiert: Seit 2006 findet mindestens einmal jährlich der Konferenztag Studium und Lehre statt, auf dem aktuelle Themen des Studienmanagements und der Studienreform fakultätsübergreifend diskutiert werden. In den Jahren 2009-2011 haben sich im Rahmen des Forums Studienreform regelmäßig externe Referentinnen und Referenten mit Expertinnen und Experten der Universität Hamburg zu den verschiedensten Aspekten der Studienreform öffentlich ausgetauscht. 2010, 2012 und 2013 haben
drei universitätsweite Dies-Academicus-Veranstaltungen stattgefunden, die sich konkret mit der Weiterentwicklung des Bachelor-Master-Systems auseinandergesetzt haben. Parallel und in der Folge der Veranstaltungen hat die Universität
Hamburg ein Reformkonzept erarbeitet und inzwischen umgesetzt, das die Fol-gen politischer Fehlentscheidungen zu mildern geeignet ist. Mit der vollständigen Revision der Prüfungsordnungen sowie einer konzeptionellen Neugestaltung eines fachüberschreitenden Studiums stellt die Universität Hamburg in ihren gestuften Studiengängen den Anspruch auf eine Bildung durch Wissenschaft in den Fokus ihrer weiteren Studienreform.

f) Hinsichtlich der Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Lehre steht
die Universität auf dem Standpunkt, dass die Qualität der Lehre nicht allein durch die Ein- bzw. Durchführung von formalen, bisweilen formalistischen Verfahren der Qualitätssicherung und Akkreditierung gesichert und gesteigert wird. Diese bilden zwar eine wichtige Grundlage, entscheidende Verbesserungen können
aber auf Dauer nur erzielt werden durch eine Intensivierung von curricularen Reformen, durch eine systematische Änderung von Lehrveranstaltungsformaten, durch eine Verstärkung der Qualifikationsangebote für Lehrende sowie durch eine intensive Einbeziehung der aktuellen Forschungsergebnisse der Lehr-
/Lernforschung.

g) Die Universität arbeitet seit Jahren daran, Digitalisierungsstrategien im Lehrbereich weiter umzusetzen. Insofern gibt das „Perspektivpapier“ den bereits erreichten Stand im eLearning-Bereich wieder, den die Universität der Behörde anlässlich der Umfrage Anfang des Jahres übermittelt hat. In der Frage der Einführung von international zugänglichen Kursangeboten folgt die Universität der Beschlussfassung des Senats der Hochschulrektorenkonferenz vom 24.6.2014 sowie den von der AG Digitales Lernen (Vizepräsidenten Studium und Lehre sowie eLearning-Experten der Hamburger Hochschulen) in Entwicklung befindlichen Vorstellungen.

h) Die Universität teilt die Auffassung, dass die Durchlässigkeit der Bildungsbereiche und der Zugang von Berufstätigen in das Studium erleichtert werden muss. Dazu ist die Universität ausdrücklich bereit, weist aber zugleich darauf hin, dass durch einen bloßen Berufsabschluss eine mit dem Abitur vergleichbare Studierkompetenz noch nicht gegeben ist. Deshalb müssen die notwendigen Finanzmittel bereitgestellt werden, die erforderlich sind, um Berufsabsolventen die entsprechenden Elemente der Studierfähigkeit, z.B. auf dem Wege von Studienkollegs und Propädeutika, zu vermitteln sowie auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnittenen Angebote, wie z.B. Teilstudiengänge und berufsbegleitende Studiengänge, zu schaffen. Die Universität hält die Forderung nach einem entscheidenden Einfluss der Wirtschaft (Kammern) bei der Anrechnung beruflicher Qualifikationen auf ein Hochschulstudium weiterhin für unsachgemäß, weil nur die Universität in ihrem jeweiligen Fach einschätzen kann, ob die erforderlichen Voraussetzungen für ein Studium jeweils gegeben sind.

I) Für die Universität ist die Aussage, dass die Weiterbildung in der Hochschulvereinbarung bis 2020 berücksichtigt und in der Leistungsorientierten Mittelvergabe dauerhaft verankert sei, nicht nachvollziehbar. Lediglich einige wenige Personalstellen, z.B. für das Allgemeine Vorlesungswesen, sind im Haushalt der Universität pauschal berücksichtigt. Für ein über den heutigen Stand hinausgehendes Weiterbildungsangebot ist neben zusätzlichen personellen und infrastrukturellen Ressourcen vor allem auch eine grundlegende Änderung der Rahmenbedingungen für eine Beteiligung der Hochschullehrer/innen an der Weiterbildung erforderlich. Gegebenenfalls ist zu entscheiden, zu Lasten welcher Studienplätze Kapazität im Weiterbildungsbereich aufzubauen ist.

2. FORSCHUNG

a. Die Leistungsfähigkeit der Universität in der Forschung ist im Vergleich zu den rund 390 Hochschulen der Bundesrepublik überproportional gut. Nach Auswertung der namhaften Rankings („Meta-Ranking“ aus den Rankings von AvH, DAAD, CHE, QS University Ranking, ERP) belegt die Universität Platz 12 unter den deutschen Hochschulen – dies entspricht den obersten 3% aller bundesdeutschen Hochschulen. Im CHE-Multirank liegt die UHH, gemessen an den Forschungsindikatoren, auf Platz 4. Ebenso gehört die Universität hinsichtlich ihrer Publikationen zu den Spitzenuniversitäten. So rangiert sie bei den hochschulübergreifenden Publikationen im deutschen Vergleich auf Platz 6; auf Platz 5 hinsichtlich des Anteils gemeinsamer internationaler Publikationen (vgl. Leiden-Ranking). Eine weitere Steigerung von Forschungsdrittmitteln ist also nur noch in sehr engem Maße zu erwarten. Dieses liegt insbesondere daran, dass die erforderliche Grundfinanzierung, die die Förderorganisationen für eine Förderzusage voraussetzen, in Hamburg vergleichsweise unzureichend und abnehmend ist. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Bewilligungsquote von Forschungsförderanträgen, die positiv bewertet sind, national nur noch etwa 20 % ausmacht. Das bedeutet, dass exzellente Anträge aus deutschen Hochschulen, und damit auch aus der Universität Hamburg, auch dann nicht bewilligt werden, wenn sie zur Förderung empfohlen wurden.

b. Das im „Perspektivpapier“ vorgeschlagene Element der Bildung von Potenzialbereichen ist nicht neu und wurde von der Behörde dem Struktur- und Entwicklungsplan der Universität Hamburg entnommen. Dort wurden bereits 2009 Potenzialbereiche für die Universität Hamburg identifiziert und weiter entwickelt. Die Universität teilt die Auffassung, dass die Finanzen zur Realisierung der Potenzialbereiche unzureichend sind (vgl. „Perspektivpapier“, Seite 23), so dass vielversprechende Potenzialbereiche brachliegen werden müssen. Insofern kann hier mit einer Steigerung der Aktivitäten auch nicht gerechnet werden. Das Präsidium erwartet vielmehr eine deutliche Steigerung der Grundfinanzierung, insbesondere aus den Entlastungsmitteln, die der Bund den Ländern verschafft
hat.

c. Ebenso teilt die Universität die Auffassung, dass Forschung international vernetzt verlaufen muss. Aus diesem Grunde hat die Universität Hamburg bereits
2010 ein gemeinsames Netzwerk mit skandinavischen Hochschulen errichtet, das hervorragend arbeitet. Das Gleiche gilt für das Netzwerk „Universität Hamburg – Fudan Universität – Macquarie University“ sowie für die Kooperation mit den USA. Mit welchen Regionen die Universität zusammenarbeitet, entscheidet sie indessen selbst.

d. Ebenso teilt die Universität die positive Bewertung der Kooperation mit außeruniversitären Einrichtungen. Diese findet zwischen der Universität und den außeruniversitären Einrichtungen der Region in zahlreichen Forschungsprojekten (z.B. Exzellenzcluster, Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen, EU-Projekte, beispielhaft genannt seien: CFEL, CSSB, DZIF, CUI, CLISAP), in der Doktorandenausbildung oder bei der gemeinsamen Nutzung von Geräten, Großrechnern, Bibliotheken statt. Die äußerst breite Zusammenarbeit wird auch bei den 36 gemeinsamen Berufungen sowie sieben Stiftungsprofessuren sichtbar.

e. Die Universität begrüßt die Auffassung der Behörde, dass ihre Aufgabe in der Grundlagenforschung und nicht vorrangig in der privaten angewandten Forschung liegt. Dieses ist dann allerdings auch bei der Forderung nach der Einwerbung privater Forschungsmittel zu berücksichtigen, die fast ausnahmslos für angewandte Forschung reserviert sind und insofern anderen Hamburger Hochschulen zugute kommen. Eine diesbezügliche Erwartung ist für die Universität nicht prioritär, zumal wenn man berücksichtigt, dass ein Drittel der Drittmittel der Universität aus der anwendungsorientierten BMBF-Förderung stammt.

f. Die Universität Hamburg begrüßt den Umstand, dass durch die Einigung des Bundes und der Länder über die zukünftigen Aufgaben des Bundes bei der Finanzierung von Wissenschaft erhebliche Finanzmittel frei geworden sind, die bisher in die Kofinanzierung außeruniversitärer Einrichtungen geflossen sind. Die Universität Hamburg erwartet, dass diese Mittel nunmehr der Universität und den Hamburger Hochschulen zugute kommen. Dieses wird auch deswegen erforderlich sein, weil die Forderung des „Perspektivpapiers“, weitere Potenzialbereiche auszubauen, nur erfüllbar sein wird, wenn erheblich mehr als die jährlich vorgesehenen 11 Millionen Euro für die Forschungsförderung durch das Land zur Verfügung gestellt werden. Hier ist erneut zu bedauern, dass die Regierung die „Ernst Cassirer-Stiftung“ abgeschafft hat, die geeignet war, eine breitere Landesforschungsförderung zu gewährleisten. Erst die Bereitstellung eines Sonder- bzw. Stiftungsvermögens mit einem dreistelligen Millionenbetrag kann eine qualitative Neuorientierung der Forschungsförderung bewirken.

g. Ebenso teilt die Universität die Auffassung, dass für erfolgreiche Forschung, insbesondere in den Naturwissenschaften, adäquate Infrastrukturen bereit zu stellen sind. Das Präsidium erkennt allerdings nicht, dass dieses bisher überall der Fall ist.

h. Hinsichtlich des Aspekts von Wissens- und Technologietransfer ist die Universität Hamburg nicht im gleichen Maße tangiert wie andere Hochschulen. Denn das „Perspektivpapier“ hält zu Recht für die Universität Hamburg fest, dass hier Grundlagenforschung im Mittelpunkt steht. Gleichwohl wird die Universität sich, wie auch bisher, im Rahmen ihrer Grundlagenforschung mit Ideen und Vorschlägen zur Entwicklung und Finanzierung des Transferbereichs durch das Land einbringen.

i. Die beabsichtigte weitere Profilbildung des Hochschulbereichs in Hamburg ist keine Selbstverständlichkeit. Es wird darauf zu achten sein, dass unter dem Titel „Profilbildung“ nicht eine Verengung des Wissenschaftsangebots aus Spargründen verstanden wird. Dieses ist in Deutschland an verschiedenen Stellen zu beobachten. Eine quantitative und inhaltliche Festlegung von Forschungsschwerpunkten seitens der Politik weist die Universität entschieden zurück. Wissenschaft muss sich aus der Kreativität der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen heraus, also Bottom up und nicht Top down, entwickeln können. Das ist ein Kernelement der akademischen Hochschulautonomie. Insofern können Profilschwerpunkte staatlicherseits auf keinen Fall vorgegeben werden. Natürlich ist der Staat frei darin, zusätzliche Mittel in bestimmte Bereiche einzuspeisen. Dabei wird allerdings darauf zu achten sein, das auf diese Weise die Grundlagenforschungsfähigkeit sowie die verfassungsmäßig garantierte Mindestausstattung der Professuren nicht tangiert wird.

j. Sollte der Wissenschaftsrat bereit sein, eine Evaluierung der Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik hochschulübergreifend durchzuführen, sieht die Universität die Möglichkeit, sich auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung ihrer anderen Fächer extern beraten zu lassen. Dieses tut sie im Übrigen bereits kontinuierlich, z.B. durch die Beiziehung von externen Experten bei der Neubestimmung von Professuren und deren Besetzung, im Bereich des Zukunftskonzepts Universitätsverwaltung etc.

3. INTERNATIONALISIERUNG

Die Universität Hamburg begrüßt die Tatsache, dass das „Perspektivpapier“ die Internationalisierungsstrategie der Universität nun für die ganze Stadt übernommen hat. Die Internationalisierungsstrategie der Universität ist nämlich das Produkt der im Jahre 2011 erfolgten Auditierung des Internationalisierungsstatus der Universität durch die HRK. In diesem Zusammenhang konnte die Internationalisierungsstrategie mit einem klaren Prioritätenplan entwickelt werden, der seit zwei Jahren konsequent umgesetzt wird. Insofern ist die Universität auch beispielsweise bereits im Ostseeraum (Stella Polaris-Netzwerk) mit Kooperationen unabhängig von diesbezüglichen Entscheidungen des Senats präsent. Im Rahmen ihrer Strategie setzt die Universität Hamburg bereits seit 2011/2012 gezielt auf den Aufbau von strategischen Partnerschaften in verschiedenen Weltregionen. Zu den von der Universität beschlossenen Kriterien für die Auswahl von Partnern gehören u.a. die wissenschaftliche Beteiligung von mindestens drei Fakultäten, ähnliche Forschungsschwerpunkte und Exzellenzbereiche, Potenzial für Dreieckskooperationen und Netzwerke sowie Attraktivität für Drittmittelgeber. Mit Macquarie University, Fudan University sowie dem Konsortium Stella Polaris sind erste erfolgreiche Projekte aus diesem Konzept entstanden; auch mit anderen Partnern, z.B. der Universiteit Stellenbosch, sind erste Maßnahmen in der Vorbereitung. Darüber hinaus nutzt die Universität Hamburg diese Partnerschaften, um nachhaltig zusätzliche Studierenden- sowie Wissenschaftsaustauschplätze, beispielsweise an US-amerikanischen Partnerhochschulen, anbieten zu können.

Das vom Auswärtigen Amt ausgezeichnete interkulturelle Betreuungsprogramm PIASTA der Universität unterstützt alle – insbesondere die internationa-
len – Studierenden in der Studieneingangsphase und ermutigt sie, internationale bzw. interkulturelle Erfahrungen während ihres Studiums an der Universität Hamburg zu sammeln und damit das Campusleben zu bereichern.

4. GLEICHSTELLUNG

Die Universität Hamburg gilt deutschlandweit als eine der drei ersten Adressen für das Thema Gleichstellung und das Thema Familienfreundlichkeit, weil sie bereits zu Beginn der 90er Jahre extensive Aktivitäten in diese Richtung unternommen hat. Insofern sind ihre Erfolge weit überdurchschnittlich. Es versteht sich, dass die Universität diese Erfolge stabilisiert, aber auch darauf achtet, dass die Gleichstellung ebenso im Hinblick auf Männer gewährleistet wird, so beispielsweise bei der Steigerung von Männeranteilen in klassischen „weiblichen“ Fächern wie z. B. der Grundschulpädagogik. Vor dem Hintergrund ihrer besonderen Leistung ist die Universität auch stolz darauf, dass sie wiederholt mit dem Siegel „Familienfreundliche Hochschule“ ausgezeichnet worden ist.

5. INFRASTRUKTUR

Die Universität begrüßt ausdrücklich die Neuaufnahme eines Kapitels zur Infrastruktur für Lehre, Forschung und Studium in das „Perspektivpapier“. Die Universität bedauert allerdings, dass für die Infrastruktur-Entwicklung, die seit Jahrzehnten überfällig ist, immer noch kein klarer verbindlicher Zeit- und Finanzierungsplan vorgelegt wird. Lediglich werden erneut Planungsabsichten benannt. Der Investitionsstau für die Universität Hamburg beläuft sich zurzeit auf rund 630 Mio. Die Universität Hamburg wünscht sich dringend ein verbindliches, durch das Parlament und entsprechende Haushaltsbeschlüsse unterlegtes Investitionsprogramm, das den Mitgliedern der Universität den Eindruck vermittelt: Endlich meint es die Freie und Hansestadt Hamburg Ernst mit ihrem Bekenntnis zur Wissenschaft als dem entscheidenden Entwicklungsfaktor der Stadt – über Wahlkampfpapiere hinaus in verbindlichen Beschlussfassungen.

6. FINANZEN

Die völlig unzureichende Perspektivplanung für die Infrastruktur umfasst auch die jährlichen Globalhaushalte. Die Universität hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Beschränkung einer Zuwachsrate auf 0,88% faktisch eine Mittelkürzung darstellt. Entsprechend war sie genötigt, Abstrukturierungen in einzelnen von der BWF vorgegebenen Bereichen vorzunehmen. Auch wenn die restriktive Finanzierung der Hochschulen in einer Hochschulvereinbarung bis
2020 festgeschrieben wurde, ist die Regierung frei darin, ihre diesbezügliche Entscheidung zu revidieren und, insbesondere vor dem Hintergrund des neuen Haushaltsgewinns durch die Aufgabenübernahme des Bundes, den Hochschulen weitere Mittel zufließen zu lassen. Das muss sich sowohl auf die Erhöhung der Globalhaushalte als auch auf die Erhöhung von Sonderleistungen, z. B. bei der Forschungsförderung, beziehen. An der Unterfinanzierung ändert im Übrigen der Umstand nichts, dass durch eine restriktive interne Sparpolitik Rücklagen angelegt werden konnten, um die schlimmsten Folgen der städtischen Sparpolitik abzufedern.

7. BERICHTSWESEN

Die Universität kritisiert das extensive Berichtswesen, das mit dem „Perspektivpapier“ eingeführt wird und bereits außerhalb Hamburgs unter Experten zu großem Kopfschütteln geführt hat. Die Abfassung von Quartalsberichten, Halbjahresberichten, Jahresberichten, insgesamt also die Abfassung von 30 Berichten pro Jahr (vgl. „Finanz- und Berichtskalender 2014“ der BWF) bindet erhebliche Kräfte, die für die Zukunft der Entwicklung der Universität dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Im Übrigen ist die Formulierung zur Begründung dieses Berichtswesens verräterisch und eines der zahlreichen Beispiele für die Rücknahme der Hochschulautonomie: „Damit die notwendige Steuerung der Hochschulen wirksam ausgeübt werden kann…“ (Seite 52)

Was schließlich die Beschreibung der Perspektiven der Universität Hamburg betrifft, so stellt die Universität fest, dass neue Perspektiven nicht enthalten sind. Es handelt sich um eine Beschreibung des Status Quo und der erfolgreichen Tätigkeiten der Universität. Die Universität zeigt sich insofern erfreut darüber, dass diese Erfolge zumindest dokumentiert, wenngleich auch nicht wertgeschätzt werden. Wertschätzung ist im Übrigen ebenso wie der Respekt gegenüber den Leistungen der studentischen, administrativen und wissenschaftlichen Mitglieder der Universität eine Haltung, die in dem gesamten Papier vermisst wird.

Es ist nicht geeignet, den Mitgliedern der Universität den Eindruck zu vermitteln,

  • dass sie für die Regierung willkommen sind,
  • dass die Regierung registriert, dass durch die Universität Hamburg eine Wertschöpfungskette erzeugt wird und
  • dass die Universität neben den anderen Hochschulen einen Kernbeitrag zur Kompensation eines reduzierten Fremdbildes der Stadt als einer bloßen Handelsmetropole leistet.

Universitäten sind keine Dienstleistungsbetriebe, in denen Produkte abgerufen werden können, sondern Zentren der Kreativität, in denen die technische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Vorbereitung auf die Zukunft eines besseren Lebens für alle erfolgt.

http://www.fsrk.de/artikel_348.html [Stand 11. August 2014]


Stellungnahme des Präsidiums der Universität Hamburg zum BWF-Papier