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dokumentiert
Beschluß des Fakultätsrats MIN vom 13. August 2014

Stellungnahme des MIN-Fakultätsrats zum Papier der BWF „Strategische Perspektiven für die hamburgischen Hochschulen bis 2020“

Der Fakultätsrat der MIN-Fakultät der Universität Hamburg begrüßt, dass eine Strategie für die Entwicklung der Wissenschaft in Hamburg entwickelt werden soll. Der vorgelegte Text erfüllt die Anforderungen an eine Strategie nicht. Vielmehr werden den Hochschulen zusätzlichen Aufgaben zugewiesen und faktisch die Mittel gekürzt. Das 69-seitige Konvolut der BWF ist in sich nicht schlüssig und entwertet sich durch zahlreiche innere Widersprüche.

Der Fakultätsrat der MIN-Fakultät lehnt diesen Entwurf der BWF ab und fordert sie auf, diesen zurückzunehmen, um eine partnerschaftliche Strategie gemeinsam zu entwickeln.

Für eine tragfähige Strategie, bezogen auf die Universität Hamburg, sollten wissen schaftspolitische Visionen und Perspektiven aufgezeigt werden, die an das vorhandene Leitbild der Universität anknüpfen und die laufenden Entwicklungen und Diskussionen der Universität einbeziehen. Das Leitbild der Universität orientiert sich am Bild einer weltoffenen, wissenschaftlich leistungsfähigen Universität und benennt im Grundsatz allgemeinwohlorientierte und nachhaltige Ziele für die Entwicklung der Hochschule. In diesem Sinne wird die MIN-Fakultät ihre Forschungsschwerpunkte weiter entwickeln, neue Forschungsfelder hervorbringen und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden.

In vielen Stellungnahmen und in öffentlichen Anhörungen haben die Mitglieder der Hochschulen im Bewusstsein ihrer wechselvollen Geschichte zum Ausdruck gebracht, dass kritische Hochschulen für eine zivile, soziale und kulturfördernde Entwicklung der Gesellschaft unentbehrlich sind. Diesen vielschichtigen Zielstellungen wird der Entwurf nicht gerecht, wenn die „Strategischen Perspektiven“ sich weiterhin lediglich an den Wirtschafts-„Clustern“ und deren Arbeitskräftebedarf („Erwerbspersonenpotential“) orientieren. Die ökonomisch-instrumentelle Grundlinie der Wissenschaftspolitik der letzten 20 Jahre (Bologna, Entdemokratisierung, Detailsteuerung, Managementstrukturen) hat gegenüber dem Erfordernis der Bildung mündiger Menschen und weltzugewandter, verantwortlicher Wissenschaften Schaden angerichtet, der beendet und geheilt werden muss.

Schere zwischen Finanzierung und Aufgaben

Im Anbetracht der notwendigen Tarifsteigerungen und des fehlenden Inflationsausgleich bewirkt die vielfach beschworene finanzielle „Planungssicherheit“ bis 2020 jährlich wachsende Defizite. Im Papier werden viele Zusatzaufgaben genannt, von denen einige durchaus sinnvoll sind. Da sie nicht finanziert werden, klappt die bereits bestehende Schere zwischen Ausstattung und Aufgaben immer weiter auseinander. Diesem Umstand muss entgegnet werden, damit nicht erhebliche Einschnitte und Kürzungen (z.B. durch Wegfall ganzer Studiengänge) die Folge sind. Dass unter diesen Bedingungen der gerade beschlossene „Code of Conduct“ kostenneutral umgesetzt werden soll, konterkariert ihn und führt unweigerlich zu Arbeitsverdichtung und Stellenkürzungen.

Offensichtlich ist es politischer Wille, ohne dass dies im Papier tatsächlich benannt wird, der finanziellen Schere durch eine hochschulinterne Umstrukturierung begegnen zu wollen. Diese Einschnitte „dürfen“ dabei im Rahmen der Hochschulautonomie von der Universität selbst vorgenommen werden. Wie unter diesen Bedingungen der gewünschte Schutz kleiner Fächer umgesetzt werden soll, erschließt sich aus dem Strategiepapier nicht. Der Gedanke, eine mangelnde Grundausstattung durch erhöhtes Drittmittelaufkommen zu kompensieren, ist falsch und widerspricht den Förderrichtlinien aller Drittmittelgeber. Die politische Idee scheint daher wohl eher zu sein, die Kürzungen so vorzunehmen, dass die Ausstattung der verbleibenden Bereiche „konkurrenzfähig“ ist und im Wettbewerb um Drittmittel bestehen kann.

Mit Verärgerung nimmt der Fakultätsrat der MIN-Fakultät zur Kenntnis, dass die freiwerdenden Bafög-Mittel keine Berücksichtigung in der Hochschulfinanzierung finden.

Der Fakultätsrat der MIN-Fakultät begrüßt nachdrücklich die Realisierung der dringend benötigten Bauten für Geowissenschaften, das MIN-Forum und für die Informatik und sieht dem Baufortschritt mit Spannung entgegen. Allerdings stellen wir mit Verwunderung fest, dass der übrige Campus bis 2020 nur mit Reparaturen auskommen soll. Nach einem nun weit über zehn Jahre währenden faktischen Baustopp ist auch dort der Bedarf der baulichen Entwicklung sehr drängend.

Wissenschaftsfreiheit statt Detailsteuerung

Die Wissenschaftsfreiheit ist im Grundgesetz verankert, sie besteht in der Freiheit, die Würde des Menschen zu verwirklichen. Das gelingt nur, wenn es einen demokratischen Meinungsbildungsprozess geben kann, basierend auf Information und Transparenz. Die benannten Vorgaben und Regelungen haben den Charakter von Detailsteuerung und stellen einen krassen Gegensatz zur Hochschulautonomie dar. Beispiele hierfür sind die Vorgaben zur Ausgestaltung der Studiengänge, die in die Kernkompetenzen der Hochschulen eingreifen, und die weitere Ausweitung von Kontrollinstrumenten wie Kennziffern, LOMI und ZLV, die eine Misstrauenskultur fördern. Diese Vorgaben und Regelungen zeigen eine Intention zentraler Steuerung, die nicht zu optimalen Lösungen für die Bedarfe der sich ändernden Gesellschaft führen kann, da sie insbesondere der problematisierenden, aufklärenden und somit initiativen Verantwortung der Wissenschaft entgegenstehen.

http://www.fsrk.de/artikel_344.html [Stand 13. August 2014]