Der Fakultätsrat der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften/WiSo hält weite Teile des Papiers „Strategische Perspektiven für die hamburgischen Hochschulen“ für einen unzulässigen Eingriff in die Autonomie der Universität Hamburg. Wie der Akademische Senat in seiner ersten Stellungnahme zutreffend angemerkt hat, sind relevante Maßstäbe für die Entwicklung der Universität Hamburg allein aus dem Leitbild der Universität Hamburg, dem Positionspapier des Kompetenzzentrums Nachhaltige Universität, etc. zu entnehmen. Auch die Bandbreite der vom Akademischen Senat formulierten Kritik an Kontrollinstrumenten wie Kennziffern, ZLV etc. wird vom Fakultätsrat der WiSo-Fakultät geäußert.
Die in den „Strategischen Perspektiven“ formulierten Erwartungen zu weiteren Leistungssteigerungen an die Universität bzw. unsere Fakultät sind mit de facto sinkenden Ressourcen und zudem einem zunehmenden Missverhältnis zwischen einer verlässlichen, ausreichenden Grundfinanzierung und temporären, nicht für langfristige und strukturbildende Maßnahmen einsetzbaren Mitteln nicht zu vereinbaren. Angesichts der Fortsetzung der Unterfinanzierung durch das Festhalten an der Schuldenbremse von Planungssicherheit zu sprechen, ist für den Fakultätsrat nicht akzeptabel. Aufgrund der Übernahme des BAFÖG durch den Bund wären in der FHH frei gewordene Mittel für den Hochschulbereich verfügbar.
Die Fakultät weist die Vorstellung zurück, dass eine Orientierung an wirtschaftlichen Clustern sinnvoll sei, denn dadurch wird die Abhängigkeit der Forschung von der Wirtschaft präjudiziert. Während das Strategiepapier als Kriterien ausschließlich die „bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Erwerbspersonenpotenzials“, die Befriedigung des „prognostizierten Fachkräftebedarfs“ und die „Drittmittelfähigkeit“ im „zunehmenden internationalen Wettbewerb“ kennt, sieht die WiSo-Fakultät ihren gesellschaftlichen Auftrag insbesondere darin, zur „Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft“ (Leitbild der Universität Hamburg) durch die Bildung mündiger Persönlichkeiten in Einheit von Forschung und Lehre beizutragen.
Insgesamt weist der Fakultätsrat das Strategiepapier der BWF bzw. des Politischen Senats daher zurück.
Trotz dieser grundsätzlichen Kritik werden im Folgenden einzelne Punkte aus dem Strategiepapier aufgegriffen, da sie in sich widersprüchlich sind oder wichtige Gesichtspunkte ausblenden.
Als strategische Perspektive sieht das Papier für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ein Absinken der Studienanfängerplätze in relevantem Umfang vor (S. 53). Es ist dem Fakultätsrat der WiSo-Fakultät nicht nachvollziehbar, wie gerade angesichts der aktuellen, großen gesellschaftlichen Herausforderungen ausgerechnet die Fächer abgebaut werden sollen, die mit einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Bildung dazu beitragen können, Hinweise zum Umgang mit gesellschaftlichen Problemen und Krisen zu liefern.
Es ist höchst widersprüchlich vom Politischen Senat bzw. der BWF, auf der einen Seite die wichtige bildungspolitische Aufgabe erhöhter Durchlässigkeit der Bildungsbereiche (S. 20) und „Lebenslanges Lernen“ (S. 21) zu propagieren und auf der anderen Seite ausgerechnet in der Fakultät abzubauen (S. 53), in der ein durchlässiges Bachelor- Programm verortet ist und die als einzige in der Universität seit vielen Jahren in nennenswertem Umfang und erfolgreich Weiterbildungsprogramme anbietet: die WiSo- Fakultät.
Es ist sehr unrealistisch von den Autoren/innen des Strategiepapiers ernsthaft anzunehmen, dass die hohen Kürzungserwartungen an die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Bereiche von der WiSo-Fakultät erfüllbar wären, ohne dass auch der Fachbereich Sozialökonomie in Mitleidenschaft gezogen würde (S. 53). Insgesamt sinkt die Anzahl der Studienanfängerplätze im Fachbereich Sozialökonomie bis 2016 um ca. 10% (65 Anfängerplätze/Bachelor Sozialökonomie), was also schon jetzt im Widerspruch zur im Papier formulierten Absicht steht, das erfolgreiche Modell der Sozialökonomie „in gleicher Größe“ fortzusetzen.
Auch die im Rahmen der Fakultätsteilung bzw. der Ausübung des Optionsrechts durch die BWL-Professorinnen und –professoren im FB Sozialökonomie hinzu gewonnenen Kapazitäten konnten nicht für eine Verringerung der Anzahl zu streichender Anfängerplätze im Bachelor Sozialökonomie genutzt werden (es hätten mit den zusätzlichen Kapazitäten aus der Inanspruche des Optionsrechtes/Wechsel von BWL-Professoren und -Professorinnen in den Fachbereich Sozialökonomie ca. 50 Plätze weniger gestrichen werden müssen). Vielmehr müssen die zusätzlichen Kapazitäten für den Dienstleistungsexport bisher vom Fachbereich BWL bedienter Nebenfächer etc. verwendet werden.
Sollte zukünftig auch noch die Handelslehramtsausbildung von der BWL- in die WiSo- Fakultät verlegt werden müssen, wäre damit ein weiterer Abbau von Anfängerplätzen im Fachbereich Sozialökonomie verbunden (Streichung weiterer ca. 49 Anfängerplätze).
Auch das – im Prinzip begrüßenswerte – Ziel der Erhöhung der Übergangsquote vom Bachelor in den Master (S. 52) bedeutet ohne einen Mittelzuwachs de facto einen weiteren Abbau von Anfängerplätzen in den Programmen der WiSo-Fakultät. Ähnliches gilt auch für die denkbare Verlängerung des Bachelors auf acht Semester. Bei gleich bleibenden Mitteln und mit der Vorgabe der korrespondierenden Verkürzung des Masterstudiums ist dies keine sinnvolle Option.
Gerade in der WiSo-Fakultät werden gesellschaftsbezogene Fragen in Einheit von Forschung und Lehre aufgegriffen, die ohne interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht behandelt werden können. Daher ist verblüffend bzw. ärgerlich, dass die Beteiligung der WiSo-Fakultät am interdisziplinären Exzellenzcluster CLISAP in dem Strategiepapier übersehen wird und nur für die MIN-Fakultät die Aufrechterhaltung der Exzellenzbereiche als Ziel genannt wird (S. 53). Ähnlich selektiv sind die Aussagen zur Forschungsnähe der Studienprogramme und zur Interdisziplinarität als Argumente für gleichbleibende Studienanfängerplätze.
Widersprüchlich und unbefriedigend sind auch die Aussagen zur Wichtigkeit der wissenschaftlichen Weiterbildung (S. 21 und S. 54): Ohne dass Lehrkapazität auch für die wissenschaftliche Weiterbildung eingesetzt werden kann und somit zur regulären Dienstaufgabe der Lehrenden wird, kann die wichtige gesellschaftliche Aufgabe der Weiterbildung in der Universität/in der WiSo-Fakultät nicht erfüllt werden. Sie verbleibt sonst im Bereich der anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten und kann nicht zum Kern der strategischen Entwicklungsplanung der Fakultät gehören. Es ist für die WiSo- Fakultät nicht nachvollziehbar, dass die BWF eine entsprechende Regelung nicht ins neue HmbHG aufgenommen hat bzw. die entsprechenden Ressourcen nicht bereitstellt.
Angesichts des riesigen Investitionsstaus im baulichen Bereich, der auch in der WiSo- Fakultät sehr schmerzlich spürbar ist, lehnen wir den Ansatz im Strategiepapier ab, bei einigen Gebäuden nur Bestandserhalt und Gefahrenbeseitigung zu betreiben, während Exzellenzbereiche bedarfsgerecht ausgestattet werden.
Insgesamt werden in den genannten und weiteren Zusammenhängen vom Politischen Senat/der BWF für die UHH bzw. die Fakultät WiSo zahlreiche zusätzliche Aufgaben und Erwartungen formuliert, ohne dass von der FHH zusätzliche Mittel verlässlich und langfristig zur Verfügung gestellt bzw. obwohl zugleich der WiSo-Fakultät deutliche Kürzungen vorgegeben werden.