„Der Forschung, der Lehre, der Bildung.“
„Autonome und sich dem Wettbewerb stellende Hochschulen als Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen benötigen moderne, partizipative Entscheidungsstrukturen, mit einem klar abgegrenzten Kompetenzgefüge und sich ergänzenden Aufgaben. (…)
Deshalb stellt das Gesetz die Verantwortlichkeiten von Land und Hochschule klar und justiert zwischen Freiheit und Verantwortung und einer größeren Transparenz neu.“
Sehr geehrter Herr Schinnenburg,
sehr geehrte Mitglieder des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft,
mit dem vorgelegten Senatsentwurf des „Gesetzes zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts“ sind gegenüber dem ersten Behördenentwurf einige positive Korrekturen vorgenommen worden. Dies sind vor allem die Rücknahme der Stärkung der/des Präsidentin/Präsidenten, dabei insbesondere die Zuordnung der Zuständigkeit für die Verwendung frei werdender Stellen nun wieder in den Fakultäten sowie die leichte Ausweitung der möglichen Befugnisse einer dritten Selbstverwaltungsebene. In Bezug auf letzteres bleibt der Gesetzentwurf erneut halbherzig indem er den Fakultäten nicht die volle Souveränität zugesteht, selber zu entscheiden, welche Befugnisse sie jeweils nach ihrer spezifischen Situation an die dritte Ebene übertragen wollen. Dies aber war auf der von der Behörde durchgeführten Arbeitstagung einhellig gefordert worden.
Insgesamt lässt sich aus dem Senatsentwurf schließen, dass die Prämissen der Argumentation aus den Hochschulen, in ihrer Reichweite und Konsequenz vom Senat nicht geteilt werden und nur geringfügig zum Ausgangspunkt für die weitere Überarbeitung gegenüber genommen wurden.
Die in zahlreichen Stellungnahmen ausgeführte Kritik ist Ergebnis der in den Hochschulen gründlich geführten Diskussion über die Voraussetzungen und Ziele wissenschaftlichen Arbeitens vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Herausforderungen und dem Maßstab der Bildung mündiger Menschen für eine zivile sowie ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Entwicklung. Diese Perspektive haben sich die Hochschulmitglieder in den letzten Jahren auch in Bezug auf die europäische Hochschulreform in neuer Qualität angeeignet; sie bildet die Grundlage demokratischer und sozialer akademischer Kultur. Das ist richtungsweisend für Theorie und Praxis der Wissenschaft und sollte ernsthafter für die Änderungen des Gesetzentwurfs gewürdigt werden. Eine alleinige neue „Justierung“ wird diesen Maßstäben nicht gerecht.
Wir bitten daher die Abgeordneten, die nachstehenden exemplarischen Positionen aus den Hochschulen bei ihrer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung aufzugreifen:
„Der Fakultätsrat begrüßt die Stärkung des Akademischen Senats ("Hochschulsenat"), soweit ihm Zuständigkeiten übertragen werden, die bislang beim Hochschulrat oder beim Präsidium liegen. Dies gilt insbesondere für Haushalts- und Strukturfragen, die grundsätzlich bei den durch alle Mitgliedergruppen besetzen Gremien liegen sollten. Dies ist dahingehend auszubauen, dass dem Hochschulrat nur noch eine beratende Funktion zukommt.“
„Der Senat äußert sich dazu wie folgt: Die Hochschulen sind aus öffentlichen Mitteln finanzierte Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen, die auch der Allgemeinheit verpflichtet sind. Die Hochschulautonomie ist an vielen Stellen (siehe Berufungsrecht und Globalbudgets) stark ausgeprägt, so dass dies institutionell zu flankieren ist. Hierfür sind Hochschulräte ein bundesweit bewährtes und adäquates Modell.“
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Das politische Konzept, universitätsinterne Lenkungsentscheidungen durch einen mit externen Vertretern u.a. aus der ‚freien Wirtschaft‘ gebildeten Hochschulrat als höchstes Entscheidungsgremium in allen Struktur- und Ressourcenfragen an gesellschaftliche Perspektiven und Interessen zurückzubinden, hat sich als nicht tragfähig erwiesen. Ein derart zusammengesetztes Gremium mit solcher Entscheidungskompetenz ist nicht wirksam auf seine Verantwortung für die grundgesetzlich verankerte Wissenschaftsfreiheit zu verpflichten, sondern stärkt eine auf Bildungs- und Forschungsprozesse nicht einfach übertragbare betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise. Das Potential, durch verschiedene außeruniversitäre Perspektiven auf und Erwartungen an die Wissenschaft diese im Interesse der Allgemeinheit zu bereichern, kann ein Hochschulrat dann entfalten, wenn er statt finanzieller Entscheidungszuständigkeit inhaltliche Beratungsfunktion gegenüber den universitären Willensbildungs- und Entscheidungsgremien wahrnimmt. Er sollte in Zukunft auf diese Funktion umgestellt werden.
Das Leitbild der Universität und das „Kompetenzzentrum nachhaltige Universitätsentwicklung“ stehen exemplarisch für die stete Reflektion und praktische Wahrnehmung der Verantwortung für die Allgemeinheit durch die Mitglieder der Hochschule. Dies kann institutionell gestärkt werden, z.B. durch die Einrichtung eines für Grundsatzfragen zuständigen Konzils.
„Die Zuständigkeit für die Wahl der Leitungsfunktionen sollte vollständig bei den mit allen Mitgliedergruppen besetzen Gremien liegen; für die Wahl von Dekanatsmitgliedern also entsprechend bei den Fakultätsräten. Ein Zwang zur Einrichtung von Findungskommissionen, die paritätisch durch vom Präsidium bestimmte Mitglieder besetzt sind und dann auch noch eine Vorauswahl von nur einer zu wählenden Person treffen, hebelt die Wahl durch den Fakultätsrat aus und begrenzt diesen faktisch wieder auf das Recht zur Bestätigung.“
„Hierzu nimmt der Senat wie folgt Stellung: (...) Die Vorlage einer „Einer-Liste“ entspricht der Funktion der Findungskommission, die die beste Kandidatin bzw. den besten Kandidaten ermitteln soll, und soll Verfahrensblockaden zwischen beiden Wahlorganen verhindern.“
Diese Formulierung verkennt die Funktionen und verwirrt die Zuständigkeiten innerhalb der Wissenschaftlichen Selbstverwaltung gründlich. Das mit dem Wahlrecht ausgestattete Gremium kann den eigentlichen Vorgang der Wahl nicht an ein anderes abtreten, zumal wenn dessen Zusammensetzung wiederum von einem dritten Gremium mitentschieden wird. Abgegeben werden können allenfalls vorbereitende Tätigkeiten. Nach der Tätigkeit der Findungskommission muss dem ursprünglichen Gremium sowohl eine substantielle Auswahl als auch die Möglichkeit einer erneuten Findung ermöglicht bleiben. Der Vorgang der tatsächlichen Auswahl darf nicht der Findungskommission überantwortet werden. Einer-Listen sollen möglich, nicht aber vorgeschrieben sein.
Die Sorge des Senats bezüglich „Verfahrensblockaden“ zieht bei der Dekanatswahl nicht, weil kein zweites Organ beteiligt ist, und lässt sich bei der Präsident/innen-Wahl im übrigen durch eine Nichtbeteiligung des Hochschulrats ausräumen.
„Die Einführung von Ziel- und Leistungsvereinbarungen (ZLV) im Verhältnis zwischen zentraler Ebene und Fakultäten lehnt der Fakultätsrat ab. ZLV suggerieren eine Gleichberechtigung der Vereinbarungspartner, die jedoch nicht gegeben ist. Soweit Entscheidungen die Fakultäten betreffend sinnvoll auf zentraler Ebene zu treffen sind, sollten die Befugnisse dort eindeutig angesiedelt sein, dann aber auch die Verantwortung für die Konsequenzen. Darüber hinaus hält es der Fakultätsrat für erheblich fraglich, ob Kennziffern als Teil von ZLV die inhaltlichen Aufgaben und Verantwortung der Wissenschaften adäquat abbilden oder ihnen nicht sogar entgegen laufen.“
„Hierzu antwortet der Senat wie folgt: Die zentrale Hochschulleitung und die Fakultäten sind aufeinander angewiesen. Während die zentrale Hochschulleitung die zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel bewirtschaftet (vgl. § 100 Absatz 1), erfüllen die Fakultäten die Aufgaben in Lehre und Forschung (vgl. § 89 Absatz 1). Die durch diese Angewiesenheit entstehenden wechselseitigen Bedürfnisse sollten sachgerechter Weise in einer gemeinsam abgeschlossenen Vereinbarung verarbeitet und zum Ausgleich gebracht werden. Die Ziel- und Leistungs-vereinbarungen dienen somit der gemeinsamen Zielerreichung und der sachgerechten Verteilung der zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel.“
Ziel- und Leistungsvereinbarungen erschweren erfahrungsgemäß eine kooperative Wissenschaftsentwicklung und die sachgerechte Verteilung der zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel, weil sie ein Instrument betriebswirtschaftlicher Steuerung anstelle partizipativer Planung im Rahmen akademischer Selbstverwaltung sind. Gefordert werden hingegen ausreichende Mittel und der Ausbau demokratischer Mitbestimmung anstelle der Vereinbarungen zwischen hierarchisierten Leitungsorganen. Sie können nur beinhalten, dass gemeinsame Ziele, mit mangelhaften Mitteln, nicht verfolgt werden können.
„Exmatrikulationen wurden in der Vergangenheit in den Fakultäten selten betrieben, vielmehr waren alle Beteiligten bemüht, Lösungen zu finden, die – auf Wunsch der Studierenden – eine Fortsetzung ihres Studiums ermöglichten. Der Gesetzgeber sollte diese vertrauensvolle Partnerschaft nicht mit einer Vorschrift zur Durchführung von Exmatrikulationen konterkarieren.“
„Der Senat hat die Stellungnahmen abgewogen und schlägt in dem beigefügten Gesetzentwurf das Folgende vor: Die Regelung wird so geöffnet, dass sie noch besser auf individuelle Besonderheiten in der jeweiligen Lebenssituation reagieren kann. Hierzu werden „vergleichbare schwerwiegende Umstände“ in die Liste der Ausnahmegründe aufgenommen und zugleich klargestellt, dass Urlaubssemester nicht eingerechnet werden. Im Übrigen enthält die Regelung bereits eine großzügige Frist und ermöglicht die Berücksichtigung sozialer Härtegründe. Es ist nicht erkennbar, dass hierdurch die Bildungschancen der Studierenden in irgendeiner Form beeinträchtigt werden. Einen Anspruch, den Status einer oder eines Studierenden unbefristet und nach eigenem Wunsch dauerhaft behalten zu können, gibt es jedoch nicht.“
(Zwangs-)Exmatrikulationen bei „nicht Vorantreiben“ des Studiums (§ 42, Abs. 4), festgemacht an Studiendauer und dem Sammeln von Studiennachweisen, haben als strukturelle Einschränkung der freien Entfaltung der Persönlichkeit in einem Gesetz nichts zu suchen, widersprechen den aktuellen Studienreformbestrebungen und werden einhellig abgelehnt. Es ist nicht erkennbar, warum der Senat auf Beibehaltung und Verschärfung dieser restriktiven Regelung besteht. Eine „Fehlallokation öffentlicher Ressourcen" entsteht durch Ausbremsen von Lern- und Reformprozessen.
„Der Fakultätsrat fordert – als Bekräftigung mehrfacher vorangehender Beschlüsse – den Gesetzgeber dringend auf, die Einrichtung von Studiengängen mit dem Master als Regelabschluss zu ermöglichen, mit entsprechender Zulassung zum Studium. Zudem hat sich die Wissenschaftsbehörde mit der "Hochschulvereinbarung" selber auf das Ziel "Masterplätze für alle" festgelegt.“
Die Behörde hatte im Gesetz zwischenzeitlich eine „Experimentierklausel für Lehramtsstudiengänge“ aufgenommen, die einen Master als Regelabschluss ermöglichte. Diese wurde jedoch wieder gestrichen mit Verweis auf eine von der KMK angestoßene laufende Evaluation der Praxis anderer Bundesländer bei der Zulassung zum Lehramtsmaster. Der Master als Regelabschluss – allemal in den Lehramtsstudiengängen – ist jedoch unabhängig von der Zulassungspraxis anderenorts inhaltlich richtig. Die Experimentierklausel sollte deshalb unbedingt wieder in das Gesetz aufgenommen werden. Den zuständigen Gremien in den Hochschulen sollte das vertrauen gegeben werden, die Ergebnisse der Evaluation bei der Gestaltung des „Experiments“ angemessen zu berücksichtigen.
Als Konsequenz aus den exemplarisch ausgeführten Missverständnissen bekräftigt der Fakultätsrat für Erziehungswissenschaft die Stellungnahmen des Fakultätsrates EPB zum Entwurf der HmbHG-Novelle und fordert den Wissenschaftsausschuss dazu auf, im Sinne einer ernsthaften Würdigung der Stellungnahmen mit angemessener Gründlichkeit und redlicher Bezugnahme die geäußerte Kritik inhaltlich und konsequenzenreich zu beantworten. Hierzu gehört insbesondere auch, anzuerkennen, daß die ohnehin unterfinanzierten Hochschulen für die Wahrnehmung der ihnen mit dem geänderten HmbHG neu zugewiesenen Aufgaben auch zusätzliche Finanzmittel benötigen. So darf zum Beispiel die – ja nur optional vorgesehene – Einrichtung einer für verantwortliche Wissenschaften sinnvollen dritten Selbstverwaltungsebene nicht an den damit verbundenen zusätzlichen Aufwendungen scheitern.
Für ein produktives weiteres Verfahren begrüßen wir, dass der Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft eine öffentliche Anhörung sowie eine Expertenanhörung ausrichtet und halten es für erforderlich, dass er diese sorgfältig auswertet.
Mit den besten Grüßen,
der Fakultätsrat für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg