Hamburg, den 05.02.2013
„Der Forschung, der Lehre, der Bildung.“
„Autonome und sich dem Wettbewerb stellende Hochschulen als Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen benötigen moderne, partizipative Entscheidungsstrukturen, mit einem klar abgegrenzten Kompetenzgefüge und sich ergänzenden Aufgaben. (…)Der Entwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts setzt dabei den Gestaltungsrahmen einerseits bei der Hochschulautonomie, andererseits bei verbesserten Organisationsstrukturen und formuliert gesetzliche Zielvorgaben unter größtmöglicher Gestaltungsfreiheit für die Hochschulen. Deshalb stellt das Gesetz die Verantwortlichkeiten von Land und Hochschule klar und justiert zwischen Freiheit und Verantwortung und einer größeren Transparenz neu.“
Sehr geehrte Mitglieder des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft,
nur Altes neu zu justieren bedeutet, die (variierte) Fortsetzung der vom „Wissenschaftsmanager“ Jörg Dräger geprägten Hochschulpolitik gegen die Hochschulen. Stattdessen sollte mit den Hochschulen die längst fällige Hinwendung zu humanistischen Bildungstraditionen und ihre Weiterentwicklung in Verantwortung für das Allgemeinwohl wahrgenommen werden.
Aus dem vorgelegten Entwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts lässt sich schließen, dass die Prämissen der Argumentation aus den Hochschulen in ihrer Reichweite und Konsequenz vom Senat nicht geteilt werden und auch nicht maßgebend für die weitere Überarbeitung waren. Die in zahlreichen Stellungnahmen ausgeführte Kritik ist Ergebnis der in den Hochschulen gründlich geführten Diskussion über die Voraussetzungen und Ziele wissenschaftlichen Arbeitens vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Herausforderungen und dem Maßstab der Bildung mündiger Menschen für eine zivile sowie ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Entwicklung. Diese Perspektive haben sich die Hochschulmitglieder in den letzten Jahren auch in Bezug auf die europäische Hochschulreform in neuer Qualität angeeignet; sie bildet die Grundlage demokratischer und sozialer akademischer Kultur. Das ist richtungsweisend für Theorie und Praxis der Wissenschaft.
Die Legislative muss sich sozial und demokratisch an Wahrheit und Humanität orientieren, und nicht an vermeintlicher oder tatsächlicher ökonomischer Opportunität.
Wir bitten daher die Abgeordneten, insbesondere nachstehende Positionen aus den Hochschulen bei ihrer Meinungsbildung exemplarisch aufzugreifen:
„Der Hochschulrat hat als weder staatliches noch hochschulisches Gremium allein die Funktion, im Interesse seiner privatwirtschaftlichen Mitglieder für die Profitkonformität der Wissenschaft zu wirken. Er muss daher abgeschafft werden.“ (AStA HAW – ebenfalls die Abschaffung fordern MIN, DGB und Medizin.)
„Der Senat äußert sich dazu wie folgt: Die Hochschulen sind aus öffentlichen Mitteln finanzierte Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen, die auch der Allgemeinheit verpflichtet sind. Die Hochschulautonomie ist an vielen Stellen (siehe Berufungsrecht und Globalbudgets) stark ausgeprägt, so dass dies institutionell zu flankieren ist. Hierfür sind Hochschulräte ein bundesweit bewährtes und adäquates Modell.“
Hochschulen sind der Allgemeinheit verpflichtet und in Stellungnahmen wird dargelegt, dass der Hochschulrat eines der Hindernisse dafür ist, dieser Verpflichtung nachzukommen. Wem ist die Privatwirtschaft verpflichtet? Der Hochschulrat ist weder praktisch bewährt noch adäquat gesellschaftlich repräsentativ und muss abgeschafft werden. Die geplante Stärkung der Befugnisse des Hochschulrats in Bezug auf Finanzangelegenheiten der Hochschulen widerstreitet der aus den Hochschulen formulierten Kritik besonders. Die Mitgliedschaft der Universität repräsentiert selbst in bemerkenswerten Maße die Gesellschaft und ist als Republik mit erweiterten Mitwirkungsmöglichkeiten (z.B. Konzil) die Alternative zum unternehmensmäßigen hierarchischen Top-Down.
„Ein Zwang zur Einrichtung von Findungskommissionen, die paritätisch durch vom Präsidium bestimmte Mitglieder besetzt sind und dann auch noch eine Vorauswahl von nur einer zu wählenden Person treffen, hebelt die Wahl durch den Fakultätsrat aus und begrenzt diesen faktisch wieder auf das Recht zur Bestätigung.“ (EPB – ähnlich formulieren diese Kritik Geiwi, MIN, Recht, Medizin und AS UHH sowie HS HAW und AStA HAW.)
„Hierzu nimmt der Senat wie folgt Stellung: (...) Die Vorlage einer „Einer-Liste“ entspricht der Funktion der Findungskommission, die die beste Kandidatin bzw. den besten Kandidaten ermitteln soll, und soll Verfahrensblockaden zwischen beiden Wahlorganen verhindern.“
Eine Findungskommission ist eine Findungskommission und kein Wahlorgan. Die Selbstverwaltungsgremien sind demokratisch legitimiert, der Allgemeinheit verpflichtet und daher in der Lage, Wahlen für Hochschulämter korrekt und in angemessener Geschwindigkeit durchzuführen. Die selbstverwaltete Körperschaft „Hochschule“ ist einem demokratischen Gemeinwesen vergleichbar, dessen repräsentative Leitung ebenfalls durch Wahl und nicht durch „Experten“ vorzubestimmen ist. Die Zweifel des Senats bezüglich der Präsident/innen-Wahl ließen sich im Übrigen durch eine Nichtbeteiligung des Hochschulrats ausräumen.
„Ziel- und Leistungsvereinbarungen (ZLV) sind allein an abstrakten Parametern orientiert und werden den Erfordernissen einer vernünftigen Hochschulfinanzierung und -entwicklung nicht gerecht. Die inhaltlichen Aufgaben und Verantwortungen der Fakultäten lassen sich in Kennziffern nicht adäquat fassen. Anstelle von willkürlichen ZLV muss der Gesetzgeber klar definieren, in welchen Fragen der Wissenschaftsentwicklung die Zuständigkeit bei Senat und der Behörde liegt und welche Fragen von den Hochschulen eigenständig entschieden werden sollen. Die Fakultätsräte müssen bei der STEP-Entwicklung und bei der Mittelverteilung erweitert mitwirken können, um damit u.a. einen bedarfsorientierten »aufsteigenden« Haushalt zu ermöglichen.“ (Geiwi – in ähnlicher Weise äußern sich AS UHH und DGB.)
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„Hierzu antwortet der Senat wie folgt: Die zentrale Hochschulleitung und die Fakultäten sind aufeinander angewiesen. Während die zentrale Hochschulleitung die zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel bewirtschaftet (vgl. § 100 Absatz 1), erfüllen die Fakultäten die Aufgaben in Lehre und Forschung (vgl. § 89 Absatz 1). Die durch diese Angewiesenheit entstehenden wechselseitigen Bedürfnisse sollten sachgerechter Weise in einer gemeinsam abgeschlossenen Vereinbarung verarbeitet und zum Ausgleich gebracht werden. Die Ziel- und Leistungsvereinbarungen dienen somit der gemeinsamen Zielerreichung und der sachgerechten Verteilung der zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel.“
Ziel- und Leistungsvereinbarungen erschweren erfahrungsgemäß eine kooperative Wissenschaftsentwicklung und die sachgerechte Verteilung der zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel, weil sie ein Instrument betriebswirschaftlicher Steuerung anstelle partizipativer Planung im Rahmen akademischer Selbstverwaltung sind. Gefordert werden hingegen ausreichende Mittel und der Ausbau demokratischer Mitbestimmung anstelle der Vereinbarungen zwischen hierarchisierten Leitungsorganen. Sie können nur beinhalten, dass gemeinsame Ziele, mit mangelhaften Mitteln, nicht verfolgt werden können.
„Gesellschaftliches Engagement, gesundheitliche Probleme, eine notwendige berufliche Tätigkeit neben dem Studium, Belastungen durch Pflege und familiäre Situationen können jederzeit und auch wiederholt zu Studienunterbrechungen und Verzögerungen führen. Allein die Offenlegung derartiger privater und persönlicher Probleme zur Vermeidung der Exmatrikulation stellt eine hohe Hürde dar, die vermieden werden sollte. Zwangsexmatrikulationen von Studierenden werden vom DGB abgelehnt. Sie sind ausschließlich punktuelle und restriktive Maßnahmen, die sich mit dem erforderlichen Gestaltungsspielraum für ein Studium nicht vertragen. [...]“ (DGB – ebenso abgelehnt werden Zwangsexmatrikulationen von Geiwi, AStA HAW, MIN, Recht, Medizin und LSc.)
„Der Senat hat die Stellungnahmen abgewogen und schlägt in dem beigefügten Gesetzentwurf das Folgende vor: Die Regelung wird so geöffnet, dass sie noch besser auf individuelle Besonderheiten in der jeweiligen Lebenssituation reagieren kann. Hierzu werden „vergleichbare schwerwiegende Umstände“ in die Liste der Ausnahmegründe aufgenommen und zugleich klargestellt, dass Urlaubssemester nicht eingerechnet werden. Im Übrigen enthält die Regelung bereits eine großzügige Frist und ermöglicht die Berücksichtigung sozialer Härtegründe. Es ist nicht erkennbar, dass hierdurch die Bildungschancen der Studierenden in irgendeiner Form beeinträchtigt werden. Einen Anspruch, den Status einer oder eines Studierenden unbefristet und nach eigenem Wunsch dauerhaft behalten zu können, gibt es jedoch nicht.“
Die Studierenden haben den Entwurf abgewogen und für zu leicht befunden: (Zwangs-)Exmatrikulationen haben als strukturelle Einschränkung der freien Entfaltung der Persönlichkeit in einem Gesetz nichts zu suchen, widersprechen den aktuellen Studienreformbestrebungen und werden einhellig abgelehnt. Es ist nicht erkennbar, warum der Senat auf Beibehaltung und Verschärfung dieser restriktiven Regelung besteht. Eine „Fehlallokation öffentlicher Ressourcen" entsteht durch Ausbremsen von Lern- und Reformprozessen.
Als Konsequenz aus den exemplarisch ausgeführten Missverständnissen bekräftigen die Studiereden im Fakultätsrat Geisteswissenschaften die Stellungnahmen des Fakultätsrates zum Entwurf der HmbHG-Novelle und fordern den Wissenschaftsausschuss dazu auf, im Sinne einer ernsthaften Würdigung der Stellungnahmen mit angemessener Gründlichkeit und redlicher Bezugnahme die geäußerte Kritik inhaltlich und konsequenzenreich zu beantworten.
Für ein produktives weiteres Verfahren begrüßen wir, dass der Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft eine öffentliche Anhörung sowie eine Expertenanhörung ausrichtet und halten es für erforderlich, dass er diese sorgfältig auswertet.
Mit den besten Grüßen,
Die Studierenden im Fakultätsrat Geisteswissenschaften der Uni Hamburg.
Zur Kenntnis an:
Behörde für Wissenschaft und Forschung