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FSRK

Hamburg als politische Kategorie

Warum wir optimale Bedingungen für einen erfolgreichen Gebührenboykott haben.

"Hamburg!
Das ist mehr als ein Haufen Steine, Dächer, Fenster, Tapeten, Betten, Straßen, Brücken und Laternen. Das ist mehr als Fabrikschornsteine und Autogehupe - mehr als Möwengelächter, Straßenbahnschrei und das Donnern der Eisenbahnen - das ist mehr als Schiffssirenen, kreischende Kräne, Flüche und Tanzmusik - oh, das ist unendlich viel mehr. [...]
Mehr, mehr als ein Haufen Steine! Das ist Tod und Leben, Arbeit, Schlaf, Wind und Liebe, Tränen und Nebel!
Das ist unser Wille, zu sein: Hamburg!"

Wolfgang Borchert, "In Hamburg"

Der Kampf gegen Studiengebühren an der Universität Hamburg hat eine lange Geschichte.
In der Tradition ausgeprägter Kontrahenz zwischen Pfeffersäcken und organisierter Hafenarbeiterschaft treffen hier der neoliberale Technokrat Dräger und eine kritische Studierendenschaft aufeinander: Auf der einen Seite der Wissenschaftssenator der rechtesten Landesregierung der Republik (hier gilt immer noch das Regierungs-Programm aus Schill-Zeiten), auf der anderen Seite Studierende, die ihr Engagement für die Gebührenfreiheit als Teil gesellschaftlicher Opposition für die Humanisierung der Lebensbedingungen aller betreiben.

In dieser Gegnerschaft haben wir an der Uni Hamburg bundesweit einmalig gute Bedingungen erringen können, das nötige Beteiligungsquorum am Gebührenboykott zu erreichen - und sehr viel mehr.
Die Auseinandersetzungen um die Studiengebühren als Grundkontroverse um die Hochschulentwicklung ernst nehmend haben wir - schon seit es um die bundesweite gesetzliche Verankerung der Gebührenfreiheit ging - mit mehreren Unterschriftensammlungen die kritische Position der Studierenden dokumentiert. Dies fand seinen Höhepunkt in der Urabstimmung 2005, bei der sich 13.000 Studierenden beteiligten und zu 95% für die Gebührenfreiheit votierten.
Ausgehend von der kritischen Verantwortung der Wissenschaft für gesellschaftlichen Fortschritt haben wir im Bündnis mit den anderen Mitgliedergruppen der Universität immer wieder und bis zum heutigen Tag grundlegend ablehnende Stellungnahmen des Akademischen Senat zum Bezahlstudium erwirken können.
Mit der Kritik an der Kommerzialisierung der Bildung und der damit beabsichtigten Unterordnung von Mensch und Wissenschaft unter das Verwertungsprinzip haben wir bei Vollversammlungsdebatten und -beschlüssen, auf Demonstrationen und in den Anhörungen zum Gesetzgebungsprozeß dem Senat nach Kräften eingeheizt.
Mit den Kampagnen zum Verwaltungsgebührenboykott haben wir dafür gesorgt, daß die profitorientierten Motive und inhumanen Konsequenzen der Gebühreneinführung und die alternative Perspektive solidarischer Entfaltung auch nach der Gesetzesverabschiedung weiter diskutiert werden.
Unter diesem politischen Druck werden dem Senat die Beschönigungen und Verharmlosungen zunehmend unmöglich - die prinzipiell sozial einschränkende Wirkung der Studiengebühren implizit eingestehend, muß Dräger inzwischen Befreiungstatbestände gelten lassen, die voraussichtlich für deutlich über ein Drittel aller Studierenden das Ausbleiben der Zahlpflicht bedeuten.

Außer dieser offensichtlichen Delegitimierung der Gebühren haben wir in zwei weiteren entscheidenden Punkten so eine günstige Ausgangslage für die Wiederherstellung der Gebührenfreiheit erreicht: Die zeitliche Entkoppelung von Rückmeldung (bis 31.03.2007) und Gebührenerhebung (voraussichtlich 15.06.2007) verlängert den Mobilisierungszeitraum für den Boykott, ermöglicht eine Beteiligung auch der Erstsemester und schließt die praktischen Widrigkeiten andernfalls vielleicht verspäteter Semesterunterlagen aus - alle werden diese erhalten, noch bevor der erste Gebührenbescheid versendet worden ist. Außerdem werden Studienkredite nicht wie andernorts von der Bank an die Uni überwiesen, sondern den Studierenden, die ein Darlehen aufnehmen müssen, selbst ausgehändigt - sie können damit dann höchst Sinnvolles tun….

Diese Errungenschaften sind zugleich Verpflichtung für einen schwungvollen, kämpferischen und dadurch gelingenden Boykott. Auch für die Hochschulen in anderen Bundesländern, wo das Boykottquorum bisher verfehlt wurde, an denen nun die Notwendigkeit der inhaltlichen Reichweite neu diskutiert und ein weiterer Versuch geplant wird, haben wir mutmachende Verantwortung, "die echten Hamburger, die nie vor die Hunde gehen und immer richtigen Kurs haben!"
(Wolfgang Borchert, s.o.).

http://www.fsrk.de/artikel_33.html [Stand 9. März 2007]