„Vermittlung zwischen Wissenschaft und Praxis
Im Bewusstsein ihrer Verantwortung als Teil der Gesellschaft
versteht sich die Universität Hamburg
als Mittlerin zwischen Wissenschaft und Praxis,
sie orientiert sich dabei an den Grundsätzen
einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Entwicklung.“
Novellierung des Hochschulgesetzes: Worum geht es?
Das Hamburgische Hochschulgesetz (HmbHG) bildet die gesetzliche Grundlage für die Arbeit der staatlichen Hochschulen in Hamburg.
Es regelt:
— die Aufgaben der Hochschulen,
— ihr Verhältnis zum Staat und anderen Bereichen der Gesellschaft,
— die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder,
— den/einen Rahmen für das Studium,
— Grundsätze der Forschung,
— die innere Verfassung (Mitbestimmung)
— sowie Rechtsgrundlagen der Verfassten Studierendenschaften.
Die Grundlage der derzeit gültigen Fassung bildet das Gesetz von 1969, welches durch die Kämpfe der Studierendenbewegung wesentlich bestimmt war von Ansprüchen einer gesellschaftlich verantwortungsvollen Wissenschaft und der demokratischen Teilhabe aller Hochschulmitglieder. In der neoliberalen Ära seit den neunziger Jahren ist vieles der fortschrittlichen Substanz dieser Gesetzgebung umkämpft gewesen. Manche Deformierung nach der Maßgabe der „unternehmerischen Hochschule“ (Handelskammer) wurde den Hochschulen verordnet (z.B. Unternehmenslobby im Hochschulrat), vieles der positiven Errungenschaften konnten studentische Proteste und politische Bündnispartner verteidigen (Selbstverwaltung in Gruppengremien) oder zurückerobern (gebührenfreies Studium).
Der Vorbildcharakter privater Konzerne ist in der globalen Wirtschafts- und Entwicklungskrise inzwischen implodiert. Das Bundesverfassungsgericht bescheinigt derweil den hochschulgesetzlich eingeführten Managementstrukturen die verfassungswidrige Entmündigung von WissenschaftlerInnen. Mit dem „Kampf um die Zukunft“ gegen die Kürzungspolitik zu Beginn der aktuellen SPD-Regierung in Hamburg haben die Hochschulmitglieder ihre Forderungen für kritische und demokratische Bildung und Wissenschaft mit neuem solidarischen Selbstbewusstsein vertreten.
Vor diesem Hintergrund hat der politische Senat jetzt einen Entwurf für die Überarbeitung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) vorgelegt.
Die Gremien der Hochschulen, Gewerkschaften und Interessenverbände haben nun bis zum Herbst Gelegenheit, Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf abzugeben. Dieser wird dann überarbeitet in die Bürgerschaft gegeben und dort in den Ausschüssen weiter beraten. Nach bisherigem Zeitplan soll das neue Gesetz im Mai 2014 verabschiedet werden. Mit Stellungnahmen, Diskussionen, Veranstaltungen, öffentlichen Anhörungen im Wissenschaftsausschuss des Parlaments und vielfältigen Aktionen können wir in dieser Zeit viel bewegen. Um diese Möglichkeiten zu erweitern, haben Gewerkschaften sowie diverse akademische Gremien und Organe der studentischen Interessenvertretungen nahezu aller Hamburger Hochschulen (insgesamt 21 Unterzeichnende) die Wissenschaftssenatorin dazu aufgefordert, die Zeit für Stellungnahmen zu verlängern und öffentliche Diskussionsforen durchzuführen. Die FSRK unterstützt diese Initiative.
Diese Stellungnahme möge inhaltliche Unterstützung und Ermunterung für das gemeinsame Einmischen sein.
Bedingungen einer vernunftgeleiteten Hochschulentwicklung
„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“
„In zahlreichen Veranstaltungen und öffentlichen Manifestationen entwickelte die Universität auf Basis ihres Leitbildes begründete Forderungen an die Bürgerschaft und den Senat. Die Universität wendet sich damit verstärkt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für eine friedliche, demokratische, sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung zu. Forschung und Lehre sollen zum gestaltenden Eingreifen in die Gesellschaft ermutigen und einer global menschenwürdigen Zivilisation dienen.“
Die gesellschaftlich kritisch eingreifenden Hochschulen sind unentbehrlich. Die militärische Eskalation in Syrien, globale Bürgerrechtsverletzungen durch schnüffelnde CIA und NSA, Fiskalpakt-Elend für die Bankenrettung in Europa, fortgesetzte Atommüllproduktion ohne Entsorgungsperspektive sind akute Herausforderungen für die Durchsetzung einer friedlichen, demokratischen, sozialen und ökologisch nachhaltigen Entwicklung.
Damit dies gelingt, ist es notwendig, sich von jeder kommerziellen Dienstbarmachung von Bildung und Wissenschaft zu befreien. Dafür haben die Mitglieder der Hamburger Hochschulen in jüngerer Vergangenheit Erhebliches erreicht: Abschaffung der Studiengebühren, Umwälzung der Bologna-Studiengänge, Verbleib und Ausbau der Universität in Eimsbüttel, erhebliche Amtszeitverkürzung einer rüstungsforschenden Uni-Präsidentin und neue Aufmerksamkeit für die Notwendigkeit einer bedarfsdeckenden öffentlichen Finanzierung der Wissenschaften („Kampf um die Zukunft“).
Dieser Anspruch der gemeinsamen Bildung mündiger Menschen in solidarischer wissenschaftlicher Erkenntnisarbeit für die menschenwürdige Zivilisationsentwicklung bildet auch den Maßstab für die Neuordnung des Hamburgischen Hochschulgesetzes.
Der vom SPD-Senat nun vorgelegte Entwurf für die Gesetzesnovelle ist ein entschiedenes Sowohl-als-auch. Die Reform, so die Gesetzesbegründung, folge den Zielen „Stärkung der demokratischen Strukturen“ und „schlanke und effiziente Gestaltung der Entscheidungsverfahren.“ Einerseits will man den Forderungen aus den Hochschulen für eine Ermöglichung emanzipatorischer Bildung und Wissenschaft in demokratisch verfassten Hochschulen entgegenkommen. Andererseits soll die Erwartung von Handelskammer und Co. fortgesetzter betriebswirtschaftlicher Gängelung der Hochschulen und ihrer Mitglieder für die unmittelbar profitable Verwertbarkeit bedient werden. Hier sollen also Gegensätze versöhnt werden.
Dem Gesetzentwurf fehlt damit eine kohärente Konzeption für die weitere Entwicklung von Bildung und Wissenschaft. Für die Überwindung des Elends marktdevoter Verunstaltung der Hochschulen durch die rechten Vorgängersenate reichen formalistische Kompromisse nicht.
Die Widersprüchlichkeit des Gesetzentwurfs muss in der weiteren Auseinandersetzung mit humanistischer Zielsetzung überwunden werden.
Die Möglichkeit emanzipatorischen Wirkens der Hochschulen und ihrer Mitglieder – beispielgebend gefasst im Leitbild der Universität – kann von allen verwirklicht werden.
„Weltoffene Internationalität: In der Tradition der Freien und Hansestadt Hamburg verwirklicht die Universität Weltoffenheit und Toleranz, internationale Zusammenarbeit und Universalität von Wissenschaft.“
Für ein Hochschulgesetz, welches die weitere Entwicklung der Hochschulen hin auf gesellschaftskritisches Eingreifen befördert und ermöglicht, bedarf es vor allem einer klaren inhaltlichen Bestimmung von Sinn und Zweck der Wissenschaften. Gegen die Einhegung der Wissenschaft in den niederen Zweck der „Standort“konkurrenz der vergangenen Jahre ist das Tor für ihre humane Universalität beherzt zu öffnen.
In den gemeinsamen Aufgaben der Hochschulen (§ 3) ist daher verbindlich ihr Beitrag zu einer friedlichen, demokratischen, sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft zu verankern.
Um die Mitglieder der Hochschule in einem solchen verantwortungsvollen Handeln nicht zu behindern, sind im Verhältnis zwischen Staat und Hochschule sowie für die Prozesse der Selbstverwaltung alle Marktinstrumente abzuschaffen. Die „unsichtbare Hand des Marktes“ ist das irrationale Gegenprogramm zu den wissenschaftlichen Prinzipien der Vernunft und des Arguments. Ziel- und Leistungsvereinbarungen (ZLV) (§ 2) sind daher abzuschaffen. Ihre Platzierung im Gesetz noch vor den Aufgaben der Hochschulen ist beredt: Durch die ZLV kann die Behörde den Hochschulen in einem asymmetrischen Vertragsverhältnis beliebig Sinnvolles oder Sinnloses vorschreiben und das dann noch als gemeinsame „Vereinbarung“ verkaufen. Zum Beispiel ist in den aktuellen ZLV die Anzahl der Masterstudienplätze derart begrenzt, dass das Vorhaben konterkariert wird, allen Bachelor-Absolventen ein Masterstudium zu ermöglichen.
Die Ausdehnung der Geltungszeiträume von ZLV auf zwei Jahre (§ 2, Abs. 3) spiegelt nur die bisherigen Schwierigkeiten in der Anwendung dieses wissenschaftsfeindlichen Instruments. An Stelle der Willkür von ZLV muss der Gesetzgeber klar offen legen, in welchen Fragen der Wissenschaftsentwicklung Behörde und Senat zuständig sein sollen und in welchen den Hochschulen eigenständige Entscheidungen ermöglicht werden. Die staatlichen Organe sollten sich hierbei auf die Sicherstellung öffentlicher Bedarfe in Bezug auf die Wissenschaft begrenzen.
Die staatliche Hochschulfinanzierung muss den Hochschulen restriktionsfrei die gesellschaftlich produktive Arbeit in Einheit von Forschung, Studium, Lehre und Selbstverwaltung ermöglichen. Sie darf nicht als Instrument zur betriebswirtschaftlichen Gängelung der Hochschulen eingesetzt werden. Deswegen gilt prinzipiell: Die strukturelle Unterfinanzierung der Wissenschaften ist umgehend zu beenden. Das Grundbudget der Hochschulen ist so aufzustocken, dass die Streichung der gesellschaftlich relevanten Wissenschaften, von Stellen, Einrichtungen und Studiengängen sofort aufhören kann, und alle Mitglieder auf bedarfsdeckender materieller Grundlage die menschenwürdige Entwicklung und Erweiterung ihrer Einrichtung solidarisch reflektieren und verwirklichen können.
Die nun geplante Gesetzesänderung, die Globalzuweisung an die Hochschulen nicht mehr an dem wirklichen Bedarf auszurichten sondern an beliebigen abstrakten „Parametern“ zu „orientieren“ (§ 6, Abs. 1), richtet sich gegen die Wissenschaften und ist verantwortungslos. Hier zeigt sich das Desaster der Schuldenbremse: Die Unterwerfung aller städtischen Einrichtungen unter das technokratische Dogma des „Sparens“ ist schlicht weltabgewandt und hat mit realen Bedarfen, Bedürfnissen und Erfordernissen nichts zu tun. Das „indikatorengesteuerte Leistungsbudget“ (§ 6, Abs. 1), also die Abhängigkeit von Teilen der staatlichen Zuweisung von willkürlichen Kennziffern (siehe ZLV), ist abzuschaffen. Ein solches „Leistungsbudget“ schadet der Wissenschaft durch das Schüren von Konkurrenz und soll von der Unterfinanzierung ablenken. Die Hochschulen sind Orte „der Forschung, der Lehre, der Bildung“, nicht Produzenten von Stückzahlen. Der Beitrag der Wissenschaften für die Beantwortung von Menschheitsfragen zur Verbesserung der Lebensbedingungen Aller ist in Kennziffern nicht zu fassen. Die Beträge des „Leistungsbudgets“ müssen vollständig Teil des Grundbudgets werden.
Die Zusammenfassung der den Hochschulen zur Verfügung stehenden Grundstücke, Einrichtungen und Haushaltmittel auf neu „Mittel“ (§ 6, Abs. 1) dient insbesondere der in Aussicht genommenen Privatisierung von Hochschulgebäuden. Dies steht der Ermöglichung eigenständiger Entwicklung der Hochschulen krass entgegen, indem diesen die Verfügung über die Gebäude als zentrale Entwicklungsbedingung geraubt werden soll.
Die Menschen- und Wissenschaftswidrigkeit des Marktprinzips spiegelt sich auch in diversen Schutzregelungen gegen Diskriminierungen aller Art: für Studierende mit Kindern (§ 3, Abs. 7) oder mit Behinderungen (§ 3, Abs. 8), für Studierende diesen oder jenen Geschlechts (§ 3, Abs. 5), für ausländische Studierende und solche mit Migrationshintergrund (§ 3, Abs. 9 und 10) sowie für diejenigen ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung (§ 3, Abs. 6). Hier sollen soziale und kulturelle Schäden reguliert werden, die der Senat mit Leistungsideologie und gesteigerten Markt- und Konkurrenzmechaniken selber betreibt. Unterfinanzierung, zunehmende Bedrängung im Ba/Ma-System, „leistungsbezogene“ Besoldung der Lehrenden und Drittmittelabhängigkeit wirken negativ auf alle und sind zu überwinden. Im Übrigen: Wieso eigentlich wird ausgerechnet bei den Ausgleichsmaßnahmen für ausländische Studierende und Studierende mit Migrationshintergrund (§ 3, Abs. 9 und 10) die Beachtung des „Rahmen(s) der Werteordnung des Grundgesetzes“ erwähnt?
Auch das Verschärfen der Justiziabilität und der Kontrolle von Plagiaten (§ 3, Abs. 1) ist insofern nur eine Symptombekämpfung, als ihre Zunahme auf den bedrängten wissenschaftlichen Alltag zurückzuführen ist, nicht auf moralischen Verfall an den Hochschulen. Anstatt härter zu überwachen und zu strafen, sollten Bedingungen für solidarische wissenschaftliche Arbeit zur gesellschaftlich verantwortungsvollen Erkenntnisgewinnung geschaffen werden.
Die Verpflichtung der Hochschulen zum Angebot von Online-Kursen (§ 3, Abs. 14) bleibt ohne auch nur eine nähere Definition derselben, geschweige denn wird eine inhaltliche Einbettung in das wissenschaftliche Arbeiten vorgenommen. So sind sie offen für eine kommerzielle Vernutzung der öffentlichen wissenschaftlichen Einrichtungen und daher zu streichen.
„Wissenschaft im Dienst der Menschen: Durch ein breites Angebot wissenschaftlicher Dienstleistungen sowie durch Krankenversorgung auf dem neuesten Stand der Forschung dient die Universität dem Wohl der Menschen und der Erfüllung öffentlicher und gesellschaftlicher Aufgaben.“
Die gesundheitswissenschaftlichen Teildisziplinen (Medizin, Zahnmedizin) sowie ihre Akteure stehen aktuell in einem enormen Widerspruch: Auf der Grundlage umfassender Reflexion des Menschen sowie der Ursachen von Krankheit und Gesundheit in ihren gesellschaftlichen Zusammenhängen sind sie potentiell von großer Bedeutung für die wissenschaftlich fundierte Verhinderung von Erkrankungen, für die entwicklungsorientierte Gesundheitsförderung und die gesellschaftliche Verbesserung der Lebensqualität Aller. Der vollen Verwirklichung dieser Potentialität steht jedoch die auferlegte Deformation dieser Tätigkeit zum konzernförmig organisierten Geschäft mit der Krankheit entgegen.
Maßgeblich für die Durchsetzung dieser schädlichen Vermarktwirtschaftlichung war in Hamburg die Ausgründung des UKE samt Medizinischer Fakultät zu einem eigenständigen Unternehmen durch das UKE-Gesetz (2001) und die daraus folgende weitgehende Loslösung der Fakultät aus dem universitären Gesamtzusammenhang.
Diese Isolation bedeutet eine forcierte Konkurrenz und aufreibende Arbeitsverdichtung unter den wissenschaftlich Tätigen, die stärkere Auslieferung von Forschung und Lehre an Konzerninteressen und Pharma- und Geräteindustrie, die inhaltlich technokratische Verengung und Entwissenschaftlichung medizinischer Forschung und Lehre und eine Entdemokratisierung der Wissenschaftsentwicklung in der Medizinischen Fakultät selbst. Sie ist somit auch zum Schaden der Patienten.
Umgekehrt bedeutet das Aufbrechen der Isolation die Ermöglichung der umfassend hilfreichen Verwissenschaftlichung medizinischer Forschung und Lehre (und damit auch des Krankenhausbetriebs), die Entwicklung der medizinischen Fächer im Gesamt der Universität insbesondere im Zusammenhang mit sozial- und humanwissenschaftlichen Fächern. Damit verbunden ist die Beförderung von Kooperativität, Rationalität und demokratisch-gesamtverantwortlicher Entwicklung von Studium, Lehre und Forschung. Dies ist zentral erforderlich für eine Entwicklung der Medizin, die den drängenden gesellschaftlichen Fragen auf humane Weise gerecht wird und am Patientenwohl orientiert ist. Gleichzeitig bedeutete dies auch die stärkere Zuwendung der Gesamtuniversität zu dieser Verantwortlichkeit.
Das UKE muss folglich wieder voll integrierter Bestandteil der Universität im Sinne und unter vollständiger, äquivalenter Geltung des HmbHG sein (§ 1, Abs. 4 ist entsprechend zu streichen). Die Medizinische Fakultät ist ebenso zu behandeln, wie alle anderen Fakultäten, damit die gemeinsame Entwicklung befördert wird (§ 89, Abs. 5 streichen).
Auf dieser Grundlage ist auch das bisher chaotische und daher aufreibende Verhältnis zwischen Forschung und Lehre einerseits und dem kommerziellen Krankenhausbetrieb des UKE andererseits von der Seite der Wissenschaft her aufzuheben.
Der in der Fakultät demokratisch zu wählende Dekan sollte zugleich Ärztlicher Direktor und somit Vorsitzender des Direktoriums sein, welches verantwortlich ist für die besonderen Herausforderungen und Aufgaben des Krankenhausbetriebs. Ein Kuratorium ist hier ebenso überflüssig wie ein Hochschulrat in den Hamburger Hochschulen.
„Fächerübergreifende Kooperation: Im fächerübergreifenden Zusammenwirken ihrer Mitglieder und Organe entwickelt und vermittelt die Universität wissenschaftliche Methoden, Ergebnisse und Qualifikationen. Die Zusammenarbeit ihrer Mitglieder beruht auf Information und Transparenz, demokratischer Beteiligung und dem Willen zur Konfliktlösung.“
Wissenschaft gelingt wesentlich durch Kooperation. Die Hochschulmitglieder bringen Forschung, Studium und Lehre voran durch die gegenseitige Beförderung in Verständigung über ihre Anliegen für eine zivile Entwicklung der Welt sowie über die gemeinsame Einschätzung von Möglichkeiten und Einschränkungen ihrer Verwirklichung. Dieses Zusammenwirken ist die Humanität der Wissenschaft.
Dem entgegen wurde mit der betriebswirtschaftlichen Deformierung der Hochschulen die institutionalisierte Verständigung in den vergangenen Jahren erheblich abgebaut. Durch Individualisierung und Leistungshetze (Kreditpunkte, Kürzungen, individuelle Ziel- und Leistungsvereinbarungen) werden die Hochschulmitglieder im demokratischen Engagement eingeschränkt. Diese strukturellen und kulturellen Hürden der Kooperation müssen beseitigt werden.
Der Gesetzesentwurf beinhaltet Fortschritte der Ermöglichung demokratischer Kooperation, die aber durch Top-Down-Elemente und Marktmechanismen konterkariert werden. Hier sind Verbesserungen möglich und nötig.
A) Die Universität als Republik ist eine wissenschaftlich-zivile Einrichtung für eine humane internationale Gesellschaft. Sie beruht auf der Beteiligung aller ihrer Mitglieder. Die Beratungs- und Entscheidungsbefugnisse, die bisher bei Einzelpersonen in Leitungsfunktion und beim Hochschulrat liegen, müssen an die Gremien übergeben werden, da in ihnen alle Mitgliedergruppen vertreten sind.
Ein gesamthochschulisches, viertelparitätisches Gremium (Großer Senat/Konzil/Konvent) als Forum der allgemeinen Verständigung ist wieder einzurichten. Ihm sollte die Beschlussfassung der Grundordnung (§ 84, Abs. 1, Nr. 3) und die Genehmigung des Struktur- und Entwicklungsplans (§ 84, Abs. 1, Nr. 4) auf Beschluss des Hochschulsenats obliegen, sowie die Wahl des Präsidiums. Bei Bedarf kann es Grundsatzfragen, z.B. solche der Wissenschaftsethik, der Hochschulpolitik und der Hochschulreform, beraten.
Der Hochschulsenat/Akademische Senat (§ 85) muss wieder wesentliche Entscheidungsbefugnisse auf allgemeiner Ebene übertragen bekommen. So ist es zu begrüßen, dass er die Rahmenprüfungsordnungen (§ 85, Abs. 7) verantworten soll als Möglichkeit der Entwicklung eines gesamtuniversitären Leitbildes für Lehre und Studium. Triftig ist auch, daß er über Struktur- und Entwicklungspläne (§ 85, Abs. 5) mit entscheiden soll, mit denen Schwerpunkte der Wissenschaftsentwicklung anhand gesellschaftlicher Herausforderungen gebildet werden. Darüber hinaus müssen ihm von Hochschulrat und Präsidium insbesondere die Beschlussfassung über Wirtschaftspläne und Gebührensatzungen (§ 79, Abs. 1, Nr. 3) sowie die Grundsätze der Ausstattung und Mittelverteilung (§ 79, Abs. 1, Nr. 5) übertragen werden. Das erübrigt dann auch die Pseudobeteiligung der Studierendenschaft (§ 79, Abs. 1, Nr. 3) durch eine machtvolle „Gelegenheit zur Stellungnahme“.
In Bezug auf Professuren und Juniorprofessuren sollte dem Gremium die Entscheidung über die Verwendung der freien oder frei werdenden Stellen, die Ausschreibung und die Berufung (§ 79, Abs. 1, Nr. 6 bis 8) zukommen, soweit dies nicht an die Fakultätsräte delegiert wird. Dem Gremium sollte die Wahrnehmung aller anderen Angelegenheiten der Hochschule, für die gesetzlich keine andere Zuständigkeit bestimmt ist, zukommen (§ 79, Abs. 1, Nr. 12). Für die Wahrnehmung dieser Aufgaben muss der Hochschulsenat/Akademische Senat auch zu Grundsatzfragen beraten.
Der Hochschulrat (§ 84) hat als weder staatliches noch hochschulisches Gremium allein die Funktion, im Interesse seiner privatwirtschaftlichen Mitglieder für die Profitkonformität der Wissenschaft zu wirken. Er muss daher abgeschafft werden. In einem Konzil/Konvent/Großen Senat ist mit den Mitgliedern der Hochschule eine erheblich größere gesellschaftliche Pluralität repräsentiert.
Der Hochschulrat könnte ggf. als Beratungsgremium in anderer Besetzung fortexistieren. Keinesfalls darf er aber die folgenden Befugnisse behalten: Beteiligung bei der Wahl des Präsidenten, Entscheidung bei Uneinigkeit zwischen Kanzler und Präsidium, Genehmigung der Grundordnung und von Satzungen, Beschlussfassung über Struktur- und Entwicklungspläne, Beschluss über Grundsätze der Ausstattung und Mittelverteilung, Genehmigung der Wirtschaftspläne, Entgegennahme der Jahresberichte und Stellungnahme zu Leistungsbezügen.
Daß die Fakultätsräte (§ 91) bei der STEP-Entwicklung und den Grundsätzen der Mittelverteilung erweitert mitwirken sollen, ist zu begrüßen. Dies ist aber auszubauen zur vollständigen Entscheidungsbefugnis auf Fakultätsebene über die Mittelverwendung und Strukturentwicklung einschließlich der Zuordnung von Stellen, die bisher beim Dekanat liegt (§ 90, Abs. 6, Nr. 1).
Es ist zu begrüßen, dass die Fakultätsräte wieder über die Berufungsvorschläge entscheiden sollen und dabei auch über die Einsetzung der Kommissionen (§ 14, Abs. 2). Berufungen zählen zu den langfristigen Entscheidungen über Entwicklung und Schwerpunktbildung im Fach und sind damit auch relevant für die Kooperationszusammenhänge. Damit verbunden sind Diskussionen über Menschenbild, gesellschaftliche Relevanz und wissenschaftliche Methoden im Fach. Entsprechend sind auch die Ausschreibungen den Fakultätsräten zu übertragen. Die von den Fakultätsräten beschlossenen Berufungslisten sollten vom Präsidium nur rechtlich zu prüfen sein (§ 13, Abs. 1), die abschließende gesamtuniversitäre Beschlussfassung sollte hingegen beim Hochschulsenat liegen (§ 79, Abs. 1, Nr. 8), weil auch dieser sich mit der gesellschaftlichen Relevanz der Einzelwissenschaften in der Gesellschaft befassen und hierfür Impulse geben soll.
Die stimmberechtigte Beteiligung des TVP in den Kommissionen ist einzuführen. Die entsprechenden MitarbeiterInnen haben eine tiefe Einsicht in die alltägliche Praxis der Wissenschaft.
Damit Stellen nicht durch die Hintertür besetzt werden, sondern vom Gremium auf argumentativer Grundlage anhand vorher bestimmter Kriterien, ist die außerordentliche Berufung (§ 14 Abs. 6) zu streichen.
Die Wiedereinführung einer dritten Ebene der Verwaltung und Selbstverwaltung ist zu begrüßen (§ 92): Entscheidungen müssen fachnah gefällt und vertieft beraten werden können. Dies ist zwingend notwendig und deshalb längst informelle Praxis. Die 3. Ebene darf daher nicht nur optional sein, sondern muss verbindlich festgelegt werden (92, Abs. 1).
Die sinnvolle Aufteilung und kooperative Verwirklichung der Arbeit zwischen Fakultätsrat, Fach- und Institutsgremien müssen die Fakultäten durch Satzung selber entscheiden können. Eine Einschränkung übertragbarer Aufgaben ist nicht sinnvoll (§ 92, Abs. 1, Nr. 1 bis 4).
Auf allen Ebenen, auf denen Entscheidungen getroffen werden (Institute, Sonderforschungsbereiche, Fachbereiche, Fakultäten, gesamtinstitutionell), sind Gruppengremien zu schaffen, weil sonst die Aufgabenübertragung an entsprechende Organisationseinheiten mit einer Entdemokratisierung einherginge. Demokratieverbote sind zu streichen (§ 92, Abs. 4).
B) Die Leitungen sind zurückzuführen auf die Sprecherfunktion, d.h. nach innen auf Aufgaben der Organisierung und Vorbereitung von Entscheidungen, der Beförderung institutioneller Kooperation und Kommunikation sowie der Sicherstellung der Aufgabenerfüllung und nach außen auf die Aufgabe der Repräsentanz. Sie sind ausschließlich von den Gremien des jeweiligen Bereiches zu wählen, für den die Leitung eine Sprecherfunktion ausüben soll.
Der Präsident/die Präsidentin muss ausschließlich durch den Großen Senat/Konzil oder den Hochschulsenat gewählt werden (§ 80, Abs. 1), am besten in einem hochschulöffentlichen Kandidatur- und Anhörungsverfahren. Die Vorauswahl durch eine Findungskommission (§ 80, Abs. 2), zumal begrenzt auf nur eine kandidierende Person, ist abzulehnen, damit würden die demokratischen Gruppengremien und die universitäre Öffentlichkeit entmündigt.
Der Kanzler/die Kanzlerin (§83) soll an die Beschlüsse des Hochschulsenats gebunden sein und in einem Verfahren, das dem einer Berufung äquivalent ist, vom Hochschulsenat ausgesucht werden.
Das Präsidium soll ein gleichberechtigtes Kollegialorgan mit in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich selbständig handelnden Vizepräsidenten bleiben, denn auch präsidiumsintern ist die demokratische Verständigung produktiv und nicht die hierarchische Anordnung. Alle Änderungen, welche bisherige Aufgaben des Präsidiums auf Präsident/Präsidentin oder Kanzler/Kanzlerin übertragen, sind rückgängig zu machen (§§ 14 (2), 16 (7), 66 (1), 79, 82, 83 (1), 84 (1), 85 (1 & 2), 89 (3), 90 (6), 93 (2), 100 (1), 103 (1), 104 (2), 106 (2), 108 (2)), soweit nicht ohnehin die Übertragung an die Gruppengremien angebracht ist (§§ 13 (1), 79, 84, 100).
Die Möglichkeit der Wahl von Studierenden und anderer Universitätsangehöriger ohne akademischen Abschluss zur Vizepräsidentschaft ist wieder zu schaffen.
Die Wahl des Dekans/der Dekanin soll ausschließlich durch den Fakultätsrat stattfinden (§ 90, Abs. 1). Eine Findungskommission ist auch hier nicht vorzuschreiben. Das Vorschlagsrecht des Dekans/der Dekanin für die Wahl der Prodekane/Prodekaninnen (§ 90, Abs. 1) ist ebenfalls zu streichen.
Dass nun Verwaltungsleiter (§89) an Stelle von befristeten Geschäftsführern für die dauerhafte Arbeit auch dauerhaft eingestellt werden sollen, ist ein Fortschritt, weil dies die kontinuierliche und unabhängige Arbeit erleichtert und sozial verantwortlich ist. Damit die Verwaltungsleiter zum Wohle der Fakultät und der gesamten Hochschule arbeiten, ist erforderlich, dass sie an die Beschlüsse des Fakultätsrates gebunden sind und in einem Verfahren, das dem einer Berufung äquivalent ist, vom Fakultätsrat ausgesucht werden.
C) Die Entwicklung der Wissenschaft für die Wahrnehmung ihrer Verantwortung zur Humanisierung der Lebensbedingungen ist gemeinsame Aufgabe aller ihrer Mitglieder auf allen Ebenen und muss gemeinsam verwirklicht werden. Die strukturell geschaffene Konkurrenz zwischen den Fakultäten und Kompetenzgerangel zwischen allgemeiner Ebene und dezentralen Einheiten soll von dieser vernünftigen gemeinsamen Ambition ablenken.
Für eine kooperative Entwicklung der Gesamteinheit Hochschule ist daher die übergreifende Verständigung auszubauen.
Im neu gebildeten erweiterten Präsidium (§ 81, Abs. 2) wird der ohnehin notwendige und bestehende hochschulweite Beratungs- und Abstimmungszusammenhang der Kammer nun offizielle Praxis. Das ist zu begrüßen, u.a. weil dieser Personenkreis dann öffentlich tagt.
Die wissenschaftsfeindliche Irrationalität von Ziel- und Leistungsvereinbarungen, Kennziffern und Belastungs- und Leistungsorientierter Mittelvergabe ist bereits in Kapitel 1 dieser Stellungnahme zum Verhältnis zwischen Staat und Hochschule (§ 2) problematisiert worden. Diese schädlichen und aufreibenden Marktmechanismen auf das Verhältnis zwischen zentraler Ebene und Fakultäten auszuweiten (§ 100, Abs. 3), ist strikt abzulehnen.
Zu begrüßen ist, dass für Gemeinsame Studiengänge (§ 96a) fakultätsübergreifende bzw. hochschulübergreifende gemeinsame Ausschüsse als weitere Gruppengremien gebildet werden sollen.
Wissenschaftliche Einrichtungen, die gesamtuniversitäre Aufgaben wahrnehmen, wie das BioGum und das IZuLL, sind wieder auf gesamtuniversitärer Ebene in der Verantwortung des Hochschulsenats anzusiedeln.
D) Last but not least: Die Mitglieder der Hochschule müssen in allen Entwicklungsfragen gleichberechtigt zur Geltung kommen.
Alle Gremien sind, soweit sie nicht unmittelbar Einfluss nehmen auf den Inhalt der Arbeit des einzelnen Wissenschaftlers, viertelparitätisch zu besetzen. Dies gilt insbesondere für den Großen Senat/das Konzil und alle Ausschüsse.
Das Festschreiben der doppelten Geschlechterquote (§ 14, § 96) ist das genaue Gegenteil einer Ermöglichung von kooperativer Arbeit, weil sie Beteiligung an Verständigung nicht befördert, sondern formal beschränkt.
„Bildung mündiger Menschen: Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung.“
Die Bildung mündiger Menschen und damit auch souveräner Wissenschaftssubjekte muss, soweit durch das HmbHG erfasst, voll ermöglicht werden. Es geht darum, aus den Erfahrungen der Menschheit, aus dem reichhaltigen kulturellen und wissenschaftlichen Erbe zu schöpfen für die Entwicklung eines allseits erfreulichen Daseins. Die tiefe soziale Spaltung der Menschheit ist dagegen eine massenhafte und massive Einschränkung der Möglichkeiten einer solchen Persönlichkeitsentfaltung. Soziales Elend, Kriege, die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen sind die zentralen Probleme, deren Überwindung der zu verwirklichende Zweck der gemeinsamen Erkenntnisarbeit von Studierenden, Lehrenden und MitarbeiterInnen der Hochschule ist. Eine solche sozial verantwortliche Praxis als Inhalt des Lernens und Lehrens zu befördern sollte Sinn aller gesetzlichen Regularien für das Studium sein. Mit Restriktionen wie Prüfungshetze und Exmatrikulationsdrohungen hingegen wird emanzipatorische Bildung behindert oder ganz davon abgehalten.
Mit ihnen wird Bildung als „unmoralisches Schmarotzen“ der Einzelnen am Gemeinwesen verunglimpft. Damit wird die verallgemeinerungswürdige Bedeutung der wissenschaftlichen Aneignung der Welt für ihre bewusste Gestaltung negiert. Das ist hässlich und nachdrücklich zurückzuweisen.
Die Weiterführung und Wiedereinführung klassischer Studiengänge (Diplom, Magister, Staatsexamen) mit ihrem Anspruch der umfassenden Wissenschaftlichkeit, der inhaltlichen Entwicklungsoffenheit und den Möglichkeiten der eigenständigen Studiengestaltung durch die Studierenden ist dringend geboten. Sie sind auch der bessere Ausgangspunkt für eine vernünftige Studienreform als die auf verwertungstaugliche Berufsqualifizierung ausgerichteten Bologna-Studiengänge. Die Verpflichtung zur Einrichtung von Bachelor- und Masterstudiengängen (§ 54, Abs. 1) ist daher zu streichen.
Für die Ba/Ma-Studiengänge ist der Master zum Regelabschluss zu machen, um die Selektion und die Konkurrenz um die zu wenigen Studienplätze zu beenden und solidarisches Lernen zu befördern. Dafür ist gesetzlich eine Zulassung nach dem „Hamburger Modell“ zu ermöglichen, bei der die Zulassung direkt zum Master-Studium erfolgt, mit der Option, das Studium vorzeitig mit dem Ablegen einer Bachelorprüfung zu beenden (§§ 39 und 54).
Um die dynamische, gesellschaftsbezogene Entwicklung der Wissenschaften, einen interessengeleiteten Studienweg und die kooperative Gestaltung von Veranstaltungen zu ermöglichen, ist die Modularisierung (§ 52, Abs. 4) von Studiengängen abzuschaffen. Sie dient der starren Kanonisierung der Studieninhalte hin auf normierte Zwecke. Die enge Modularisierung mit ständigen Prüfungsanforderungen legt eine Fixierung auf das unmittelbare Bestehen von Leistungsanforderungen nahe und hat mit weltbezogener Erkenntnisgewinnung nichts mehr zu tun.
Fristen erzeugen einen unnötigen Zeitdruck und wirken erkenntnisfeindlich, da ständig gehetzten Studierenden die Muße zur Vertiefung relevanter Fragestellungen fehlt. Die inhaltliche Vertiefung sowie das Engagement in der studentischen und akademischen Selbstverwaltung darf nicht durch die Willkür von Fristen begrenzt werden. Die nun auch gesetzliche Abschaffung der Fristenregelung ist ebenso zu begrüßen, wie die Unbegrenztheit möglicher Wiederholungen bei studienbegleitenden Prüfungen (§ 65, Abs. 3). Es gilt aber für alle Prüfungen, dass es richtig ist, keine Begrenzung von Prüfungsversuchen festzulegen, auch weil Menschen nie aufhören zu lernen.
Verpflichtende Zwischenprüfungen und studienbegleitende Abschlussprüfungen sind ohne vernünftigen Nutzen, aber schädlich. Sie potenzieren den Prüfungsstress, sind Bravheitstests und dienen der Selektion. Sie sind nicht gerichtet auf die Erkennung von Lernfortschritten oder auf die klärungsmotivierte Identifizierung von Lernhindernissen. Über den Grad der Qualifikation am Ende des Studiums, soweit dieser durch Prüfungen überhaupt bestimmt werden kann, sind studienbegleitende Prüfungen ohne jede Aussagekraft. Zwischenprüfungen und studienbegleitende Abschlussprüfungen sind daher aus dem Gesetz zu streichen (§ 61, Abs. 1 und 3).
Es braucht statt Leistungsdruck durch Noten verstärkt kooperative Gespräche über die wissenschaftliche Arbeit und qualifizierte Einschätzungen über den individuellen Lernfortschritt. So können Entwicklungserfordernisse erkannt und gemeinsam verwirklicht werden. Insbesondere die neue Hierarchisierung von Abschlüssen durch die relativen ECTS-Noten (§ 62, Abs. 4) steigert hingegen die Konkurrenz um Master- und Arbeitsplätze, schafft so Lernhindernisse und ist Teil des Leistungssystems, welches massenhaft krank macht. Es ist daher zu beenden. Gemeinsam lernt es sich am besten.
Die Exmatrikulation ist der höchste und damit unsinnigste Grad der Restriktion. Schon die Androhung auf Grund nonkonformen Studierverhaltens, Widrigkeiten des Lebens oder gar bei schlichter Unbotmäßigkeit legt allen nahe, dass der Sinn des Studiums seine schnellstmögliche Beendigung sei – lernen, um nicht mehr zu lernen?
Insbesondere die neu aufgenommene Zwangsexmatrikulation bei „nicht Vorantreiben“ des Studiums (§ 42, Abs. 4), festgemacht an Studiendauer und dem Sammeln von Studiennachweisen, ist wieder zu streichen. Sie dient der Einschüchterung der Studierenden, widerspricht dem Grundrecht der Entfaltung der Persönlichkeit sowie der Freiheit des Studiums und schadet allen. Studierende als finanzielle Belastung zu betrachten ist sachlich falsch und diskriminierend.
Das Auslaufen von Studiengängen sowie das Verstreichen von Prüfungsmöglichkeiten darf kein Grund zur Exmatrikulation sein (§ 42, Abs. 2, Nr. 3). Die Relegation auch als politisches Mittel zum Ausschluss „unbequemer“ Studierender ist schon zu Zeiten der ’68er-Bewegung rückständig gewesen und als Möglichkeit auszuschließen (§ 42, Abs. 3, Nr. 3).
Die Zwangsberatung unter anderem nach Überschreitung der Regelstudienzeit (§ 51, Abs. 2) ist abzuschaffen, da Beratung und Zwang sich ausschließen. Stattdessen sind die Möglichkeiten freiwilliger und restriktionsfreier Beratungen auszubauen.
Die Akkreditierung von Studiengängen ist keine „Qualitätssicherung“ sondern in erster Linie ein großes Geschäft für Akkreditierungsunternehmen und dient der Aufrechterhaltung der „employability“-Orientierung durch wissenschaftsfremde, formale Vorgaben. Die Pflicht zu Akkreditierung ist zu streichen (§ 52, Abs. 8). Die Wiedereinführung demokratischer Gremien auf allen Ebenen trägt dazu bei, dass die Studienreform unter Mitwirkung aller im Studium Beteiligten entwickelt werden kann. Die Qualität des Studiums erweist sich in seinem kritischen gesellschaftlichen Problembezug.
Die Einführung von dualen Studiengängen (§ 4, Abs. 2; § 56, Abs. 2) ist falsch, weil die studiumsbezogene Abhängigkeit in einem Beschäftigungsverhältnis dem Grundsatz der Freiheit des Studiums (§ 50) widerspricht. Ebenso abzulehnen sind Zertifikatsstudien (§ 56, Abs. 3), weil sie offenkundig auf das bestätigende Mitmischen im profitorientierten, kommerziellen Bildungsmarkt gerichtet sind und dafür unverhohlen die Wissenschaftlichkeit zur Disposition stellen.
„Wissenschaftliche Freiheit in gesellschaftlicher Verantwortung: Die Mitglieder der Universität wollen die universitären Aufgaben in der Verbindung von Forschung und Lehre, Bildung und Ausbildung in wissenschaftlicher Unabhängigkeit erfüllen. Sie wollen zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen und Frauen und Männern gleichen Zugang zu Bildung und Wissenschaft eröffnen.“
Bildung und Wissenschaft zur Persönlichkeitsentwicklung und gemeinsamen kritischen Erkenntnis zur Verbesserung der Lebensbedingungen aller sind gesellschaftlich eine Notwendigkeit und keine Privatangelegenheit. Sie müssen umfassend öffentlich finanziert werden. Geld ist genug da. Durch die Verallgemeinerung dieser Position in konsequenter studentischer Aufklärungsarbeit und öffentlicher Kritik sind die allgemeinen (nachgelagerten) Studiengebühren bereits zum Wintersemester 2012 abgeschafft worden. Dies muss nun auch für alle weiteren Studiengebühren gelten. Studiengebühren sollen Bildung ideologisch zur Ware degradieren und Studierende sozial unter Druck setzen. So sollen die Hochschulmitglieder zur marktkonformen Ausrichtung von Lehre und Studium genötigt werden. Gebührenfreiheit dient humanistischer Bildung und Wissenschaft.
Der „Verwaltungskostenbeitrag“ (§ 6 a) von 50 Euro pro Semester ist der Türöffner für die allgemeinen Studiengebühren gewesen. Er dient noch immer dem Stopfen von Haushaltslöchern und damit der Verschleierung der strukturellen Unterfinanzierung hochschulischer Grundaufgaben. Auch dieser Betrag stellt eine soziale Hürde bei der Immatrikulation und Rückmeldung dar. Der entsprechende Paragraph ist zu streichen.
Dasselbe gilt für die in § 6 b (1) geregelte grundsätzliche Gebührenpflichtigkeit von Studienangeboten der Weiterbildung. Wissenschaftliche Weiterbildung ist eine gesetzliche Aufgabe der staatlichen Hochschulen. Gesellschaftliche und technologische Entwicklungen erhöhen den allgemeinen Bedarf an akademischer Weiterqualifizierung und damit an allgemeinbildendem Charakter beruflicher Bildung. Diesem Erfordernis sollten die Hochschulen als wissenschaftliche Einrichtungen mit kritisch-reflexiven Studienangeboten gerecht werden. Auch in der Weiterbildung stehen die Studiengebühren dieser Allgemeinwohlorientierung entgegen und müssen daher gestrichen werden.
Die hohen Kosten für weiterbildende Studiengänge können zudem oft nur bezahlt werden, wenn der „Arbeitgeber“ das direkt übernimmt. Dies führt noch einmal gesteigert zur Anpassung an privaten Verwertungsinteressen. Das hat mit verantwortungsvoller Wissenschaft nichts zu tun.
Absurd ist die Neuerung, dass für eine Verbesserung der Note von Zwischen- und Abschlussprüfungen eine gebührenpflichtige Wiederholung (§ 65, 2) ermöglicht werden soll. Solange benotete Abschlussprüfungen bestehen und für den weiteren Lebensweg als ausschlaggebend gelten sollen, ist es zwar zu begrüßen, wenn diese wiederholt werden können. Eine Gebührenpflicht dieser Wiederholungen bedeutet aber, dass – wer kann – sich eine bessere Note kaufen möge. Auch diese Gebührenpflicht ist der Hochschulen unwürdig und muss gestrichen werden.
Außerdem ist sicherzustellen, dass die in dem Gesetzentwurf neu genannten Studienangebote im Rahmen des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes (sogenannte Anpassungslehrgänge) (§ 3, Abs. 10) nicht als ohnehin abzulehnende Zertifikatsstudien angeboten und dadurch gebührenpflichtig werden. Die oft prekäre soziale Lage von Migrantinnen und Migranten würde zusätzlich verschärft und ihrer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in der BRD entgegengewirkt.
„Mit dem Kampf für eine humanistische Neu-Orientierung von Bildung und Wissenschaft sind wir als Verfasste Studierendenschaft wirksam für eine menschenwürdige gesellschaftliche Entwicklung. […] Die Allgemeinwohlorientierung von Wissenschaft, Bildung, Sozialem und Kultur begründet deren öffentliche Ausfinanzierung. Wir intensivieren dafür die Unterschriftenkampagne ‚Verbesserungen beginnen… mit der Beendigung von Verschlechterungen‘ und ermutigen so auch Bündnispartner*innen in der ganzen Stadt.“
Die Studierendenbewegung ist traditionell ein relevanter Teil der gesellschaftlichen Opposition. „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“ ging als Sinnbild um die Welt. Die Verfasste Studierendenschaft ist das erkämpfte Recht der Studierenden zur solidarischen Selbstorganisierung und Interessenvertretung. Gegen vereinzelnde Leistungshetze mit dem Ziel der „employability“ kultivieren gerade auch Studierende als mündige Mitglieder die Hochschule als „öffentlichen Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung“ durch Aufklärung, Kritik und konsequente Interessenvertretung. Sie nehmen damit ihre Verantwortung für eine menschenwürdige Entwicklung Aller wahr.
Die Organe der Verfassten Studierendenschaft (§ 102) müssen sich uneingeschränkt äußern und demokratisch engagieren können. Das Engagement für gesellschaftskritisch eingreifende Bildung und Wissenschaft, die auf die Lösung drängender gesellschaftlicher Fragen gerichtet ist, ist keine Klientelpolitik, sondern gesellschaftlich notwendig. Die Begrenzung des Mandats der Verfassten Studierendenschaft ist zu beenden zu Gunsten eines umfassenden politischen Mandats (§102, Abs. 2).
Eine Einschränkung der Mitgliedschaft in der Verfassten Studierendenschaft (§ 36, Abs. 3, § 102, Abs. 1) für Fernstudierende, Studierende in weiterbildenden Studiengängen, in Promotions- und Teilzeitstudiengängen und in berufsbegleitenden sowie dualen und Zertifikat-Studiengängen (§ 56) ist abzulehnen. Alle immatrikulierten Studierenden sind ohne Ausnahme Mitglieder der Verfassten Studierendenschaft und keine Kunden der Hochschule. Die Ausweitung der möglichen Mitgliedschaft in der Verfassten Studierendenschaft auf mehrere Hochschulen ist daher zu begrüßen (§ 36, Abs. 2) und sollte verbindlich gemacht werden.
Die Verfasste Studierendenschaft muss souverän auch in Bezug auf ihre Finanzen und ihre innere Ordnung sein. Die Genehmigung des Haushaltes sowie die Wirtschaftsprüfung darf daher nicht dem Präsidenten obliegen, sondern muss immer durch den mehrheitlich studentischen Wirtschaftsrat bzw. einen Wirtschaftsprüfer wahrgenommen werden (§ 105). Diese Souveränität gilt auch in Bezug auf ihre Satzung (§ 103, Abs. 1)
Der Status der Fachschaftsorgane als Organe der Studierendenschaft ist eindeutig zu bestimmen (§ 102, Abs. 4). Fachschaftsräte sind zu stärken, als Basis der studentischen Selbstverwaltung und Organisation der Studierenden einer Fachrichtung.
Die Bedeutung der politischen Interessenvertretung der Studierenden erfordert auch, erweiterte Möglichkeiten für die gesellschaftlich verantwortliche gemeinsame Entwicklung der Hochschulen durch alle ihre Mitglieder zu schaffen.
„Würde des Menschen
Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen,
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst.“