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FSRK

Rede zur Vermögens- und Schuldenuhr beim Methfesselfest

Liebe Mitstreitende,

die Wende der Wende ist in vollem Gange.
(Sie besteht in dem immer stärker Verallgemeinerung findenden Anspruch, den gemeinsamen Inhalt der Arbeit und der gesellschaftlichen Entwicklung menschlich nützlich zu bestimmen. Sie besteht in der Repolitisierung des Alltags und der Neubefürwortung solidarischer Veränderungspraxis als persönlicher Entfaltung.)
Die herrschenderseits nach ‘89 intensiviert betriebene Unterordnung aller Lebensbereiche unter
schnöde ökonomische Interessen und die so verschärfte Verdinglichung der Menschen zur selbstvermarktet profitablen Ego-Ressource ist global gescheitert, weil der Mensch so nicht ist.

In der Universität Hamburg ist durch unverbrüchliches, humanistisches Engagement über die letzten Jahre hervorgebracht worden, die Bedeutung der Institution und ihrer über 50.000 Mitglieder in Übereinstimmung mit den realen gesellschaftlichen Erfordernissen auf die Füße zu stellen:

„Im Mai 2011 kündigte der politische Senat tiefgreifende Einschnitte in die Haushalte der Hamburger Hochschulen an. Daraufhin hat die Universität gemeinsam mit den anderen staatlichen Hochschulen der Hansestadt den „Kampf um die Zukunft“ begonnen. In zahlreichen Veranstaltungen und öffentlichen Manifestationen entwickelte die Universität auf Basis ihres Leitbildes begründete Forderungen an die Bürgerschaft und den Senat.
Die Universität wendet sich damit verstärkt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für eine friedliche, demokratische, sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung zu. Forschung und Lehre sollen zum gestaltenden Eingreifen in die Gesellschaft ermutigen und einer global menschenwürdigen Zivilisation dienen.“

Beschluss des Akademischen Senats, 19. Januar 2012

In dieser Weise steht an, die reichlich vorhandenen, durch Alle hervorgebrachten kulturellen und materiellen Reichtümer allen zugänglich zu machen – humane Gesundheitsförderung, entwicklungsorientierte Bildung, sinnvolle Arbeit, bereichernde Kultur und öffentliche Infrastruktur im Dienste des Menschen für Alle und durch Alle zu verwirklichen.

Überall brechen dafür klug, aufrecht und engagiert streitende Menschen auf, die Geschichte (wieder) kollektiv in die eigenen Hände zu nehmen und eine solidarische, menschengerechte und friedliche Entwicklung der Gesellschaft zu realisieren.

Mit dem ideologisch aufgeblähten, vermeintlichen „Sachzwang“ der Schuldenbremse – und deren EU-weiter Verankerung durch den sog. Fiskalpakt – wird dagegen herrschenderseits der verzweifelte Versuch unternommen, diese wachsenden humanen Ansprüche auszusitzen.
Der Inhalt dieser technokratischen Nebelstocher-Politik ist kurz zusammengefasst: Alles Menschliche sei ein zu vermeidender Kostenfaktor, darum gibt man das Geld lieber gleich den Banken.

Die öffentlichen Ausgaben für Bildung, Gesundheit, Soziales oder Kultur zusammenzustreichen, also das Leben selbst zu drosseln, ist überhaupt kein Konzept für irgendeine Entwicklung. Dass es dafür an produktiv zu machendem Reichtum fehle, ist schlichtweg Unfug. Für Hamburg gilt, was die Schulden- und Vermögensuhr anzeigt:
Die Schulden sind zwar nicht gering, aber der private Reichtum des reichsten Zehntels der Hamburger ist sechsmal größer und wächst vierzehnmal schneller als die Schulden. Dieses Zehntel wird jährlich um über 8 Milliarden Euro reicher. Die Schulden wachsen gerademal um 600 Mio. €. Zur Behebung der strukturellen Unterfinanzierung bspw. der Hamburger Hochschulen bedarf es vergleichsweise bescheidener 80 Mio. € jährlich.

Für die zivilisatorische Beantwortung der Krise kommt es entscheidend darauf an, die humanistischen Veränderungsansprüche für alle Lebensbereiche kritisch, kooperativ und analytisch fundiert gesellschaftlich zu verallgemeinern.

Bildung und Wissenschaft haben den Sinn, dass Alle solidarisch lernen können zur Entwicklung von Mündigkeit und kritisch verändernder Welterkenntnis.
Theater, Museen und Bücherhallen, sowie Jugend- und Stadtteilkultur sind Grundnahrungsmittel einer lebendigen kultivierten Demokratie. Hier wird der schöpferische Reichtum der Menschheit Allen öffentlich zugänglich gemacht, reflektiert, weiterentwickelt und neu geschaffen.
Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und durch die Arbeitenden bestimmter und somit gebrauchswertorientierter, ziviler Inhalt der Tätigkeit befördert die produktive, humane Vergesellschaftung Aller Menschen.
Krankenhäuser in öffentlicher Hand, Pflege und medizinische Versorgung für Alle, ausreichend Personal sowie dessen humanistische Aus- und Weiterbildung sind elementar für eine menschengerechte Gesundheitsförderung.
Dafür ist der gesellschaftlich erarbeitete Reichtum produktiv zu machen.
Dies solidarisch und munter zu erstreiten ist die eigene Vermenschlichung!
Alle können Politik werden.

„Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt.
Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre.
Die Gewalt versichert: So, wie es ist, bleibt es.
Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden.
Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut: Jetzt beginne ich erst.
Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt:
Was wir wollen, geht niemals.
_ Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wenn die Herrschenden gesprochen haben,
Werden die Beherrschten sprechen.
Wer wagt zu sagen: niemals?
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? Ebenfalls an uns.
Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen,
Und aus Niemals wird: Heute noch!“

Bertolt Brecht, „Lob der Dialektik“, 1931, in: Bertolt Brecht – Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Gedichte 1, Band 11, S. 237f.

http://www.fsrk.de/artikel_296.html [Stand 11. August 2012]


Rede zur Vermögens- und Schuldenuhr beim Methfesselfest