„Denn nur der große Gegenstand vermag
Den tiefen Grund der Menschheit aufzuregen;
Im Engen Kreis verengert sich der Sinn,
Es wächst der Mensch mit seinen größern Zwecken.“
Entfaltung besteht in der kooperativen Entwicklung der gemeinsamen Lebensbedingungen. Dafür müssen alle dauerhaft lernen. Gegen die soziale Verwirklichung dieser Möglichkeit steht ein Jahresüberschuß 2006/2007 des Familienbetriebs für verbrauchsintensive Luxuskarossen, Porsche, von 4,24 Milliarden Euro (nach Steuern). Hier handelt es sich um den Betrieb, dessen Chefmanager Wiedekind sich am vehementesten gegen die Offenlegung von Managergehältern wandte. Aus Sicht der Familien Piech und Porsche währen diese wahrscheinlich auch noch „Peanuts“. Der Reichtum, der sich hier exklusiv angeeignet wird, ist gesellschaftlich erarbeitet und könnte auch dem allgemeinen Wohl dienen. Das Beispiel verdeutlicht, daß das hartnäckigste Hemmnis gesellschaftlichen Fortschritts das große private Eigentum ist, das über Ziel, Inhalt und Modus der gesellschaftlichen Arbeit bestimmt. Daraus ist auch die politisch gewollte Unterfinanzierung des Bildungssystems begründet.
In Hamburg werden die Interessen der größten Unternehmen durch die Handelskammer politisch vertreten. Sie hat maßgeblichen Einfluß auf die Politik des CDU-Senats; als ihr „Wissenschafts-Manager“ versteht sich der Senator Jörg Dräger. Dieser hat immer wieder die „Lenkungsfunktion“ der Studiengebühren gelobt. Gemeint ist das tumbe Marktprinzip des Kaufens-Verkaufens, das die „marktgängigen“ Fächer mit hoher privatwirtschaftlicher Nachfrage „fördert“ und die kleinen, kritischen Fächer „fordert“ – also reduzieren und zerstören soll. Das Prinzip „Nur wer zahlt, der zählt“ degradiert dabei den Menschen vollständig zur Ware auf dem Arbeitsmarkt („Humankapital“). Dafür sollen die Gebühren als „Investition“ in die individuelle Berufsperspektive verstanden werden. Bildung sei damit nicht kooperative Entfaltung, sondern ein käufliches Instrument der Überlebenssicherung in einer alle erfassenden Konkurrenz. Unter diesen Bedingungen will jede neugierige, orientierende oder gar kritische „Ausschweifung“ im Studium wohl überlegt sein.
Die Quintessenz der „Lenkung“ ist also, daß der mythische „Standort“ und darin die „Wirtschaftscluster“ („Hafen/Logistik, Nanotech, Lifesience, Medien, Luftfahrt, Welthandel/China“) als einziger Zweck von Bildung und Wissenschaft durchgesetzt würden - und dies am besten von den Lernenden unter hohem sozio-kulturellem Druck „freiwillig“. Das Prinzip der Gebühren ist also Dressur; ihr Ziel ist die Verfestigung des Gegensatzes zwischen einer lenkenden Minderheit und einer gelenkten Mehrheit.
Der Boykott ist die Verneinung dieser Entwürdigung. Die Solidarität ist die Gegenperspektive zu Ungleichheit, Konkurrenz, Vereinzelung und normierender Leistungshetze. Allein diese Manifestation gegen die Ökonomisierung von Wissenschaft und Menschen bereitet den Weg zur Gebührenfreiheit Aller. Die Aktion besteht – außer in der kollektiven Zahlung der Gebühr auf ein Treuhandkonto – vor allem in gemeinsam praktizierter (Selbst-)Aufklärung über die Ursachen, Zusammenhänge und die Überwindbarkeit der Krise des Bildungssystems. Darin liegt die kollektive Selbstermächtigung zur humanen Gestaltung der Lebensbedingungen und zur Durchsetzung einer universitären Entwicklung, die allen nützt. Der Boykott wirkt dabei über die Grenzen der Hochschulen hinaus in die Stadt und über die Grenzen der Stadt hinaus ermutigend und verbindend für die Studierendenschaften aller Bundesländer. Also: Boykottieren befreit. In der Solidarität liegt die Perspektive gegen alle sozialen Zumutungen und kulturellen Verklemmungen eines verwertungsreglementierten Alltags.
Vollversammlung zum Boykott, am 21.11.2007, um 14 Uhr, im Audimax