„Man hat als Mensch die Möglichkeit, glücklich zu werden. Man muss sich aber seine Wünsche so einrichten, dass man sie auch erfüllen kann.“
„Unter welchem Druck die Hochschüler stehen, zeigt schon, dass viele von ihnen Präparate zur Behandlung des Nervensystems einnehmen: Dies sind die am häufigsten an Hochschüler verschriebenen Medikamente. Zur Abschlussarbeit und den zahlreichen weiteren Prüfungen im letzten Studienjahr kommt oft noch die Sorge um die Studienfinanzierung, deren drohende Rückzahlung und nicht selten ein zeitintensiver Nebenjob. Rund 23.000 Hilfe suchende Studenten registrierte das Deutsche Studentenwerk im Jahr 2009 in seinen psychologischen Beratungsstellen.“
Burnout, Depression und andere psychische Belastungsleiden haben in den letzten Jahren gesamtgesellschaftlich massiv zugenommen. Ihr Anteil an den Gründen für Krankmeldungen war im Jahr 2010 der höchste je verzeichnete. Unter Studierenden hat sich die Zahl derer, die mit Psychopharmaka versuchen, den Studienanforderungen Herr zu werden, gegenüber 2006 (Einführung von Bachelor/Master, Studiengebühren, etc.) mehr als verdoppelt. Alles Leistungsversager?
Selbst im Hamburger Abendblatt werden die verschärfte soziale Bedrängung und der gesteigerte Leistungsdruck als Probleme reflektiert. Mit der unter dem ideologischen Label von „mehr Eigenverantwortung“ betriebenen Entsolidarisierung und Verwertbarmachung aller gesellschaftlichen Bereiche für das „Heil des Standorts“ – sprich für plumpes Profitinteresse – wird zunehmend der Sinn von Arbeit und Studium infragegestellt, weil diesen durch enormen ökonomischen Druck ihr eigentlich menschlicher Inhalt geraubt werden soll. Wer dagegen versucht, im Einzelkampf Vernünftiges zu realisieren, brennt aus.
Burnout, so die landläufige Einschätzung, träfe vor allem Menschen mit „zu großen Ansprüchen“. An sich selbst, an ihr Arbeitsumfeld und den Einfluss darauf. Die Antwort in der Behandlung ist deswegen vor allem: Ziele überprüfen, Entspannung lernen, mehr auf sich achten. Yoga, Schwimmkurs, tralala. Die Arbeit selbst bliebe so entfremdet.
Rainer Richter, u.a. Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer und Univ.-Prof. für Psychotherapie und Psychosomatik am UKE, wirft im obigen Abendblatt-Interview die Verfügungslosigkeit der Einzelnen als Ursache des „Ausbrennens“ auf, vor deren Hintergrund eine solche, gesteigerte Individualisierung des gesellschaftlichen Problems als „Therapie“ zumindest fragwürdig erscheint:
„Nicht wenige versuchen […], die Unzufriedenheit mit ihrer Arbeitssituation durch noch höhere Einsatzbereitschaft zu beantworten. Und das macht sie letztlich in hohem Maße Burn-out-gefährdet. Insbesondere für Neulinge im Berufsleben ist es schwierig bis unmöglich, ihre meist vorgegebenen Arbeitsstrukturen zu ändern. Stattdessen neigen sie eher dazu, sich an die tatsächlichen oder vermeintlichen Anforderungen bis hin zur Überforderung anzupassen.“
Mit Rainer Richter und allen Interessierten wollen wir die Ursachen des gesellschaftlichen Problems „Burnout“ und mögliche Konsequenzen für ihre Überschreitung diskutieren.
Was ist eine adäquate Antwort auf die kulturell vermittelte Leistungsideologie?
Ist gegen Ohnmacht und Entfremdung möglich und notwendig, gemeinsame Verfügung über Arbeits- bzw. Lebensbedingungen zu erstreiten, um deren menschenwürdigen Inhalt zu verwirklichen?
Ist das gemeinsame Wirken dafür zusätzliche Belastung oder Befreiung?
Dazu sei herzlich eingeladen.
„Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen,
Und aus Niemals wird: Heute noch!“
mit Prof. Dr. Rainer Richter (UKE)
am Montag, den 24.10.2011 um 16 Uhr
im Hauptgebäude (ESA 1), im Ernst-Cassirer-Hörsaal (A)
Am 24.10.2011 ist ab 13 Uhr zugunsten der Vollversammlung (14 Uhr) und dieser Veranstaltung „dies academicus“ - also veranstaltungsfrei.