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FSRK

Rede der FSRK zur Eröffnung der Schulden- und Vermögensuhr

„Auf einer kleinen Bank, vor einer großen Bank

Worauf mag die Gabe des Fleißes,
die der Deutsche besitzt, beruhn?
Deutschsein heißt – der Deutsche weiß es –
Dinge um ihrer selbst willen tun.

Wenn er spart, dann nicht deswegen,
daß er später was davon hat.
Nein, ach nein, Geld hinterlegen
findet ohne Absicht statt.

Uns erfreut das bloße Sparen.
Geld persönlich macht nicht froh.
Regelmäßig nach paar Jahren
klaut Ihr’s uns ja sowieso.

Nehmt denn hin, was wir ersparten
und verluderts dann und wann.
Und erfindet noch paar Arten,
wie man pleite gehen kann.

Wieder ist es Euch gelungen,
wieder sind wir auf dem Hund,
unser Geld hat ausgerungen
– Ihr seid hoffentlich gesund.

Heiter stehn wir vor den Banken,
Armut ist der Mühe Lohn.
Bitte, bitte, nichts zu danken.
Keine Angst, wir gehen schon.

Und empfindet keine Reue.
Leider wurdet Ihr ertappt.
Doch wir halten Euch die Treue,
und dann sparen wir aufs Neue,
bis es wieder mal so klappt.“

Erich Kästner, erschienen in: „Gesang zwischen den Stühlen“, 1932. html

Liebe Mitstreitende,

es ist Zeit für eine Wende. Deshalb sind wir hier versammelt.

In den letzten 20 Jahren wurde die Universität, ebenso wie fast alle gesellschaftlichen Bereiche, die erhebliche Bedeutung haben zur Zivilisierung, Kultivierung und menschenwürdigen Entwicklung des Gemeinwesens, der Dienstbarkeit für schnöde ökonomische Interessen untergeordnet.

In den Wissenschaften durch Ba/Ma, Studiengebühren, Kürzungen von öffentlichen Hochschuletats zugunsten von Drittmittelfinanzierung aus der Wirtschaft, und gesellschaftlich durch die Verknappung von Wohnraum für Immobilienspekulation, Lohndrückerei mittels Kurz- und Leiharbeit, Aufweichung des Kündigungsschutzes, Arbeitsverdichtung, Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und erhebliche Steuersenkungen zugunsten einer Konzentration des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums bei einigen Wenigen.
Diese bevölkerungsfeindliche Politik hat die soziale Krise weltweit verschärft. Das Ergebnis spiegelt sich in dem hier dargestellten Zahlenverhältnis.

Aus einem Artikel der FAZ zum Weltvermögensbericht 2011:
„[…]Die Zahl der Ultrareichen, die mehr als 30 Millionen Dollar in Form von Immobilien, Wertpapierdepots, Luxusgütern und Sammlerobjekten angehäuft haben, ist im vergangenen Jahr weltweit auf 103.000 Personen gestiegen. Sie machen zwar nur 0,9 Prozent aller Millionäre aus, halten aber 36,1 Prozent des Vermögens der reichen Oberschicht.
Neben der klassischen Geldanlage gönnt sich die Oberschicht auch Luxusartikel und Sammelobjekte, und zwar nicht nur, um zu prassen und zu prahlen. Meist versuchen sie, außerhalb der Finanzmärkte eine nachhaltige Wertsteigerung für einen Teil ihres Kapitals zu sichern.
Etwa 22 Prozent ihrer Luxusinvestitionen stecken die Millionäre dieser Welt in kleinere, edle Sammelobjekte wie Schmuck, Diamanten und hochkarätige Uhren. Vor allem große Diamanten erzielten im vergangenen Jahr auf den Weltmärkten Rekordpreise wegen der hohen Nachfrage aus der Oberschicht.“

„ Mehr Vermögen als vor der Finanzkrise“, FAZ vom 23. Juni 2011. html

Das ist perspektivlos. Und wo der gemeinsame Widerstand gegen die unmenschliche Auspressung noch fehlt, sind die Folgen zunehmend Burnout und Depression.

Doch der Widerstand wächst.
Weltweit werden der zynischen Zerstörung Erkenntnis, Aufklärung und eine sich neu herausbildende Solidarität entgegengesetzt.
In Wisconsin (USA) besetzten Hunderttausende das Parlament um die Entrechtung der Gewerkschaften durch die reaktionäre Regierung des Bundesstaates zu verhindern. Über die Auseinandersetzungen haben sich Hochschulmitglieder und Lehrer bis hin zu Polizisten massenweise gewerkschaftlich organisiert und wollen nicht mehr mit Lohnsenkungen Kriege finanzieren. Die Bewegung bezieht sich positiv auf die Kämpfenden in Ägypten und Tunesien, wo die über Jahrzehnte unterdrückte Bevölkerung für soziale Progression und gesellschaftliche Demokratisierung mit dem Anspruch der Realisierung der eigenen Würde solidarisch streitet. In Chile und Großbritannien demonstrieren Studierende und Gewerkschaften gegen neoliberale Konzernpolitik und für öffentliche statt privatisierte Bildung und Gesundheit. In Griechenland, Spanien und Portugal, wo sich international agierende Banken auf Kosten der Bevölkerung gesundstoßen wollen, radikalisiert sich die Bewegung mit kapitalismuskritischen Forderungen. Überall geht es darum, gemeinsam Verfügung zu erlangen über die eigenen Lebensverhältnisse, um sie menschenwürdig und friedlich zu gestalten.

Diesem auch hierzulande immer stärker zur Geltung gebrachten Anspruch soll, um die bestehenden Herrschaftsverhältnisse aufrechterhalten zu können, ein Riegel vermeintlicher Sachzwänge vorgeschoben werden. Dafür wurde das Dogma der Schuldenbremse erfunden. Statt die öffentliche Armut, die mit Steuererleichterungen für die Reichen hergestellt wurde, mit Steuereinnahmen von diesen zu beseitigen, sollen uns die staatlichen Ausgaben für Bildung, Soziales und Kultur als das eigentliche Problem eingeredet werden, um folgefalsch die sozialstaatlichen Errungenschaften noch weiter zusammenzustreichen.

Dass Kürzungen nötig seien, ist schlichtweg Blödsinn.

Für Hamburg gilt, was die Schulden- und Vermögensuhr anzeigt:
Die Schulden sind zwar nicht gering, aber der private Reichtum des reichsten Zehntels der Hamburger ist fünfmal größer und wächst zehnmal schneller als die Schulden. Dieses Zehntel wird jährlich um 7 Milliarden Euro reicher. Die Schulden wachsen gerademal um 700 Mio. €. Wir hätten da einen Lösungsvorschlag…

Gegen die Kürzungspläne des Hamburger Senats hat die Vollversammlung aller Mitglieder der Universität Hamburg am 30.6.2011 festgestellt, dass die Hochschulen jährlich „vergleichsweise bescheidene“ 80 Mio. € mehr brauchen, denn:

„Die Universität will einen Beitrag zur zivilen, ökologisch nachhaltigen, sozial verantwortlichen und demokratischen Entwicklung der Gesellschaft leisten.“

Wissenschaft in diesem Sinne, heißt, die rationale Auseinandersetzung und den gemeinsamen Erkenntnisgewinn über die dringend zu lösenden Fragen der Menschheitsentwicklung – die Überwindung von Krieg und sozialer Ungleichheit, Konkurrenz, Massenarbeitslosigkeit und Depression als Volkskrankheit, die Realisierung von echter demokratischer Teilhabe Aller, ein produktives Mensch-Natur-Austauschverhältnis und Gesundheit für Alle – im universitären Alltag und gesellschaftlich zu verallgemeinern. Um die gesellschaftlichen Verhältnisse nach den menschlichen Ansprüchen einzurichten, statt umgekehrt.

Die Frage der Finanzierung von Wissenschaften ist demnach nicht nur eine des Geldes, sondern der gesellschaftlichen Entwicklungsrichtung.
Der gesellschaftlich erarbeitete Reichtum ist groß. Zu erwirken, dass er zukünftig zum Wohle Aller verwendet wird, ist unsere kollektive Aufgabe.

„In Erwägung, daß wir der Regierung
Was sie immer auch verspricht, nicht traun
Haben wir beschlossen, unter eigner Führung
Uns nunmehr ein gutes Leben aufzubaun.“

Bertholt Brecht „Resolution der Kommunarden“, geschrieben 1934. html

http://www.fsrk.de/artikel_262.html [Stand 15. Juli 2011]