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FSRK-Broschüre zu Studiengebühren

Bildung für Alle statt Studiengebühren

Der Wissenschaftssenator macht ernst. Anfang Mai hat er seinen Entwurf zur Änderung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) vorgelegt. Darin ist unter anderem vorgesehen, ab dem Sommersemester 2003 von einem Teil der Studierenden Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester zu kassieren.

Dem Wissenschaftssenator und anderen Lobbyisten von Studiengebühren geht es dabei nicht etwa um die finanzielle Stärkung der Hochschulen und um weit mehr als den in der Begründung zum Gesetz angegebenen "Anreiz zur Verkürzung der Studienzeiten". Mit der Einführung von Studiengebühren soll vielmehr ein von Verwertungslogik und Standortideologie bestimmtes Verständnis von Bildung und Wissenschaft durchgesetzt werden.

Beseitigt werden soll ein kritisches Verständnis der gesellschaftlichen Verantwortung der Hochschulen, wonach deren Mitglieder im kooperativen Prozeß wissenschaftlicher Tätigkeit zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen und dabei in der Aneignung der Welt eigene verallgemeinerbare Interessen Erkennen und einen höheren Grad gemeinsamer Handlungsfähigkeit erlangen.

Dafür fungieren Studiengebühren in besonderer Weise. Durch die Kostenpflichtigkeit wird das Studium zu einer Ware degradiert. Die Studierenden sollen also Bildung für alle nicht als Recht und gesellschaftliche Notwendigkeit, sondern als Investition in die individuelle Karriere begreifen. Bildung wird somit zu etwas Äußerlichem. Entsprechend sollen Inhalt und Form des Studiums dann auch nicht mehr gemeinsam von den Hochschulmitgliedern in den Selbstverwaltungsgremien entwickelt, sondern vom Angebot-Nachfrage-Prinzip bestimmt werden. An die Stelle der Kooperation tritt das Kunden-Dienstleister Verhältnis.

Das hat durchschlagende Wirkung auf die Inhalte der Wissenschaft: Unter dem sozialen Druck der Belastung durch Studiengebühren verlangen die Kunden Studierende dem Dienstleister Hochschule vor allem das ab, was unmittelbar der Karriere dienlich sein kann. Der Karriere dienlich ist aber nur das, was künftige Arbeitgeber in Gewinne umsetzen können. Studieninhalte oder ganze Studiengänge, die diese Kriterium nicht erfüllen, sollen aus den Hochschulen verschwinden. Auf diese Weise soll also mittels Studiengebühren die Profitorientierung des Hochschulstudiums durchgesetzt werden, zumindest nach der Vorstellung ihrer Befürworter.

Um Studiengebühren und die damit verbundene Entdemokratisierung und Kommerzialisierung von Bildung und Wissenschaft durchsetzungsfähig zu machen, wollen sich ihre Befürworter die bereits jetzt schon schwierige soziale Lage der Studierenden zu nutze machen. So soll alleine schon die Ankündigung der Studiengebühren dazu führen, daß die Studierenden, statt sich gegen die Einführung begründet zur Wehr zu setzen, eiligst ihr Studium durchziehen und zu Ende führen. Wer dies durchschaut kann sich jedoch zur Wehr setzen und für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung kritischer Wissenschaft und humanistischer Bildung streiten. Dafür eine Grundlage zu schaffen, wollen wir mit dieser Broschüre unter anderem ermöglichen.

Der Gesetzentwurf

Aus dem Referentenentwurf der Hamburger Behörde für Wissenschaft und Forschung für das "Hochschulmodernisierungsgestz" zur Änderung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG):

§6 (5) Die Hochschulen können auf Grund von Satzungen Gebühren und Entgelte für besondere Leistungen und für die Benutzung ihrer Einrichtungen erheben (Gebührensatzungen). Für das weiterbildende sowie das Seniorenstudium werden mindestens kostendeckende Gebühren erhoben.

(6) Das Studium in Studiengängen nach § 52 und in Bachelor- und Masterstudiengängen nach § 54 ist grundsätzlich gebührenfrei. Studierende solcher Studiengänge verfügen über ein einmaliges Studienguthaben in Höhe der Semesterzahl der Regelstudienzeit zuzüglich vier weiterer Semester; bei konsekutiven Studiengängen nach § 54 Absatz 3 werden die Regelstudienzeiten des Bachelor- und des Masterstudiengangs zusammengezählt. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für postgraduale Masterprogramme.

(7) Soweit kein Studienguthaben nach Absatz 6 Satz 2 mehr zur Verfügung steht, erheben die Hochschulen für die in Absatz 6 Satz 1 genannten Studiengänge Studiengebühren nach den folgenden Absätzen.

(8) Die Studiengebühren betragen für jedes Semester 500 Euro. [...]

Die Modelle

Im Folgenden werden diejenigen Studiengebührenmodelle vorgestellt und kritisiert, die sich aktuell in der Diskussion befinden, bzw. in einigen Bundesländern bereits eingeführt sind.

Das Verwaltungs-/Einschreibe-/Semestergebührenmodell

In diesem Modell ist vorgesehen, daß die Studierenden jedes Semester einen Beitrag für den "Verwaltungsaufwand" bei der Einschreibung entrichten. Dieser Beitrag liegt meist zwischen 25 und 100 Euro. So sehr auch behauptet wird, die Studierenden zahlten ja nicht für das Studium selber, gilt letztendlich auch bei diesem Modell, daß für die Möglichkeit zu Studieren Gebühren entrichtet werden müssen. Die künstliche Trennung des finanziellen Aufwands für ein Studium in Verwaltungskosten und Kosten für die Lehre und der im Vergleich zu anderen Modellen niedrige Betrag haben deshalb wesentlich die Funktion, die Akzeptanz für Gebührenerhebung zu erhöhen. Verwaltungsgebühren sind Studiengebühren und deshalb aus den zuvor dargelegten Gründen abzulehnen.

Das Langzeitgebührenmodell

Im Rahmen dieses Modells sollen die Studierenden ab einer bestimmten Semesterzahl, meist 4 Semester über der "Regelstudienzeit", Gebühren entrichten. Diese liegen in der Regel zwischen 250 und 750 Euro. Die kritisierenswerten Kernelemente von Studiengebühren sind in diesem Modell voll enthalten. Mit der Befristung des gebührenfreien Studiums werden Bildung und Wissenschaft von einer gesellschaftlichen Notwendigkeit und einem allgemeinen Recht zu einer "knappen Resource" deren Erwerb nur begrenzt "gewährt" wird. Der ökonomische Druck, dies zu akzeptieren und ein entsprechend beschränktes Studienverhalten zu realisieren lastet dabei nicht nur auf denjenigen, die dann tatsächlich "zu lange" studiert haben, sondern auch auf allen anderen, weil sie vermeiden müssen, eine gebührenpflichtige Semesterzahl zu erreichen. Mit der Unterscheidung zwischen "Normal"- und "Langzeit"studierenden, soll zudem die Studierendenschaft entsolidarisiert und zur gegenseitigen Kontrolle angeregt werden.
Auch Langzeitgebühren sind deshalb grundsätzlich abzulehnen.

Das Studienkontenmodell

Hierbei handelt es sich um eine Variante der Langzeitgebühren. Begrenzt wird in diesem Modell die Zahl der Seminarstunden, die gebührenfrei studiert werden dürfen. Dabei kommt mit der Bezeichnung "Konten" besonders deutlich der so angestrebte Warencharakter von Bildung und Wissenschaft zum Ausdruck. Hier greift dieselbe Kritik, wie auch schon bei den Langzeitgebühren, zumal, weil das Studienkontenmodell meist auch eine maximale Semesterzahl beinhaltet, bei der das "Studienguthaben" verfällt.
Das Studienkontenmodell ist also, wie alle Studiengebühren abzulehnen.

Das Studiendarlehenmodell

Dieses Modell wurde erarbeitet vom "Centrum für Hochschulentwicklung", einem Ableger des Bertelsmannkonzerns (AOL u.v.m.). Die Studierenden sollen demnach zwischen 500 und 1000 Euro in jedem Studiensemester bezahlen. Hierfür können sie ein verzinstes Darlehen bei beliebigen Kreditanstalten aufnehmen, das einkommensabhängig zurück gezahlt werden muß. Die Risikobürgschaft für eventuelle Rückzahlungsausfälle sollen allerdings staatliche Institutionen übernehmen.
Bei diesem Modell ist die Privatisierung und Kommerzialisierung von Bildung und Wissenschaft besonders ausgeprägt, weil das Studium vom ersten Moment an individuell käuflich erworben werden muß ("Gegenleistung für private Vorteile"). Zudem gehen nach bester Manier neoliberaler Wirtschaftspolitik die sich aus diesem Modell ergebenden Gewinne (Zinsen) an privatwirtschaftliche Unternehmen (Banken), während mögliche Verluste (ausbleibende Rückzahlungen) staatlich getragen werden sollen. Daß ein Unternehmen wie Bertelsmann das gerne so hätte, ist verständlich, daß aus studentischer Sicht und im Interesse der Mehrheit der Menschen das Studiendarlehnmodell abzulehnen ist, selbstverständlich.

Bundesländer

Welche Studiengebühren gibt es wo?

Baden-Württemberg: Gebühren für Langzeitstudierende seit 1997 in Höhe von 512 Euro
Bayern: Gebühren für ein Zweitstudium in Höhe von 511 Euro
Berlin: Rückmeldegebühren von 51 Euro
Brandenburg: Rückmelde- und Immatrikulationsgebühren von 51 Euro
Niedersachsen: Semestergebühren in Höhe von 51 Euro und Langzeitstudiengebühren ab Sommersemerster 2003 in Höhe von 551 Euro
Saarland: Gebühren für Langzeitstudierende seit 01. April 2002 in Höhe von 500 Euro
Sachsen: Gebühren für ein Zweitstudium in Höhe von 307 Euro

Außerdem gibt es in mehreren Bundesländern konkrete Überlegungen zur Einführung von Studiengebühren. Dabei wird in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Hamburg ein Studienkontenmodell bzw. Langzeitstudiengebührenmodell geplant.

Bislang keine Gebühren gibt es in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen.

Ein paar Pro und Kontra "Studiengebühren"

"Die Förderung der Forschung wird als primäre Aufgabe des Staates gesehen, vor allem in jenen Bereichen, die der Markt nicht oder nur unzureichend simuliert, die jedoch für die Weiterentwicklung der Wissenschaft und Gesellschaft langfristig unentbehrlich sind. ..."

Auschnitt aus einer Frage der Österreichischen Regierung an den Rat für Forschung und Technologieentwicklung.

Der erste Schritt zur Einführung von Studiengebühren wird über die Langzeitstudierenden gemacht. Diese Form der "Strafgebühr" gilt als Vorreiter zur Erprobung struktureller Veränderungen der Hochschulen in denen sich der Student als Konsument einer für ihn massgeschneiderten Bildung sehen soll.

Doch nicht alles was einem zum Verkauf angeboten wird, muss käuflich sein.

Bildung gehört dazu.

Hier ein paar übliche Argumente Pro "STUDIENGEBÜHREN" und mögliche Kontra-Argumente. Da wir unsere grundsätzliche Kritik an den Studiengebühren bereits ausgeführt haben, beziehen wir im Folgenden unser Kontra auf die Argumentationsebene des jeweiligen PRO.

I. Pro: Langzeitstudierende Schmarotzer

Langzeitstudierende sind Wissensschmarotzer und Arbeitsdrückeberger. Sie blockieren Studienplätze auf Kosten der nachfolgenden Studierenden. Durch die lange Inanspruchnahme der universitären Einrichtungen sind sie für höhere Kosten verantwortlich und sollten diese durch eine Strafgebühr wieder einbringen.

Kontra: Verantwortungsbewusste Langzeitsstudierende

Eine Verlängerung des Studiums ist nicht immer dem Willen der Studierenden unterlegen. Schlechte Ausstattung der Hochschule, mangelndes Personal schafft ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen eines Studiengangs und der effektiven Umsetzung der dabei mangelnden Angebote. Ausseruniversitäre Verbindlichkeiten in Familie oder eigener Finanzierung (Nebenerwerb) verlängern das Studium ebenso ungewollt, wie Engagement in Politik und Sozialwesen, welches - mit einer bestimmten Orientierung - gerade dazu beitragen kann, daß besser Studienplätze für mehr nachfolgende Studierende erkämpft werden. Ansonsten gilt erstens: Langzeitstudierende haben keine Bedeutung für die Zulassung anderer Studierender, weil die Zulassungszahlen anhand der Lehrkapazitäten berechnet werden, und zweitens: "Die sogenannte "kleine Lösung" von Strafgebühren für Langzeitstudierenden wird abgelehnt, u.a. weil die Verwaltungskosten im Verhältnis zu den Einnahmen zu gross sei." (Diskussionspapier des 177. HRK-Plenums 1993)

II. Pro: Wohin kommen wir?

In den Ländern in den Studiengebühren eingeführt wurden, ist die Anzahl der Studienanfänger gestiegen, da diese zusätzliche Einnahmequelle dazu führte, dass die Ausstattung der Hochschule und damit ihre Attraktivität erhöht werden konnte.

Kontra: Wohin gehen wir?

Wenn nicht in allen Bundesländern gemeinsam eine Durchsetzung von Studiengebühren erfolgt, wird dem willigen Studierenden die Wahl erschwert, wo er ein Studium aufnehmen kann. Dies und die Gebühr als solches verunsichert den zukünftigen Studierenden und führt zum einen zu rückläufigen Zahlen Studiumswilliger und zum anderen zu erhöhter Abwanderung nicht nur in gebührenfreie Bundesländer sondern auch in gebührenfreie Länder wie Luxemburg, Dänemark u.a.

Es kann aber nicht im Sinne des Betrachters liegen, Studienanfänger zu zwingen ihr Bundesland oder gar ihr Geburtsland zu verlassen um ein kostenloses Studium aufnehmen zu können. Ebenso werden bereits Studierende gezwungen ihren Studienort zu wechseln. Was zu einer finanziellen Mehrbelastung und einer damit meist verbunden Studienverlängerung führt. Die Umorientierung Studierender zu gebührenfreien Hochsschulen bedeutet für diese eine nicht absehbare Erhöhung ihrer Kosten, deren Umsetzung meist in einer entsprechenden Mehrbelastung der betroffenen Länder führt und damit langfristig ebenfalls über Studiengebühren oder anderem eingeholt werden müssen. Wohin soll der Studierenden dann noch hin?

III. Recht und Unrecht §1

"Keine Studiengebühren sind unsozial, da der "kleine" nicht studierende Steuerzahler für die besseren Berufsaussichten der "priviligierten" Akademiker bezahlt." (Analyse der Umverteilungseffekte von Prof. Dr. Grüske 1994)

Recht und Unrecht §2

„Die untere Einkommensgruppe tragen relativ wenig zur Finanzierung der Hochschule bei . Sie sind im Endeffekt "Nettogewinner". Akademiker zahlen bei " sicherer Arbeitslage " höhere Einkommenssteuer, diese gleicht bei weitem die staatlliche Finanzierung aus.“ (Gegenuntersuchung Sturm/Wohlfahrt)

Recht und Unrecht §3

Wer arbeitet und Lohn erhält, zahlt Steuern
Wer mehr arbeitet und mehr Lohn erhält, zahlt mehr Steuern
Wer andere für sich arbeiten lässt und richtig dabei verdient bekommt Subventionen und zahlt gar keine Steuern.

Kommt Euch da auch was nicht richtig vor?

IV. Pro:Angebot und Nachfrage!

Studiengebühren etablieren ein Angebot-Nachfrager-Verhältnis zwischen Hochschulen und Studierenden. Die Mittelvergabe bzw. das Angebot ist regulierbar durch die unmittelbare Mitfinanzierung und ihrem damit finanzierten Recht auf Evaluationen und der nach Bedürfnissen geordneten Veränderung zum optimalen Studium.

Diese Form des Mitbestimmungsrechts führt zu gezielten Innovations.- und Qualitätsanreizen in der Ausbildung.

Kontra: Angebot und Nachfrage?

Das Problem von Angebot und Nachfrage müsste sich gar nicht erst ergeben, wenn die Bildungspolitik durch angepasste Hochschulfinanzierung eine kontinuierliche Verbesserung der Lehre bzw. Ausbildung ermöglicht.

Es kann nicht die Aufgabe des Studierenden sein, seine Ausbildung einzuschränken in dem er sich durch Studiengebühren ein zwar "marktorientiertes" aber allgemein vermindertes Wissen "erkauft". Dies führt zur einseitigen Bildung und vermindert Produktive Tätigkeit auf dem erreichten Niveau wissenschaftlich-technischer Entwicklung.

Die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen und spezifischen Studienausprägung wird mit dieser " Bildungsminimierung " erheblich eingeschränkt, ebenso die persönliche Individualität. Ein Marktorientiertes Studium widerspricht dem menschlichem Bedürfnis nach freier Entfaltung.

V. Pro: Wettbewerb

Studiengebühren schaffen Anreize zu wirtschaftlichen Handeln bei den Hochschulen und den Studierenden.

Die Hochschulen erhalten direkt aus einem Pool ihre zusätzlichen Mittel und sind in der Lage im Wettbewerb um die Studierenden ihre Angebote qualifiziert und marktgerecht zu gestalten. Bei erhöhter Marktorientierung wird automatisch die Atraktivität der Hochschule erhöht. Die damit verbundene Minimierung der Studiendauer führt zur Verminderung von Kosten (Krediten) nach Beendigung des Studiums. Ein zusätzliche Anreiz besteht in der Förderung von Bacheolor.- und Master-Studiengängen.

Kontra: Konkurrenz

Marktorientierung - abgesehen von ihrer Unflexibilität - ist auf unmittelbare gesellschaftliche Anforderungen gerichtet. Sind diese erfüllt, muss die Orientierung auf neue Anforderungen umgeändert werden. Dies beinhaltet eine ständige Umstruktuierung der Hochschulen je nach Marktausrichtung und bedeutet einen ständigen Wechsel von Lehrangeboten und den mit ihnen verbundenen Lehrenden, wollen die Hochschulen mit dem meist schnelllebigen Markt mithalten. Die dabei entstehenden Kosten dürften ins astronomische ausufern.

Der enorme Druck der Marktorientierung fördert lediglich den Konkurrenzkampf zwischen den Hochschulen und ihrer Mitglieder und geht über die Leichen nicht marktorientierter Fächer, der Freiheit von Bildung und Wissenschaft, der Vermittlung von Forschung untereinander und miteinander, sowie der Förderung von kritischer Betrachtung der Gesellschaft in ihrer geschichtlichen und politischen Position.

Eine staatliche bedarfsdeckende Finanzierung der Hochschulen und eine elternunabhängige soziale Absicherung Studierender wäre eine bessere Investition des Staates in seine Zukunft, als darauf zu bauen, dass es die Wirtschaft schon richten wird.

VI. Pro: Was dem einen seine Freud, ...

Studiengebühren helfen Gerechtigkeit im Sinne von Leistung und Gegenleistung zu schaffen. Durch die qualifizierte Ausbildung erschaffen sie sich einen privaten Vorteil.

Kontra: ... ist dem anderen sein Leid

Eine, selbst wenn qualifizierte, trotzdem recht einseitige Ausbildung schafft Fachidioten und gewährleistet nicht eine gut bezahlte und krisensichere Anstellung.

In den letzten Jahren ist die Arbeitsmarktpolitik unberechenbar geworden, Expansionen von Firmen zu ausländischen Arbeitsmärkten, Rationalisierung und fortschreitende Spezialisierung mitunter recht kurzlebiger Märkte macht es ausgesprochen schwierig mit einseitig marktorientierter Ausbildung lange marktfähig zu sein.

Die Minimierung von Leistungsfähigkeit in einer schnellebigen Gesellschaft verhilft dem Fachidioten schneller zur Arbeitslosigkeit als dem Studierenden der sich durch ein weitgefächertes Angebot im Studium geschult, flexibler und kritischer auf gesellschaftliche Entwicklung beziehen kann.

Ansonsten gilt: Arbeitslosigkeit kann nur durch die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen beseitigt werden.

VII. Pro: Wer soll das bezahlen,..

Studiengebühren helfen die Unterfinanzierung der Hochschulen zu minimieren.

Kontra: ..wer hat soviel Geld?

Es sollte nicht Aufgabe der Studierenden sein, bildungspolitische Fehlentscheidungen mit Geld aus seiner eigenen Tasche zu bezahlen. Schon gar nicht, wenn diese Entscheidungen wirtschaftlich gewollt sind. Das Bedürfnis der Wirtschaft sich selbstbezahlende Auszubildende herbeizuzwingen, führt zu dem Verdacht, die Kosten eigener Ausbildungsplätze vorsätzlich senken zu wollen um ihren allgemeinen Profit zu erhöhen.

Auch sollte es nicht Aufgabe der Studierenden sein, mit der Zahlung von Studiengebühren von der vehementen Unterfinanzierung der staatlichen Hochschulen abzulenken.

Zur Geschichte

Studiengebühren fallen

In einer ersten gemeinsamen Aktion von Uni- und Fachhochschulasten werden die Hamburger Studierenden im April aufgefordert, keine Studiengebühren mehr zu zahlen. Für die Uni sind es 150,- DM pro Semester. Der ASTA sieht in den Studiengebühren einen abzulehnenden Selektionsmechanismus im Bildungsbereich. Mit den Studiengebühren wurden in früheren Zeiten die Universitäten finanziert. 1970 macht der studentische Beitrag nur einen geringen Anteil am Etat der Universität aus. In Hamburg folgen dem Boykottaufruf rund 6.000 Studierende.

Auch in anderen Bundesländern wird zum Gebührenstreik aufgerufen; Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verzichten daraufhin bereits für das laufende Semester auf die Erhebung von Studiengebühren. Am 16. April beschließt die Konferenz der Ministerpräsidenten, daß ab dem Wintersemester 70/71 keine Studiengebühren mehr von den Universitäten erhoben werden.

Der Gebührenstreik wird in Hamburg aufrechterhalten, weil die Studiengebühren sofort abgeschafft werden sollen. Die Zahlungen der Beiträge für die Krankenkasse von 75,- DM, für das Studentenwerk von 10,90 DM und den ASTA von 9,- DM sollen selbstverständlich weiter gezahlt werden.

Präsident Fischer-Appelt erklärt anfangs, keine Zwangsmaßnahmen folgen zu lassen, modifiziert seine Ausführungen jedoch schon bald in Drohungen. Letztlich wird zwischen Universität und ASTA die Vereinbarung getroffen, daß der ASTA den Verweigerern Formulare aushändigen soll, die von der Universitätskasse als Befreiung von der Studiengebühr akzeptiert werden.

Kampf gegen Studiengebühren - Solidarität gegen Rechts!

"[...] Wir werden zusammenarbeiten mit denen, die sich gegen den Abbau sozialer Leistungen, gegen den Ausverkauf des Gesundheitswesens, gegen die Kürzungen bei den Schulen, gegen die Privatisierung der Berufsschulen, gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Stadt, gegen das Verscherbeln des staatlichen Wohnungswesen, gegen den Kahlschlag von Projekten der Gleichstellungspolitik und gegen die Absage an egalitäre Ausländerpolitik wenden. Gemeinsam richten wir uns gegen eine Senatspolitik, die den Menschen als Faktor für den Standort begreift und mit Bündnispartnern aus den genannten Bereichen streiten wir für die Verbesserung der sozialen Lage aller Menschen."

Resolution der studentischen Vollversammlung an der Uni Hamburg, 15.05.2002

Die mit der Einführung von Studiengebühren beabsichtigte Kommerzialisierung und Privatisierung von Bildung und Wissenschaft ist Bestandteil einer allgemeinen politischen Orientierung des Hamburger Senats. Sozialstaatliche Errungenschaften werden radikal abgewickelt, staatliche Institutionen der Bildung, Kultur und Gesundheit privatisiert und die staatlichen Aufgaben darauf reduziert, infrastrukturelle Voraussetzungen für die Profitmehrung der Unternehmen zu schaffen.

Für die sich aufgrund einer solchen Politik zuspitzenden sozialen Widersprüche, müssen Sündenböcke geschaffen werden. Studierende werden deshalb als Faulenzer, Arbeitslose als Schmarotzer und Ausländer als kriminelle denunziert und ansonsten sind linke "alt68ger" sowieso an allem Schuld. Gegen diejenigen, die sich immer noch nicht unterordnen wollen, werden staatliche Repressionen ausgebaut.

Die Konzepte für "Innere Sicherheit" und diese Wirtschafts-, Verkehrs-, und Bildungspolitik ließen sich, bevor sie in den Parteiprogrammen und Koalitionsvereinbarungen auftauchten, in den Broschüren der Hamburger Handelskammer nachlesen. Entsprechend wurden Studiengebühren zuerst vom Deutschen Industrie- und Handelstag in die bundesrepublikanische Hochschuldiskussion gebracht und betreiben solche Institutionen, wie das "Centrum für Hochschulentwicklung" als Ableger des Bertelsmannkonzerns, die Entwicklung von Gebührenmodellen.

So wird deutlich, daß hier eine Politik im Interesse einiger Weniger (die die Profite einheimsen) auf Kosten der Mehrheit der Menschen (die diese erarbeiten) betrieben wird.

Um Studiengebühren zu verhindern und für die Entwicklung einer demokratischen und kritischen Hochschule zu wirken, muß deshalb gemeinsam mit fortschrittlichen Bündnispartnern aus den unterschiedlichen sozialen Bereichen gegen die anti-humanistische Politik des Rechtssenats gestritten werden. Genauso, wie für eine allgemeine demokratische Entwicklung der Gesellschaft und für die Verbesserungen der sozialen Lage der Mehrheit der Menschen diese gemeinsam auch gegen Studiengebühren kämpfen müssen.

Informations-Veranstaltung:
Protest gegen Studiengebühren - Form oder Inhalt?

Mit:
Klemens Himpele, AStA Uni Köln (NRW),
juso-hochschulgruppen-Vertreter im Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) Georg Brockmeyer, ehem. Geschäftsführer der Kampagne gegen Studiengebühren von der österreichischen HochschulschülerInnenschaft
Mittwoch, 12. Juni, 18.30 Uhr, im Cafe Paranoia,
Raum W132, PI-Gebäude, Von-Melle-Park 8

http://www.fsrk.de/artikel_243.html [Stand 11. Juni 2002]


FSRK-Broschüre zu Studiengebühren