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FSRK

Informationsbroschüre der Fachschaftsrätekonferenz

Sommersemester 2011

Inhalt

Wenn alles äußerlich wird...
Zurück, zurück, wir müssen voran
Ein Blick in die Geschichte des Ba/Ma-Systems für seine progressive Überschreitung.

Malöhr Nadelöhr
Über den Unsinn des Selektionsinstruments Note

Gebührenfreiheit – wem nützt es?
Wieso die Studiengebührendiskussion jetzt nochmal einen Turbo braucht.

Die Universität funktioniert nur demokratisch
Was mit ‚Redemokratisierung der Uni‘ gemeint ist.

Von der Verunsicherung zur produktiven Unruhe
Plädoyer für die Assoziierung in Fachschaftsräten und FSRK

Die Arbeit der FSRe und der FSRK


Wenn alles äußerlich wird...

„»Es reicht nicht, nur Fachwissen zu erwerben«, erklärt Birgit Roßmanith vom Zentrum für Schlüsselkompetenzen an der Universität in Saarbrücken. Studenten müssten auch in der Lage sein, dieses Wissen später im Beruf einzubringen. Das lässt sich durchaus lernen. Soft Skills sind dabei sowohl im Berufsleben als auch im Studium wichtig. Denn gerade in den verschulten Bachelorstudiengängen sind gutes Zeitmanagement und Stressresistenz unerlässlich. Und später müssen Absolventen sich gut verkaufen können, um einen Job zu finden. Denn keine Firma will einen verstockten Fachidioten haben. In der Betriebspraxis sind vielmehr Experten gefragt, die schwierige Dinge verständlich erklären können und Teamplayer sind.“

Süddeutsche Zeitung, „Wer flirten kann, ist teamfähig“, 4. Okt. 2010

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An der Uni Potsdam konnten „angehende IT-Ingenieure in den vergangenen Semestern sogar das Flirten per SMS und E-Mail üben“ und an der Uni Saarbrücken gibt es „Interkulturelles Teambuilding als Outdoor-Training“ (a.a.O.). Dabei geht es um das Erlernen kooperativer „Problembewältigung“ durch Rollenspiele im Wald.

So einfältig werden akademische Lehranstalten, wenn sie sich vollständig den Forderungen der privaten Wirtschaft unterwerfen.

Aber was hat das mit Wissenschaft als kritisch eingreifendem Verständnis vom wirklichen Leben zu tun?

Ja, „die“ Wirtschaft boomt wieder und ihre Wortführer klagen herzergreifend: Fachkräfte seien rar und das rohstoffarme Deutschland werde mit Haut und Haaren gefressen, wenn es sich nicht kompetente, kreative, kommunikative, kooperative Akademikerinnen und Akademiker in großer Zahl heranzöge. „Von Oben“ betrachtet ist das Studium also für den Standort da. Subjektiv sei es für den Lebenslauf, den Aufstieg, die Erwerbsmöglichkeiten, die soziale Sicherung in politisch prekär gehaltenen Verhältnissen.

Studieren für das Verkaufen und Kaufen, für die „Employability“ auf dem irrationalen Arbeitsmarkt beinhaltet immer die Forderung nach Soft Skills – also „weichen Fertigkeiten“ – für die reibungslose Verwertung der Ware Mensch: aus Freundlichkeit wird Heuchelei, an die Stelle der Argumentation tritt das Verkaufsgespräch, Zusammenarbeit wird ersetzt durch Selektionsprozesse, Solidarität wird in manipulative Sozialkompetenz verdreht, Motivation ist Streberei und Wahrheitsfindung wird verdrängt durch gesponsorte Lügen. Alles Oberfläche. Alles falsch.

Damit soll künftigen Beschäftigten Anpassungsbereitschaft für immer steigende Gewinnkurven vermittelt werden. „Allgemeine Berufsqualifizierende Kompetenzen“ (ABK) wird diese Unsitte zuweilen genannt, mit der die Einfühlung in die Forderungen der Arbeitgeber, in die Fähigkeiten der Mitarbeiter (in strenger Hierarchie) und in die Kundenwünsche trainiert werden. Wie stelle ich mich dar? Wie komme ich durch? Wie ecke ich nicht an?
Während dabei scheinbar egal ist, wofür auf diese Weise motiviert, trainiert, gepracticed, geteamt und geleadet wird, geht es in Wirklichkeit darum, daß bei potentiellen Arbeitgebern die Kassen klingeln sollen.

Mit der Steigerung von Wohlfahrt, von kultureller Anregung und Genüssen, von Erkenntnissen über die Welt, wie sie wirklich ist, mit rationaler und menschenfreundlicher Bezugnahme und heiterer Produktivität für vernünftige Gebrauchswerte hat das nun gar nichts zu tun.

Studium sollte aber ein gemeinsamer Prozeß des handlungsorientierten Welterkennens (und Verbesserns!) sein und nicht die Politur für die modernisierten Schachfiguren einer reichen, krisenhaften und kriegslüsternen Industriegesellschaft.

Die Deformation der Universität zur Anstalt der stromlinienförmigen Menschenzurichtung schafft Verdruß. Deshalb wird die Universität als Lebens- und Gestaltungsort auch zunehmend gemieden. (Die Zufluchtsstätten sind allerdings selten vernünftiger.)

Universität kann aber auch ganz anders sein. Als Ort der Wahrheitserkenntnis und argumentativen Verständigung, der Analyse und Kritik gesellschaftlicher Zusammenhänge und Zumutungen, als Ausgangspunkt gesellschaftlicher Verbesserungen im lokalen und internationalen Maßstab, als Möglichkeit solidarischer Selbstorganisation und als Motor einer humanen Entwicklung der ganzen Gesellschaft. Dafür sind sie als (teil-)demokratische Einrichtungen bereits erkämpft und jetzt, gegen die Folgen von 20jähriger neoliberaler Verwurstung, neu zu bestimmen.
Dabei öffnet die aufgeklärte, widerständige Praxis gegen scheinbare Sachzwänge den Blick für das Menschenmögliche. Die Welt braucht Heilung. Die Gesellschaft bedarf einer Renaissance von Solidarität. Bildung heißt auch, die Bedingungen des Lebens menschenwürdig zu gestalten. Sinnvolle Bildung ist Emanzipation als durchdachte soziale Bewegung.

Für gemeinsames oppositionelles Eingreifen findet Ihr deshalb in dieser Broschüre Einschätzungen zur Ursache, Funktionsweise und Alternative der Bologna-Deform, Anregungen zur lebendigen Erweiterung der Hochschuldemokratie als Teil gesellschaftlicher Demokratisierung, eine Bilanz und Perspektiven des Kampfes für Gebührenfreiheit und Hinweise für das eigene, verallgemeinerbare Engagement.

„Über den Zweifel
Me-tis Schüler Do verfocht den Standpunkt, man müsse an allem zweifeln, was man nicht mit eigenen Augen sähe. Er wurde wegen dieses negativen Standpunkts beschimpft und verließ das Haus unzufrieden. Nach einer kurzen Zeit kehrte er zurück und sagte auf der Schwelle: Ich muß mich berichtigen. Man muß auch bezweifeln, was man mit eigenen Augen sieht.
Gefragt, was denn den Zweifeln eine Grenze setze, sagte Do:
Der Wunsch zu handeln.“

Bert Brecht, „Me-ti, Buch der Wendungen“, in den 1930er Jahren.

Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre und ein bewegungsreiches Sommersemester 2011!


Zurück, zurück, wir müssen voran

Ein Blick in die Geschichte des Ba/Ma-Systems
für seine progressive Überschreitung.

Inhalt:
a) Das Scheitern.
b) Warum überhaupt Bachelor/Master…
c) … und wer hat eigentlich Schuld?
d) Einschub eins: Mythos Bologna.
e) Einschub zwei: Was unterscheidet den Bachelor von den klassischen Studiengängen?
f) Ausblick

a) Das Scheitern.

Das Bachelor/Master-System ist in jeder Hinsicht ein desaströser Reinfall.

Nicht einmal die Versprechen, die einst zur Rechtfertigung seiner Einführung vorgetragen wurden, sind eingehalten worden: Die „Abbrecherquoten“ sind ebenso gestiegen wie die soziale Selektion beim Hochschulzugang [1], der Hochschulwechsel während des Studiums ist sowohl innerhalb der Bundesrepublik als auch Europas so kompliziert wie noch nie [2] und mit den starren Modulen wird zwar jedem Studierenden eingebläut, welche Veranstaltungen zu besuchen sind, eine inhaltliche und gar nachvollziehbare Strukturierung des Studiums erschließt sich jedoch nur in den seltensten Fällen. Einzig das Vorhaben der „verkürzten Regelstudienzeit“ ist erschreckende Wirklichkeit geworden und führt dazu, daß die in sechs Semestern Schnell-Studium erwerbbaren „Qualifikationen“ selbst den Ausbeutungsanforderungen der potentiellen Arbeitgeber nicht genügen. In diesem Zuge formuliert selbst die FAZ als Sprachrohr der Konzerninteressen Kritik an der „zu strengen“ Zurichtung der Universitäten auf betriebswirtschaftliche Nützlichkeitsindikatoren. Ihre Lösungsvorschläge bleiben aber innerhalb der eigenen Unlogik. Mehr Interdisziplinarität, Kreativität, individuelle Profilierungsmöglichkeiten sollen einer verbesserten Verwertbarkeit dienen. Ein emanzipatorischer Anspruch wird selbstverständlich Lehre und Forschung nach wie vor nicht zugestanden. Man schaufelt sich ungern sein eigenes Grab, indem man Mensch die notwendigen Erkenntnisse ermöglicht, um kollektiv und solidarisch über die eigenen Lebensbedingungen zu verfügen.

Vor allem scheitert das gestufte Studium an den Entwicklungsherausforderungen der Gesellschaft. Ob Wirtschaftskrise, Armut und Hunger, die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, die Militarisierung internationaler Beziehungen oder die Krise des Bildungswesens selbst: die Welt bedarf dringend kritischer Erkenntnisse für die Überwindung der allgegenwärtigen Probleme und aufgeklärte Menschen, die diese Erkenntnisse praktisch verallgemeinern. Das Bachelor/Master-System jedoch hat Lehrende und Studierende in ein derart enges Korsett abzuarbeitender formaler Aufgaben geschnürt, daß für lebendigen Austausch, frischen Wind in den Wissenschaften oder auch nur einen Hauch Kreativität schlicht der Atem fehlt.

Das Ding ist also im Eimer, und die internationalen studentischen Proteste und Hörsaalbesetzungen im Wintersemester 2009 haben unter anderem dies nachdrücklich problematisiert. Seit dem steht die „Reform der Reform“ ebenso auf der hochschulpolitischen Tagesordnung wie die nicht tot zu kriegende (und vernünftige) Forderung nach dem Ausstieg. Seitdem ist der Prozess einer vernünftigen Studienreform aber auch ein großes Hängen und Würgen (die Konferenz „Schöne neue Bildung?“ in der EPB-Fakultät bildet hier eine erfreuliche Ausnahme, um deren materielle Konsequenzen aber noch zu kämpfen ist).

Warum das so ist und wie wir das ändern können, soll Gegenstand dieses Artikels sein.

b) Warum überhaupt Bachelor/Master…

Angesichts der desaströsen Auswirkung der gestuften Studiengänge springt einen die Frage an, warum der Mist überhaupt eingeführt wurde?

Für die Ausrichtung von Bildung und Wissenschaft sowie ihrer Subjekte auf ihre unmittelbar profitable Verwertbarkeit. Zur Begründung lohnt ein Blick in die jüngere Geschichte.

Im Adenauer-Deutschland nach 1945 diente das Hochschulstudium der Ausbildung der funktionalen Eliten: Es ging um die intellektuelle Herrschaftssicherung im restaurierten Kapitalismus.

Die 68er wendeten sich gegen diese reaktionäre bis faschistische Kontinuität (einstige Chargen des braunen Regimes in Staatsämtern und auf Professorenstellen gehörten zum Alltag), gegen den Kalten und den Vietnamkrieg sowie gegen den Muff der allgegenwärtigen Spießerkultur. In dieser Gegnerschaft konnte positiv der kritische Bezug der Wissenschaften auf die (Ausbeutungs-)Gesellschaft und als Teil dessen die soziale Öffnung der Studiengänge durchgesetzt werden. In dieser emanzipatorischen Tradition stehen die klassischen Magister-, Diplom- und Staatsexamenstudiengänge, die als Teil und in Folge der 68er-Umwälzung an den Hochschulen inhaltlich umfassend neu konzipiert wurden.

Mit dem Wegfall der Systemalternative 1989 kam es in den Hochschulen zu einem Verfall der inhaltlichen Stringenz oder wenigstens klarer Konflikte in den Studieninhalten. Mit dem damals postulierten „Ende der Geschichte“ fehlte den Wissenschaften zunehmend die Motivation, Teil einer über das jeweilige „Jetzt“ hinausgehenden Entwicklung zu sein, auch wenn diese Perspektive nicht zwingend über den Kapitalismus hinausweisen mußte. Diese Schwäche der wachsenden Beliebigkeit nutzten die Apologeten des Neoliberalismus für die Delegitimierung der klassischen Studiengänge und zur Durchsetzung der pur marktorientierten Ba/Ma-Studiengänge: Wissenschaft sollte nun wieder dominant der Herrschaftssicherung dienen durch die Zulieferung von „Humankapital“. Versuche einer echten Studienreform von unten durch eine gesellschaftsbezogene inhaltliche Neustrukturierung, wie in Hamburg z.B. in der Informatik, Physik oder Geschichtswissenschaft, wurden mit dieser dominanten Politik erstickt.

Diese zweite Restauration (seit 1989/90) ist es, die nun in einer tiefen Krise steckt, ebenso wir ihre politischen Hauptagenten von CDU und FDP. Für die notwendige Renaissance von „68“ und Aufklärung kommt es darauf an, in neuer Qualität inhaltliche Fäden der Emanzipation für die Wissenschaftsinhalte zu spinnen.

c) … und wer hat eigentlich Schuld?

Der marktorientierte Zweck der gestuften Studienabschlüsse wird dabei von den Befürwortern des Systems offen thematisiert. Den Aufschlag machten der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ und die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“, die 1990 eine Konferenz unter dem Titel „Hochschule 2000 – Wirtschaft und Wissenschaft im Dialog“ [3] durchführten. Unter dem Grundkonsens, dass „Bildung – ein Standortvorteil“ sei und es um die Ausbildung von „Humankapital“ (gemeint sind verwertbare Arbeitskräfte) ginge, stellte hier exemplarisch der Unternehmensberater Roland Berger die Forderung, „mehrstufige Ausbildungssysteme sollen Hochschulausbildungen für Karrieren mit mehr praktischer Orientierung einerseits und solche mit mehr wissenschaftlicher sowie Theorie- und Forschungsorientierung andererseits ermöglichen.“

Drei Jahre später manifestierte sich diese Position in dem vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung vorgelegten „Eckwertepapier“ [4], in dem es einleitend heißt: „Der Standort Deutschland muß auch in den Bereichen Bildung und Ausbildung sowie Wissenschaft und Forschung gesichert werden […] nicht zuletzt im Hinblick auf den sich verschärfenden weltweiten Wettbewerb“. In diesem Dokument von 1993 heißt es gleich zu Beginn: „1. Differenzierung an Universitäten zwischen a) theoriebezogenem, berufsqualifizierendem Studium und b) Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses für Tätigkeiten in Forschung und Wissenschaft.“ Die studentische Antwort damals: Der „Eckwerte-Streik“ an nahezu allen deutschen Hochschulen.

Im Jahr 1997 rechtfertigt dasselbe Ministerium, mit Jürgen Rüttgers immer noch von der CDU gestellt, eine beabsichtigte Änderung der Hochschulgesetzgebung mit dem Positionspapier „Hochschulen für das 21. Jahrhundert“ [5]. Mit den schon bekannten Schlagworten „Wissensgesellschaft“, „Bildung als Standortfaktor“ und „Humankapital“ wird hier bereits konkret für den „Bachelor für die Masse“ und den „Master für die wissenschaftliche Elite“ gesprochen, bzw. ein „Credit-Point-System“ gefordert. Erneut antworten die Studierenden mit bundesweiten Streiks, die als „Lucky Streik“ bezeichnet werden. Der Ernsthaftigkeit der Ablehnung einer biologistischen Trennung in Masse und Elite und der Positionierung für ein egalitäres Menschenverständnis mit der Forderung nach „Bildung für Alle“ wird diese Kennzeichnung nicht gerecht. Entsprechend wirksam sind die Proteste: Wie auch schon mit dem „Eckwerte“-Streik gelingt es, die flächendeckende Einführung der gestuften Studienabschlüsse ebenso abzuwenden, wie die angedrohten Studiengebühren.

Die Seite der Unternehmen reagiert mit erhöhtem Druck auf die politisch Verantwortlichen auf gesamteuropäischer Ebene. Der „European Round Table of Industrialists“ drängt nachdrücklich darauf, daß die für Wissenschaft zuständigen Minister in Bologna die Bedingungen für die Durchsetzung der gestuften Studiengänge schaffen. Die Thematisierung der beabsichtigten Trennung in „Masse“ und „Elite“ wird dabei geflissentlich umgangen und lieber von „internationalem Austausch“ und „Kooperation“ gesprochen.

Das dahinter stehende Anliegen dürfte aber inzwischen klar geworden sein: Die am „Standort“ ansässigen Unternehmen verlangen nach akademisch qualifizierten Arbeitskräften, bei denen der ganze Quatsch von kritischer Reflexion, Verantwortung der Wissenschaft und Ansprüche der Emanzipation nicht nur überflüssig, sondern auch störend ist. Eine weiterführende wissenschaftliche Weltaneignung soll alleine einer kleinen akademischen „Elite“ vorbehalten sein. Die Handelskammer in Hamburg spricht explizit davon, daß das Humboldtsche Bildungsideal überholt sei und der Konzeption der Ausbildung von „Humankapital“ weichen müsse [6].

So erschließt sich auch das Scheitern des Ba/Ma-Systems neu. Die Idee der schlau-dummen Studierenden kann nicht funktionieren. Schlau genug für die Arbeit auf dem gegebenen, hohen wissenschaftlich-technischen Entwicklungsniveau und gleichzeitig zu dumm für die kritische Reflexion sozialer Widersprüche und entsprechende Bekämpfung der Ausbeutung – so mag der Traum des perfekten Menschen von den Herren Ackermann & Co. aussehen, real aber kann das nicht klappen. Entweder die Menschen eignen sich eine wissenschaftlich-analytische Durchdringung von Zusammenhängen an oder nicht. Wenn sie aber angeeignet ist, gilt sie für alles im Leben und nicht nur bei der Lohnarbeit. „Fachidioten“ werden dem heutigen Stand der Produktivkraftentwicklung nicht gerecht.

Statt also in diesem Widerspruch wie aktuell mit dem Ba/Ma-System die Dequalifizierung überwiegen zu lassen, steht für den Ausgang aus der Krise eine neue Dominanz der emanzipatorischen und kritischen Ansprüche an Wissenschaft und Bildung an. Diese positive Entwicklungsperspektive muß Motor für die aktuellen Proteste werden.

d) Einschub eins: Mythos Bologna.

Manch einer mag nach diesen Ausführungen einwenden, daß die neuen Studiengänge doch aber Ergebnis der Bologna-Konferenz von 1999 seien.

Die Einführung des Bachelor-Master-Systems als Sachzwang dieser Vereinbarungen der europäischen Kultusminister in Bologna ist schlicht ein Mythos.

Abgesehen davon, daß die damaligen Wissenschaftspolitiker der Bologna-Erklärung nicht ausgeliefert waren, sondern sie selbst mitgestaltet haben, steht dort nicht das drin, was die Ba/Ma-Ideologen stets behaupten. So wird in der Erklärung zwar von „zwei Hauptzyklen“ der akademischen Bildung gesprochen, weiter heißt es aber: „Der zweite Zyklus sollte, wie in vielen europäischen Ländern, mit dem Master und/oder der Promotion abschließen.“

Explizit wird hier also die Option aufgemacht, parallel zu beispielsweise dem englischen System der Bachelor- und Mastergrade das in Deutschland tradierte System der Stufung Magister/Diplom/Staatsexamen als ersten Zyklus und Promotion als zweiten Zyklus fortzuführen. Über „Modularisierung“, „Credit-Points“, „Anwesenheitskontrollen“ oder dem dauerhaften Prüfungsterror wird erst recht kein Wort verloren.

Für eine vernünftige Studienreform einschließlich der Abschaffung des Ba/Ma-Systems ist also die Bologna-Erklärung kein Hindernis.

e) Einschub zwei: Was unterscheidet den Bachelor von den klassischen Studiengängen?

„Früher war auch nicht alles toll.“ Wer wollte das bestreiten?
Daran, daß die klassischen Studiengänge besser sind, den Studierenden mehr Möglichkeiten eigenständiger Studiengestaltung geben, wissenschaftlich weiterreichender sind und schlicht für alle Beteiligten ein angenehmeres Studium bedeuten, ändert das aber nichts.

Worin genau unterscheiden sich die verschiedenen Studiensysteme?

1.) „Modularisierung“: In den klassischen Studiengängen gibt es Vorgaben, welche Arten von Scheinen im Verlauf des Studiums gemacht werden müssen und welche inhaltlichen Fragen dabei berührt werden sollen. Die Abfolge der Lehrveranstaltungen bzw. der Zeitpunkt ihres Besuchs im Laufe des Studiums sind dabei jedoch weitgehend freigestellt. Dies schafft Raum für interessante Kombinationen und führt zudem zu belebender jahrgangsübergreifender Zusammenarbeit. Zur Orientierung gibt es Empfehlungen für den Studienaufbau, die jedoch selten verpflichtend sind.

Damit ist übrigens insbesondere auch die Dauer des Studiums den Studierenden freigestellt.

2.) „Studienbegleitende Prüfungen“: Auch in den klassischen Studiengängen werden während des Studiums Klausuren, Tests und Hausaufgaben/-arbeiten gemacht, bisweilen auch benotet. Die Abschlußnote aber ergibt sich alleine aus der Abschlußarbeit und den dazugehörigen mündlichen Prüfungen. Der vorgeschobene Anspruch, im Bachelor diese Abschlußprüfung zu entlasten, führt im neuen Studiensystem real dazu, daß das angstgetrieben prüfungsbezogene Lernen nun das gesamte Studium über unentwegten Stress erzeugt. Über den Unsinn von Noten ist Näheres im folgenden Artikel ausgeführt.

3.) Seminarauswahl: In den klassischen Studiengängen ist es üblich, über die inhaltlichen Vorgaben hinaus weitere Lehrveranstaltungen, ggf. auch in „fremden“ Fächern zu besuchen. Damit verbunden ist die Möglichkeit, zu Semesterbeginn Veranstaltungen von Interesse zu besuchen und erst im Verlauf des Semesters zu entscheiden, in welcher Lehrveranstaltung man einen Schein machen möchte, welche nur so besucht werden und welche man wegfallen läßt.

Die aufgezeigten Veränderungen durch die Ba/Ma-Einführung lassen sich auf einen funktionalen Kern zurückführen: Die inhaltliche und zeitliche Drangsalierung der Studierenden und Lehrenden, in kürzester Zeit nur noch das zu lernen bzw. zu lehren, was zur Qualifizierung für die unmittelbare Verwertbarkeit als Arbeitskraft nötig erscheint. Jeder kritische Gesellschaftsbezug, jede langfristige Entwicklungsperspektive und allgemeinbildenden Aspekte der Ausbildung sollen so ins Abseits gedrängt werden.

f) Ausblick

Die Krise des Studiensystems ebenso wie die gesellschaftliche Entwicklungskrise erhöhen den Druck auf die Hochschulen, sich selbst neu Rechenschaft über ihre gesellschaftliche Funktion abzulegen. Die sich so eröffnende Möglichkeit einer humanistischen Neuorientierung der Wissenschaft erfordert dabei das kritische Engagement der Studierenden. Die akademische Selbstverwaltung und die Verfasste Studierendenschaft bieten dafür reichlich Gelegenheit. Es lohnt sich also, aus dem Hamsterrad des entfremdeten Studiums herauszutreten, sich mit anderen zu assoziieren und selbst Teil der Problemlösung zu werden.

Eine vernünftige Studienreform bestünde in der Rückkehr zu den klassischen Studiengängen – inklusive Überführung der Ba/Ma-Studierenden unter großzügiger Anerkennung ihrer bisherigen Studienleistungen – und deren inhaltlicher Überarbeitung auf dieser Grundlage. Mit explizit gesellschaftlichem Problembezug läßt sich in diesem Rahmen dann auch zu einer Neubestimmung inhaltlicher Strukturierung kommen, nicht als starre Vorgabe, sondern als Leitfaden im ständigen Entwicklungsprozeß. Mehr Geld für kleinere Lerngruppen, Tutorien, vernünftige Lernmittel etc. befördert diese Möglichkeit erheblich.

So macht Studium wieder Spaß.

[1] s. Klemes Himpele, http://webapp6.rrz.uni-hamburg.de/ba-konferenz/?p=134

[2] Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes: „Man hat mit dem Bachelor lauter Spezialstudiengänge installiert. Es war teilweise nicht mal mehr möglich, von Bonn nach Köln zu wechseln.“ (Interview, Uni SPIEGEL 12/2009)

[3] Bundesverband der Deutschen Industrie (Hg.): Hochschule 2000: Wirtschaft und Wissenschaft im Dialog, Köln 1990.

[4] Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des bildungspolitischen Spitzengesprächs, „Eckwertepapier“, Bonn 1993. Nachzulesen unter: http://www.hopo-www.de/konzepte/eckwerte/welcome.html

[5] BMBF: „Hochschulen für das 21. Jahrhundert“, Diskussionspapier zur geplanten Novelle des Hochschulrahmengesetzes, Bonn 1997.

[6] Handelskammer Hamburg (Hg.): Hamburger Hochschulen reformieren – Mehr Freiheit für unternehmerisches Handeln, Hamburg 1999.


Malöhr Nadelöhr

Über den Unsinn des Selektionsinstruments Note

Oma: „Was willst du denn nach der Schule machen?“
Enkel: „Studieren.“
Oma: „Und was willst du mal im Studium erreichen?“
Enkel: „180 credit points und im Schnitt eine 1,9.“

„Wer aufhört zu lernen, ist tot.“

B. B. King, Bluesgitarrist und -sänger

Mit der Einführung der Bachelor/Master-Studiengänge wurde das Geprüft-Werden im Studium über alles andere gestellt. Auch unter dem Druck der Benotung, die darüber entscheidet, ob man im Master weiter studieren kann oder rausfliegt, wird gelernt, allerdings ausschließlich, wie man hinreichende Noten ergattert um weiterzukommen. Häufig ist dafür als Mittel zum Zweck, sich in der Konkurrenz (Mangel an Masterplätzen, Mangel an Arbeitsplätzen) durchzuwurschteln, das Erlernen fachlicher Kenntnisse und Fertigkeiten nötig, gerade so, wie sie in den Prüfungen präsentiert werden müssen. Dieses Wissen verfällt allerdings sofort nach der Prüfung. Tatsächliches Erkenntnisinteresse wird so in den Hintergrund gedrängt. Elende Paukerei ist das Resultat.

Zweierlei soll mit den Noten durchgesetzt werden: Zum einen wollen spätere Arbeitgeber das „Humankapital“ auswählen, um es zu verwerten. Sie benötigen dafür formale Kriterien, um diejenigen Arbeitskräfte auszuwählen, die die höchste Profitmehrung versprechen. Eine gute Note soll eine Kombination aus abrufbarer Fachqualifikation und der Bereitschaft zur entfremdeten Arbeit belegen.
Zum zweiten soll uns Studierenden weisgemacht werden, daß die Konkurrenz ewig sei, und daher eine erträgliche Zukunft vom notenbedingten „Aufstieg“ abhänge. Das strafbewährte Ziel individuell guter Noten soll so als Ersatz gelten für Bildung als kooperative Entwicklung. So soll der wertende Vergleich dazu beitragen, erst hervorzubringen, wonach dann selektiert wird: Noten normieren auf den einigermaßen qualifizierten, aber vor allem fleißigen, aufstiegswilligen und unkritischen Studierenden, den Helden der Tauschgesellschaft. Nur wer so sei, sei für den Master „geeignet“.

Was Noten im übrigen nicht leisten, ist: eine objektive Aussage darüber, ob jemand „was kann“ oder nicht, und erst recht geben sie keine Rückmeldung darüber. Noten sind pure Willkür. Ob jemand aus Bayern oder Hamburg kommt, Justus oder Kevin heißt, ob er ein Stipendium hat, bei welchen Profs er war, welche Noten er vorher hatte, all das entscheidet nachweislich darüber, wie eine Note ausfällt. Dem Ganzen liegt der Irrtum zugrunde, dass einzelne Menschen in der Lage wären, ein abschließendes Urteil über andere zu fällen, statt dass Bewertungen selbst Gegenstand von Deutungsauseinandersetzungen sind.
Fazit: Noten erfüllen sich in ihrer ideologischen Normierungsfunktion.

Die Studierenden stehen damit vor dem Widerspruch, daß Lernen etwas Gemeinsames ist, sie aber lernen sollen, sich gegeneinander durchzusetzen. Daher wird die Kooperation in Lern- und Referatsgruppen umso schwieriger, je näher der Übergang vom Bachelor zum Master rückt. Gegen die Deformation hilft auch nicht, das Studium in drei Jahren schnell durchzuziehen, denn der Druck im Studium resultiert ja gerade aus der Entfremdetheit der Erwerbstätigkeit, auf die das „berufsqualifizierende“ Ba/Ma-Studium streng hinführen soll.

Für die tatsächliche Verbesserung der Lage der Studierenden müssen der Engpass Masterzugang und die Noten abgeschafft werden. Im solidarischen Kampf dafür, Kultur und Inhalt des Studierens in die eigenen Hände zu bekommen, können wir vorwegnehmen, was wir mit der Abschaffung von Hürden und Noten durchsetzen wollen: Eine Entwicklungsgemeinschaft, in der man gemeinsam an der zutreffenden Bewertung der Welt arbeitet, um diese produktiv für alle zu verändern. Qualifikationsvorsprünge Einzelner, wie sie in dieser Gesellschaft vorkommen, machen dann nicht „Versager“ und „Besserwisser“ und sind auch nicht mehr die Begründung für die hässliche Aufgabe der Selektion, sondern können durch Verallgemeinerung für alle sinnvoll genutzt werden.


Gebührenfreiheit – wem nützt es?

Wieso die Studiengebührendiskussion jetzt nochmal einen Turbo braucht.

„Wir werden dafür sorgen, dass sie [die Hamburger Hochschulen] unter besseren Rahmenbedingungen arbeiten können. Dazu gehört für mich ganz zentral, dass wir in dieser Legislaturperiode die Studiengebühren wieder abschaffen.“
Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD), 23. März 2011.

Wenn Hamburgs neuer Erster Bürgermeister von Studiengebühren redet, spricht er mehr Wahrheit aus, als er wahrscheinlich beabsichtigt. Mit der angekündigten Beseitigung der sozialen Drangsal werden auch, damit verbunden, die Einschränkung demokratischen Engagements und die kommerzielle Lenkung der Wissenschaften zurückgedrängt. Die Gebührenfreiheit ist damit in der Tat eine umfassende Verbesserung der gesamten Bedingungen von Wissenschaft. Hier hat sich der Redeschreiber wohl unbewusst von der inhaltlichen Offensivität der studentischen Bewegung und ihrer Bündnispartner orientieren lassen.

Insofern ist die offene Frage nicht mehr, ob die Gebührenfreiheit erkämpft werden kann und muss, sondern bis wann das gelingt und welche Reichweite positiver Veränderungen damit verbunden ist. Keiner muss mit der Senatsankündigung, die allgemeinen Studiengebühren à 375 Euro bis zum Wintersemester 2012/2013 abzuschaffen, zufrieden sein.

Um für die weitere Auseinandersetzung eine fundierte Grundlage zu haben, lohnt ein Blick in die jüngere Vergangenheit:
Seit der Androhung der Einführung von Studiengebühren im Jahre 2003 (vorerst nur „Langzeit-“) hat die FSRK dagegen aufgeklärt und mobil gemacht: mit Urabstimmungen, Gebührenboykotten, Demonstrationen und Unterschriftenlisten.
Das Gegenüber in diesem Konflikt sind maßgeblich die Handelskammer und andere Unternehmenslobbyisten, die bislang in der mehrere Jahre regierenden CDU einen willigen Wegbereiter und Vollstrecker ihrer Forderung nach allgemeinen Studiengebühren fanden. Diese werden – durch die Proteste erheblich verzögert – seit 2007 erhoben.
Die Handelskammer hat nie verhehlt, welcher Zweck der Studiengebühren ihr von entscheidender Bedeutung ist: die sogenannte „Lenkungsfunktion“. So formulierte sie schon 1999, unter der Überschrift „Hamburgs Hochschulen reformieren – Mehr Freiheit für unternehmerisches Handeln“, dass Studierende das Studium als Investition in ihr „Humankapital“ verstehen sollen. Das Kalkül dabei ist, dass die Studierenden, ideologisch und sozial gedrängt durch die Gebühren, in möglichst kurzer Zeit nur das lernen wollen, was marktkonform, also auf dem Arbeitsmarkt verwertbar ist. Verkauft wird das als Stärkung des „Bildungsstandorts“ Hamburg. Es geht aber nicht um Bildung, sondern nur um die Profite der (Hamburger) Firmen. Dieser Standpunkt ist reaktionär, denn es wird der emanzipatorische Kern der Bildung (Entfaltung mündiger Menschen) verneint. Für die ungebremste Profitheckerei ist hinderlich, wenn Bildung darauf gerichtet ist, kritische und praktisch relevante Erkenntnis der Welt und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten zu gewinnen und so der Persönlichkeitsentwicklung dient.

Dieser Schuss ging schließlich nach hinten los. Zwar sind die Studiengebühren eine reale Last, gerade deshalb aber haben die protestierenden Studierenden den Kampf dagegen zum Anlass genommen, emanzipatorische Ansprüche an die Wissenschaft stärker zu reflektieren und weiter zu entwickeln. So hat sich eine qualifizierte Bewegung herausgebildet.
Bachelor-Master ist immer mehr in Frage gestellt. Eine Redemokratisierung der Uni wird in Angriff genommen. Für die Gebührenfreiheit des Studiums ist vieles getan:
Nicht nur die Studierenden (Urabstimmung 2009: 97% für Gebührenfreiheit), sondern auch breite Teile der Bevölkerung sind überzeugt: Für die jüngste Unterschriftenliste zur Abschaffung aller Studiengebühren (inklusive Langzeit-, Verwaltungs-, Nachlagerungs- und Sonstwieblödsinns- Gebühren) sind inzwischen über 33.000 Unterzeichner gesammelt und die Unterschriften an die Bürgerschaft übergeben.
Bildungsgebühren sind bei jeder Wahl ein – den Wählern – wichtiges Thema. In der Bürgerschaft sitzen die Parteien, die die Gebührenfreiheit im Munde führen, nun mit einer noch deutlicheren Mehrheit (die oben genannte Unterschriftenliste wurde u.a. von der Partei Die LINKE, der SPD und der Grünen Jugend unterstützt).
Auch ist inzwischen hinlänglich deutlich gemacht, dass die stets angeführten leeren Kassen nicht absolut, sondern je nach Bedarf mal mehr (Studiengebühren) und mal weniger (Elbphilharmonie) entscheidend sind.
Dass die Studiengebühren immer noch nicht abgeschafft sind, liegt wohl nicht zuletzt daran, dass Herr Scholz die Position der Handelskammer mehr teilt, als die der Bewegung – nicht ohne Grund ist der alte Handelskammerchef Frank Horch als Wirtschaftssenator berufen worden.

Die angekündigte Abschaffung zum Wintersemester 2012/13 und damit die Hinnahme der fortbestehenden Schädigung von Wissenschaft und Gesellschaft für weitere anderthalb Jahre können wir angesichts der nach Überwindung schreienden Missstände nicht zulassen. Es gibt keinen ersichtlichen Grund mehr, warum die Gebühren nicht zum nächsten Semester schon abgeschafft werden können oder für ein weiteres Jahr erträglich wären.

Umso mehr müssen wir aus der Universität heraus weiter antreiben und die menschenfreundliche Alternative zur Gewinnmaximierung vertreten und schärfen:
Je weniger die Bildung nach ökonomischen Zielen gerichtet ist, desto größer sind die Entfaltungsmöglichkeiten der Bildungssubjekte. Wenn Forschungsgruppen nicht mehr gehalten sind, einen Großteil ihrer Zeit auf die Rechtfertigung davon zu verwenden, inwieweit sich ihre Erkenntnisse vermarkten ließen (Drittmittelanträge) und wenn Studierende nicht gedrängt werden, vor allem auf die individuelle soziale Existenzsicherung gerichtet zu lernen, dann kann in der Universität verstärkt eine Frage von verallgemeinerungswürdigerer Bedeutung angegangen werden: Wie kann der gesellschaftliche Nutzen von Lehre und Forschung erhöht werden?

Damit dieser Prozess nicht weiter durch den neuen Senat verschleppt wird, sondern die gesamte positive Wirkung der Gebührenfreiheit schnellstmöglich entfaltet wird, kommt es auf uns an. Ist das Studium gebührenfrei, kann die Qualifizierung in der Frage der Studienreform und der Redemokratisierung leichter auf eine viel breitere Basis gestellt werden.
Erkämpfen wir uns mit der Gebührenfreiheit bessere Bedingungen für alle weiteren Aktivitäten, setzten wir ein positives Zeichen für alle anderen Gebührenauseinandersetzungen.
Aktuelle Aktivitäten sind auf www.gebuehrenfreiheit.de zu finden.


Die Universität funktioniert nur demokratisch

Was mit ‚Redemokratisierung der Uni‘ gemeint ist.

„Demokratie ist im Grunde die Anerkennung, daß wir, sozial genommen, alle füreinander verantwortlich sind.“

Heinrich Mann, Vortrag: Der tiefere Sinn der Republik, 1927.

Zu den vielen Verbrechen der inzwischen abgewählten CDU-Regierung gehört auch die Entdemokratisierung der Universität. Studiengebühren stellen „zuviel“ demokratisches Engagement unter finanzielle Strafe und das Bachelor-Master-System läßt für trotzdem aufrechterhaltene entsprechende Ambitionen kaum Raum und Muße. Studierende und Lehrende sollen sich mehr auf „das Studium“ konzentrieren und nicht an Protesten teilnehmen oder sie gar initiieren. Institutionell ist dies abgesichert durch die erhebliche Dezimierung der demokratischen Gremien an der Uni zugunsten verstärkter top-down Strukturen. Angeblich steigere dies die „Effizienz“. Real wird im Ergebnis weniger miteinander gearbeitet und den wenigsten ist klar, wer gerade womit beschäftigt ist.

Die Zweckfeindlichkeit dieser Struktur für die Wissenschaft fand ihren Gipfel im Desaster um die kurzzeitige Uni-Präsidentin Monika Auweter-Kurtz. Die stockkonservative Schwäbin ist den Hochschulmitgliedern durch den Hochschulrat (der wiederum ist maßgeblich mit wissenschaftsfremden Unternehmensvertretern besetzt) vor die Nase gepflanzt worden. Während die Hochschulmitglieder in großer Mehrheit für demokratische Partizipation, eine Volluniversität, Interdisziplinarität mit starken Geistes- und Sozialwissenschaften, den zivilen Auftrag der Wissenschaften und eine positive städtische Einbindung der Hochschule agierten, fungierte sie als verlängerter Arm des politischen Senats mit autoritärem Stil für „Exzellenz“, Reduzierung auf ein technisches Wissenschaftsverständnis, Raketenforschung und die Versenkung der Uni im Hafen. Sie musste gehen.

Wissenschaft kann nicht als devoter Zuarbeiter für die Verwertungsinteressen von in Hochschulräten versammelten Unternehmen gedeihen. Sie ist auch nicht produktiv top-down zu dirigieren. Es geht dies nicht, weil sinnvolle Wissenschaft die Aufgabe hat, „zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft“ (Leitbild Uni-Hamburg) beizutragen. Dieser Aufgabe wird die Hochschule nur gerecht unter verantwortungsvoller Beteiligung aller ihrer Mitglieder.

In Anerkennung, dass die Entwicklung einer Hochschule nicht von einzelnen geleistet werden kann, gibt es die akademische Selbstverwaltung. Durch die öffentlichen und gewählten Gremien ist ermöglicht, dass alle Mitglieder der Hochschule an der Entwicklung partizipieren können. Eine Rückkehr zu diesem Prinzip und der Ausbau der demokratischen Hochschulverfassung ist daher dringend geboten.

Dass der Universität besseres beizumessen ist, als dass sie sich rechnen möge, zeigt die Arbeitsweise vieler ihrer Mitglieder, die eine Reform des Hochschulgesetzes bereits praktisch vorwegzunehmen versuchen: Obwohl die Aufgaben, die einst diversen Fachbereichsgremien beigemessen waren, inzwischen gesetzlich nur noch Dekanaten und Fakultätsräten obliegen, werden sie real in Arbeitszusammenhängen auf der Ebene von Fachbereichen, Instituten und Arbeitsbereichen wahrgenommen. Aufgrund des inoffiziellen Charakters dieser notwendigen Vorgehensweise mangelt es jedoch häufig an Belastbarkeit, Verbindlichkeit und Transparenz von Entscheidungen.

Mit dem Ausbau der Gremien der akademischen Selbstverwaltung und ihrer Befugnisse geht es also nicht (nur) um eine Verbesserung der Verwaltung, es geht um die Schaffung eines Rahmens für Verständigung. Verständigung für kollegiale Zusammenarbeit und für die Positionsbildung für universitäre Aufgaben (z.B. Studienreform) und gesellschaftliches Eingreifen (z.B. Frieden schaffen).

Damit es unter uns Studierenden zur Verständigung kommt, kritische Ansprüche gemeinsam entwickelt und gesellschaftlich durchgesetzt werden können, gibt es die Verfasste Studierendenschaft. Teil davon sind die Fachschaftsräte als erster Anlaufpunkt für Studierende. Organisiert lässt sich besser eingreifen!

„Es setzt sich nur soviel Wahrheit durch, als wir durchsetzen;
der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein.“

Bertolt Brecht, „Leben des Galilei“, 1948.

Eine Zusammenfassung der Positionierung verschiedener Unigremien zum Änderungsbedarf am Hochschulgesetz mit konkreten Reformvorschlägen gibt es unter:
www.fsrk.de/IMG/2010-12-06_FSRK_Broschuere_Stellungnahmen_Aenderungsbedarf_HmbHG.pdf


Von der Verunsicherung zur produktiven Unruhe

Plädoyer für die Assoziierung in Fachschaftsräten und FSRK

„Aus Sicht der Hamburger Wirtschaft behindert die an den Hamburger Hochschulen herrschende Gremienvielfalt wissenschaftliche Leistungsträger bei ihrer Leistungsentwicklung und fördert die Tendenz zur Mittelmäßigkeit.“

Broschüre „Hamburgs Hochschulen reformieren – Mehr Freiheit für unternehmerisches Handeln“, Handelskammer Hamburg, 1999).

„... den Sympathisantensumpf des Terrorismus austrocknen.“

Hans Filbinger 1977, dereinst Marinerichter im 3. Reich, als Landesvater „im besten Sinne“ Baden-Württembergs zur Begründung der Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft.

„Und in der Tat haben jederzeit die Verantwortlichen auch nur dann die Konsequenz aus ihrer Übernahme der Verantwortung ziehen müssen, wenn das Volk Geschichte gespielt hat.“

Alfred Polgar, „Verantwortung“, 1919.

Proteste stören die Ordnung – hätten wir das gewußt...

In den 1960er Jahren wie heute kämpft die Studierendenbewegung für soziale und kulturelle Verbesserungen und Frieden.

Nicht selten hören wir von konservativ-wirtschaftskonform etablierter Seite, wenn dadurch Konflikte offen zutage treten, es solle Ruhe an den Universitäten einkehren.

Meistens versuchen sie uns Studierenden dann verstärkt einzubläuen, daß unser Interesse eine individuelle Karriere sei und dafür „erfolgreich“ zu studieren. In etwas ehrlicheren Momenten kommen sie damit heraus, daß der Prozeß der ungestörten fachlichen Ausbildung des Nachwuchses erforderlich sei, um den Standort Deutschland (gemeint sind die DAX-Unternehmen) zu sichern, zu stärken und/oder gemeinsam in die Krise zu hieven.

Im Gegensatz zu CDU und Handelskammer gehen wir davon aus, daß Universitäten, an denen Ruhe einkehrt, zwar auch eine schreckliche Vorstellung – aber vor allem: eine praktische Unmöglichkeit sind. Denn dort, wo sich ernsthaft analytisch mit der Welt beschäftigt wird, werden – ob ihrer Krisenhaftigkeit – zwangsläufig kritische Auffassungen herausgebildet. In Universitäten brodelt daher das Potential der Perspektivbildung für menschliche Emanzipation, weswegen sie wiederum so umkämpft sind und es in ihnen häufiger kracht.

Aufklärung wirkt.

Die Menschheitsgeschichte zeigt, daß sozial und kulturell verbesserte Bedingungen stets durch gesteigerte Ansprüche der Menschen an das Leben im Wirken gegen die Herrschenden verwirklicht worden sind. Ein Beispiel hierfür ist die Verhinderung eines protzigen
Neubaus der Universität als „Aushängeschild für die Metropole“ im Hamburger Hafen.
Positiv bewegend war die Aufklärung über die auch baulich manifeste demokratische,
antifaschistische und sozialkritische Geschichte der Universität durch die Gründung im Zuge der Revolution 1918/19, den positiven Bruch mit dem Faschismus 1945 und den Aufbruch von 1968.

Mit der Absicht der Hochschulmitglieder, diese Eckpunkte einer demokratischen Wissenschaft zu aktualisieren, sind erweiterte Ansprüche gefasst worden, mit denen sich gegen die Unterwerfung unter das Verwertungsdiktat gewendet wurde.

Die überzeugtesten Befürworter der Abwicklung dieser Geschichte, Uni-Präsidentin a.D. Monika Auweter-Kurtz und Wissenschaftssenatorin a.D. Herlind Gundelach (beide wie Filbinger schwäbischer Herkunft, CDUler und Hasser von 1968), sind gescheitert an der Aufklärung in Aktion durch die Unterschriftensammlung „uni-bleibt“ der FSRK im Bündnis mit vielen Gewerbetreibenden im Grindelviertel, der fortlaufenden Übergabe der insgesamt 23.000 gesammelten Unterschriften bei den Sitzungen des Wissenschaftsausschusses der Hamburger Bürgerschaft, daraufhin medialer Resonanz, Demonstrationen und Aktionen zur Bekräftigung (auch der damaligen Oppositionsparteien in ihrem Wirken), und gemeinsam geplantem Eingreifen in die akademischen Gremien. Jetzt können, auf neuem Niveau verbreiteter Kenntnis der Universität und ihrer Geschichte im Zentrum der Stadt, endlich ihre verantwortungsbewußte Sanierung und pflegliche Erweiterung vor Ort erwirkt werden.


Die Arbeit der FSRe und der FSRK

Wenn also in den realen gesellschaftlichen Widersprüchen solidarisch und klug gekämpft wird, ist viel zu erreichen.
Die Fachschaftsräte sind hierfür der erste und richtige Anlaufpunkt für kritisch motivierte Studierende. Studierende eines jeweiligen Faches, die gemeinsam in den Auseinandersetzungen um Studienstruktur und Wissenschaftsinhalte stehen, können dort diese praktischen Erfahrungen gemeinsam reflektieren, bewerten, gesellschaftlich einordnen und kollektive Handlungsmöglichkeiten erarbeiten. Produktiv ist dabei auch der Austausch zwischen neu engagierten Studierenden und solchen, die schon hochschulpolitische Erfahrung haben. Als erster Ansprechpartner für die Kommilitonen gewinnt man zugleich tiefen Einblick in die real vorhandenen Entwicklunsgerfordernisse.

Kritisches Eingreifen in die akademischen Gremien und die Koordinierung dieser Arbeit, Aufklärung und Information der Mitstudierenden durch Publikationen und zu gegebener Zeit die Initiative für solidarische Aktionen und Proteste – all das sind Möglichkeiten des wirkungsvollen solidarischen Engagements im eigenen verallgemeinerbaren Interesse.

Bei dieser Arbeit wird der enge Rahmen eines einzelnen Faches notwendig ständig überschritten. Aus diesem Grund finden sich Fachschaftsratsmitglieder wöchentlich in der Fachschaftsrätekonferenz zusammen. Die Aufgabe der FSRK wurde auf einer uniweiten Vollversammlung der FSRe im Jahre 2002 wie folgt gefaßt:

a. gegenseitige Informierung und Hilfestellung über bzw. bei hochschul- und bildungspolitischen Entwicklungen (Studienbedingungen, Wissenschaftsinhalte, etc.) und studentischen Aktivitäten (Veranstaltungen, Initiativen, etc.) sowohl in den jeweiligen Fachbereichen und Studiengängen, als auch in der Gesamtuniversität und ggf. darüber hinaus zu ermöglichen,

b. diese Informationen gemeinsam zu bewerten (Was ist die Ursache bestimmter Probleme oder Möglichkeiten? Was ist die Wirkungsdimension der Aktivitäten? etc.), um einen höheren Grad der Handlungsfähigkeit und Wirksamkeit sowohl für die Tätigkeit an den jeweiligen Fachbereichen und in den Studiengängen, als auch für gemeinsame gesamtuniversitäre und ggf. allgemein gesellschaftliche Aktivitäten zu erlangen.

Die Arbeit der FSRK beruht also auf der Teilnahme der FSRe am gemeinsamen Zusammentragen der jeweiligen Problemstellungen und Herausforderungen, kritischer Durchdringung und Perspektivbildung. Die FSRK wirft aktuell ein besonderes Augenmerk auf den Erhalt, die Stärkung und die Wiederbildung der FSRe, Unterstützung neuer Fachschaftsräte und die Kooperation von Fachschaftsräten innerhalb der Fakultäten.

Damit diese notwendige Arbeit gelingt, sind die infrastrukturellen Voraussetzungen zurück zu erkämpfen: Räume, Computer, Aufwandsentschädigung und ein eigener Etat müssen vom AStA wieder gestellt werden. Die von den FSRen basisdemokratisch gewählten FSRK-ReferentInnen müssen als offizielle FSRe-Vertretung auch im AStA als teilautonomes Referat wieder etabliert werden.

Um die Arbeitsbedingungen für die Fachschaftsräte und die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten für alle Studierenden zu verbessern, müssen zudem AStA und Studierendenparlament repolitisiert werden. Das Studierendenparlament soll hochschulpolitisches Forum werden.

http://www.fsrk.de/artikel_233.html [Stand 27. April 2011]


Informationsbroschüre der Fachschaftsrätekonferenz