a) Studiengebühren sind unsozial:
Jede Verbindung von Bildungsmöglichkeiten mit der strukturell ungleichen privaten Einkommens- und Vermögensverteilung in der Gesellschaft führt zu entsprechender Ungleichheit in der Bildung. Dieser Ausgangslage kann auch kein noch so ausgefeiltes Darlehenssystem entgegenwirken. (siehe hierzu auch d) nachgelagerte Gebühren).
Das Bezahlstudium ist mitnichten dadurch gerechtfertigt, dass Akademiker_innen bessere Verdienstaussichten hätten, als andere. Neben dem Umstand, dass „Besserverdiener“ durch ein vernünftig progressives Steuerrecht schlicht mehr Steuern zu zahlen haben sollten, um mit einem höheren Anteil an der Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben beteiligt zu sein, lenkt diese Rechtfertigung der Gebührenbefürworter von der eigentlich sozialen Ungleichheit ab. Die wirklichen Profiteure ausgebildeter Arbeitskräfte – ob in Studium, in einer Lehre oder anderweitig qualifiziert – sind die Unternehmen, die mit der Arbeit der Menschen ihre Gewinne machen. Die Unternehmen sind es also, die steuerlich so zur Kasse gebeten werden müssen, dass der Staat Bildung und Wissenschaft bedarfsdeckenden finanzieren kann.
b) Studiengebühren sind undemokratisch:
Die Studierenden werden zu Kunden, die dem „Dienstleistungsunternehmen“ Universität gegenübertreten, um die „Ware“ Bildung käuflich zu erwerben. Das Angebot-Nachfrage-Prinzip soll die kooperative Entwicklung von Wissenschaft in gemeinsamen Entscheidungsprozessen aller Hochschulmitglieder ersetzen.
Stattdessen sollten Studierende als gleichberechtigte Mitglieder der Hochschulen an ihrer Gestaltung in gemeinsamen Entscheidungsprozessen teilhaben können.
Studiengebühren schränken eine solche Teilhabe auch dadurch ein, dass jede zeitliche Ausdehnung des Studiums auf Grund demokratischen Engagements sofort mit gesteigerter Zahlpflicht bestraft wird.
c) Studiengebühren sind antiwissenschaftlich:
Bildung wird zur Ware degradiert, Studierende sollen ihren käuflichen Erwerb als Investition in die individuelle Karriere begreifen. Unter dieser ideologischen Prämisse und dem sozialen Druck der Studiengebühren sollen die Studierenden darauf festgelegt sein, in kürzester Zeit das zu lernen, womit sie sich „just in time“ am besten auf dem Arbeitsmarkt verkaufen könnten. Jeder kritische Gesellschaftsbezug, jede langfristige Entwicklungsperspektive ist eigentätig aus dem Studium zu entfernen.
Allgemeinbildende Aspekte der Ausbildung werden dabei ins Abseits gedrängt, kommerziell nicht unmittelbar verwertbare Studiengänge werden tendenziell abgebaut.
Eine Wissenschaft, die aber partikularen ökonomischen Interessen dient und deren Teilhaber jeweils nur auf den eignen Vorteil bedacht sind, verliert mit der Allgemeinwohlorientierung auch die gesellschaftliche Legitimität, die Grundlage öffentlicher Bildungsfinanzierung ist.
Sie ist außerdem schlicht unmöglich, weil Innovation die Kritik des bestehenden und wissenschaftliche Kooperation zur Voraussetzung hat. Vorteilsnahme schneidet diesen Lebensnerv der Wissenschaftlichkeit auf Dauer ab.
Wissenschaft muß öffentlich bedarfsdeckend finanziert werden, damit ihre Träger die Muße haben, einen wissenschaftlichen Beitrag zu sozialen und kulturellen Verbesserungen für die gesamte Gesellschaft zu leisten.
Gerade in gesellschaftlichen Krisenzeiten dürfen Bildung und Wissenschaft nicht mittels Studiengebühren ihres emanzipatorischen Potentials beraubt werden. Denn kritische Erkenntnis gesellschaftlicher Zusammenhänge und emanzipatorische Subjektentfaltung sind von wesentlicher Bedeutung zur Überwindung gesellschaftlicher Probleme.
d) Auch nachgelagerte Studiengebühren sind Studiengebühren
Durch die Nachlagerung der Studiengebühren werden die dargelegten Probleme nicht behoben. Es bleibt weiter die Degradierung der Bildung zur Ware, es bleibt weiter der soziale Druck zum zügigen Studium, es bleibt weiter die Abwälzung staatlicher Verantwortung für die Bildungsfinanzierung auf die Studierenden.
Auch die soziale Selektion kann durch die Nachlagerung zwar gemildert, nicht aber behoben werden: Alle sozialen Studien belegen, dass auch nur die Aussicht auf Verschuldung insbesondere für Studieninteressierte mit sozial benachteiligtem Hintergrund abschreckend wirkt. Nur die Sorge vor Verschuldung erklärt auch, warum die Mehrzahl der Studierenden trotz Zinsfreiheit die Stundung nicht in Anspruch nimmt.
Zudem gilt die Möglichkeit der Nachlagerung nur für eine begrenzte Zahl der Studierenden, etwa ein Drittel aller Kommiliton_innen muß weiterhin sofort zahlen.
Die minimale Milderung der sozialen Selektivität kommt den Staat teuer zu stehen: Nähmen alle Berechtigten die Stundungsmöglichkeit in Anspruch, müßte der Staat für die Finanzierung der 33 Mio. Euro Studiengebühren an die Hochschulen gut 20 Mio. Euro für die Darlehnsverwaltung und Zinsen an die Banken zahlen. Da scheint es klüger, diese 20 Mio. Euro direkt an die Hochschulen zu zahlen und die fehlenden 13 Mio. Euro an anderer Stelle im Haushalt zu finden.
Der neu gewählte Hamburger Senat hat nun die Abschaffung der Studiengebühren für das Wintersemester 2012 angekündigt. Diese Verschleppung ist inakzeptabel; die Studiengebühren müssen sofort, zum Wintersemester 2011 abgeschafft werden.
a) Wenn Studiengebühren falsch sind, sind sie es immer und nicht erst in einem Jahr.
b) Durch die Verschleppung der Gebührenfreiheit wird die soziale Selektion ein weiteres Jahr verlängert. Für viele Studieninteressierte kann dies bedeuten, sich unfreiwillig für andere Entwicklungswege entscheiden zu müssen. Angesichts der Aussetzung der Wehrpflicht und doppelter Abi-Jahrgänge müßten aber sofort mehr Studierenden zugelassen werden.
c) Die Beibehaltung der Studiengebühren um ein weiteres Jahr wirkt der dringend erforderlichen Redemokratisierung entgegen. Die anstehende Reform des Ba/Ma-Systems, aber auch die angepeilte Reform des Hochschulgesetzes sind nur Beispiele für Entwicklungsprozesse, an denen die Studierenden maßgeblich beteiligt sein müssen, damit die nicht nur Kosmetik sind. Diese Beteiligung wäre durch die fortgesetzte Last der Studiengebühren erheblich eingeschränkt.
Umgekehrt gilt, dass die sofortige Aufhebung der Gebührenpflicht doppelt mobilisierend für demokratisches Engagement der Studierenden wirkt: Ein solcher Erfolg als Ergebnis von eigenen Kämpfen ermuntert und mit dem Wegfall des Konfliktfeldes Studiengebühren ist der Weg frei, sich weitergehender gesellschaftlicher Entwicklungsherausforderungen anzunehmen.
d) Die Wissenschaft bedarf dringend der Befreiung vom Verwertungsdiktat. Die Aufhebung der Gebührenpflicht wäre ein notwendiges Signal, dass Wissenschaft sich nicht vor allem an der Rendite, sondern an ihrem Beitrag zu gesellschaftlichem Fortschritt messen lassen muß. Die globalen Probleme stellen diesbezüglich große und drängende Herausforderungen, denen sich gestellt werden können muß.
e) Die Abschaffung der Studiengebühren ist auch erforderlich für den inneruniversitären Kulturwechsel von Kundenmentalität und Vorteilsnahme hin zu Kollegialität und mündiger Partizipation.
f) Geld ist genug da!
Hamburg ist eine der reichsten Städte der Welt. Wenn in allen östlichen Bundesländern ein gebührenfreies Studium möglich ist, muß dies auch in Hamburg gelten. Wenn auf Kuba gebührenfrei studiert werden kann, warum dann nicht in Hamburg?
Von 1970 bis 2005 war das Studium auch in Hamburg ohne Gebührenpflicht Standard. Der gesellschaftliche Reichtum ist seitdem nicht geringer geworden, die Bedingungen für die öffentliche Finanzierung allgemeiner Aufgaben sind somit grundsätzlich besser geworden.
Damit dieser Reichtum für öffentliche Aufgaben zur Verfügung steht, muß er allerdings auch steuerlich bei denen geholt werden, bei denen er sich häuft. Zudem sind haushalterische Prioritäten zu setzen für weniger Wirtschafslobbyismus und mehr Sozialstaatlichkeit.
Die Gebührenfreiheit steigert auch sofort volkswirtschaftlich die Konsumnachfrage und stärkt damit die Binnenwirtschaft und die Steuereinnahmen.
g) Was 2012 geht, muß auch 2011 möglich sein.
Es ist nicht plausibel, dass bereits jetzt für den Haushalt 2012 die finanziellen Möglichkeiten für die Abschaffung der Studiengebühren absehbar sind, während gleichzeitig die Unmöglichkeit eines solchen Schrittes für 2011 gelten soll.
Die Ankündigung, die Studiengebühren 2012 abschaffen zu wollen belegt: Dies ist keine Frage der Haushaltslage, sondern des politischen Willens.
a) Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) – www.abs-bund.de
Das ABS wurde 1999 als bundesweite Organisation zum Kampf gegen die Einführung von Studiengebühren gegründet. Mitglieder sind Asten, Hochschulgruppen, Gewerkschaften, Parteien, andere Organisationen und Einzelpersonen (insgesamt derzeit ca. 300 Bündnispartner_innen).
Auf den Seiten des ABS finden sich Grundsatzpositionen und Argumente gegen Studiengebühren, Informationen zur Situation in den einzelnen Bundesländern sowie Ankündigungen von Aktionen.
b) Fachschaftsrätekonferenz der Uni Hamburg – www.fsrk.de}
Die Konferenz der Fachschaftsräte an der Universität Hamburg arbeitet kontinuierlich die Studiengebührenfreiheit, seit 1993 unter der Regierung Kohl erstmals von öffentlichen Institutionen die Einführung von Studiengebühren gefordert wird („Eckwerte-Papier“ der Bund-Länder-Kommission zur Vorbereitung eines „Bildungsgipfels“). Auf der Homepage der FSRK sind diverse Publikationen gegen das Bezahlstudium seit 2001 zu finden. Die Publikationen haben meist Bezug zu Hamburg und lassen – wegen der chronologischen Dokumentation – die Genese der Studiengebühren in Hamburg gut nachvollziehen.
c) www.gebuehrenboykott.de und www.gebuehrenfreiheit.de
Diese Seiten sind anlässlich spezieller Aktionen für die Gebührenfreiheit in Hamburg eingerichtet worden – zum Boykott der Verwaltungsgebühren 2006, der allgemeinen Studiengebühren im WiSe 2007/08 und SoSe 2008, zur Urabstimmung gegen Studiengebühren im Mai 2009 und zur Unterschriftenkampagne „Für gebührenfreies Studium“, die seit 2009 läuft. Neben Argumentationen gegen Studiengebühren gibt’s es hier auch eine Sammlung von Rechtsgrundlagen gegen Studiengebühren sowie von Beschlüssen universitärer Gremien für die Gebührenfreiheit. Außerdem lassen sich hier speziell Argumente gegen die nachgelagerten Studiengebühren finden.