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FSRK

Semesteranfangszeitung

Inhalt


Verbesserungen gelingen durch kritisches Engagement

Zum Semesteranfang

Im April 1998 – vor nun mehr 10 Jahren – hat sich die Universität ein „Leitbild“ gegeben:

„[…] Geleitet von diesem Bild einer weltoffenen, wissenschaftlich leistungsfähigen Universität setzt sich die Universität Hamburg die

  • Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft für eine friedliche und menschenwürdige Welt,
  • Zusammenarbeit mit der Stadt und der Region,
  • Fächerübergreifende Kooperation zur Entfaltung der wissenschaftlichen Potentiale,
  • Höchstmögliche Qualität der Aufgabenerfüllung,
  • individuelle und korporative Verantwortlichkeit und
  • Offenheit des Zugangs zu Bildung und Wissenschaften

als Ziele ihrer künftigen Entwicklung.“

Der Erarbeitung dieses, ihre Mitglieder verbindenden, Programms ging eine kontroverse Debatte um die gesellschaftliche Perspektive der Universität voraus. Ein wesentlicher Knackpunkt war folgender Streit: Sollte die Hochschule und sollten ihre Mitglieder betriebswirtschaftlich durchgestylt werden und die Anforderungen der privaten Wirtschaft die wissenschaftlichen Inhalte und das Studium bestimmen?
Oder wären Erkenntnis, Humanität, demokratische Partizipation und soziale Verantwortung als Movens des Lernens, Lehrens und der Selbstverwaltung zu erkennen und zu verwirklichen?
Eine weitblickende und menschenfreundliche Haltung vieler damaliger Diskutanten sowie lebendige studentische Aktivitäten für eine demokratische Hochschulreform und gegen Studiengebühren beförderten eine positive Entscheidung.

Damit befindet sich das Leitbild der Universität im scharfen Kontrast zu dem Leitbild der vergangenen CDU-Senate, der sogenannten „Metropole Hamburg — Wachsende Stadt“, über dessen Verlängerung und lebensgefühlige Erweiterung die CDU zur Zeit mit den Grünen verhandelt. Von der Handelskammer (Interessenvertretung der privaten Hamburger Wirtschaft) eifrig unterstützt, ist in ihm die Zurichtung der Hochschulen auf die strengen Verwertungsanforderungen der „Wirtschaftscluster“ (Hafen/Logistik, Lifesiences, Luft- und Raumfahrt, China/Welthandel, Ostseeraum, Nanotechnologie) verankert. Dieses Leitbild prägt ein technokratisches Menschenbild, das Menschen zu „Humankapital“ des „Standortes“ degradiert und damit dem Gewinnstreben der Wirtschaft umfassend unterordnet.
Für die Hochschulen sind Studiengebühren, die neuen, streng selektiv gestuften Abschlüsse (Bachelor und Master) sowie der Abbau demokratischer Mitbestimmung und die Verschärfung der Konkurrenz der Hochschulangehörigen zueinander die logische politische Konsequenz.
Zu dieser rücksichtslosen Kultur der Geschäfte ist nach wie vor ein solidarisch engagiertes Contra erforderlich. Die Verwirklichung sozialer Offenheit aller Bildungseinrichtungen, ihre öffentliche, bedarfsgerechte Finanzierung und demokratische Partizipation für die Entwicklung eines verantwortlichen Gesellschaftsbezugs der Hochschulen müssen neu errungen werden.
Humane und vernünftige Wissenschaften leben davon.


Studiengebühren können nun abgeschafft werden

Rückblick und Ausblick

„Ich rate euch, nehmt euch in acht,
Es bricht noch nicht, jedoch es kracht;
Die Menge tut es.“

„Die Menge tut es“, Heinrich Heine, Nachgelassene Gedichte 1845-1856. html

Es ist nicht verwunderlich, daß Studiengebühren von den Studierenden weiterhin mehrheitlich konsequent abgelehnt werden: Zwar wird das Bezahlstudium von Arbeitgeberverbänden, neoliberalen Thinktanks und rechter Presse seit langem forciert und ist es in sechs von sechzehn Bundesländern jeweils unter Anleitung der Unionsparteien eingeführt worden.
Aber die unterordnende ideologische Botschaft: „Kauf Dir das ‚Privileg‘, Dich besser als andere standortgeschmeidig zu machen!“ provoziert geradezu den Protest: Denn mit der mittels 500 schmerzender Euro pro Semester erworbenen zweifelhaften Aussicht „etwas Besseres zu sein“, sollen die Studierenden die dicke Kröte der ewigen Konkurrenz schlucken und sich als jenes ‚Humankapital‘ begreifen, nach dem die Handelskammer verlangt.
„Haste was, biste was“ ist eine der anti-humane Kern der Studiengebühren.

Dieser Politik steht das gewachsene gesellschaftliche Erfordernis entgegen, daß sich massenhaft Menschen für die Schaffung besserer Lebensbedingungen wissenschaftlich qualifizieren. Mit dieser Perspektive setzten sich tausende Studierende für ein gebührenfreies Studium ein. Urabstimmungen, Demonstrationen, Vollversammlungen und Streiks sowie insbesondere mehrere Gebührenboykotts manifestierten das solidarische Nein! zu den Gebühren.
Nein! zu sagen, ist die Voraussetzung, für eine humane Entwicklungsrichtung des eigenen Lernens, anstatt sich gedanklich auf den Überlebenskampf im Auf und Ab der gesellschaftlichen Konkurrenz festnageln zu lassen.
Das Nein! soll eine Umkehr in der Wissenschaftspolitik zu Allgemeinwohlorientierung und Demokratie ermöglichen.
Dieses Nein! hilft, die sozialen Voraussetzungen der Muße für wirklich menschenwürdige wissenschaftliche Arbeit zu schaffen.

Weil es also nicht um ein studentisches Partikularinteresse, sondern um eine gesellschaftliche Richtungsentscheidung geht, ist es auch gelungen, gemeinsam mit Bündnispartnern aus allen Bildungsbereichen kurz vor der Bürgerschaftswahl eine Demonstration „Solidarität statt soziale Auslese! Gebührenfreie Bildung und eine erfreuliche Zukunft für Alle!“ zu unternehmen. So konnten wir entgegen der springergestützten CDU-Verhetzungspolitik der Alternativlosigkeit zum ‚Standort‘, die hamburger Bevölkerung in ihrer bereits hervorgebrachten verbreiteten Unzufriedenheit angesichts der CDU-Bildungspolitik bestärken und Mut machen, einen Politikwechsel anzustreben.

Im neu gewählten Parlament finden die Aufklärungserfolge der letzten Jahre ihren Ausdruck einer Mehrheit von Abgeordneten, die den Wahlprogrammen nach u.a. für die Abschaffung der Studiengebühren sind (SPD, Grüne und Die LINKE), obwohl die CDU als Fraktion im Parlament am stärksten vertreten ist.
„Die LINKE“ hat bereits einen Antrag für die sofortige Abschaffung der Gebühren sowie eine weitreichende Heilung des angerichteten Schadens gestellt, die SPD stellt einen Antrag zur Abschaffung der Gebühren zum nächsten Wintersemester. Die Bürgerschaft wird am 2. April erstmals darüber beraten.
Die Grünen haben sich im Wahlkampf auch auf die Gebührenfreiheit festgelegt, aber schwanken nun, ob sie dieses Ziel zu Gunsten einer Regierungsbeteiligung in den Verhandlungen mit der CDU preisgeben.
Um sich nicht eindeutig zu positionieren, soll deshalb zur Zeit die Entscheidung aufgeschoben und durch Koalitionsverhandlungen und Ausschussarbeit verschleppt werden.

Damit also die gesellschaftliche sowie potentiell parlamentarische Mehrheit gegen Studiengebühren zur Geltung kommt, ist weiterhin außerparlamentarischer Druck erforderlich. Dann kann die CDU ihre Politik gegen die Bevölkerung nicht oder nur noch eingeschränkt fortführen. Das sollten wir als Zwischenziel für einen grundlegenden Politikwechsel nun anstreben.

Für unsere weiteren Aktivitäten gegen Studiengebühren bedeutet dies: Die Aufklärungsaktivitäten der vergangenen Semester müssen unbedingt fortgesetzt werden – Unbeirrbarkeit statt Gewöhnung!
Vorerst sollte niemand die Gebühren für das Sommersemester an die Uni zahlen. Die Zahlfrist wäre sowieso erst der 15. Juni und bis dahin kann sich im politischen Gefüge der Stadt durch unser solidarisches Engagement noch viel zum Besseren verändern.

In der Auseinandersetzung gegen die Einschüchterungspolitik des Senats haben wir als einen Erfolg des „Extra-Boykotts“ im letzten Semester erreicht, daß eine Immatrikulation in der Universität jeweils für das ganze Semester gilt, also während des Semesters niemand exmatrikuliert werden kann, weil er die Gebühren für das laufende Semester nicht gezahlt hat. Gegebenenfalls wäre also ein weiterer Boykott der Gebühren ab dem 15. Juni erleichtert möglich.
Bis zum Beginn der Wintersemesters sollten wir das gebührenfreie Studium wieder erstritten haben. In jedem Fall gilt: Nur wer solidarisch kämpft, kann gewinnen.


Hoch die Schranken:
befreiend lernen statt ängstlich pauken.

Gegen die aufreibenden Ba/Ma-Studiengänge

„Entlassen aus den engen Schranken der Jugend, der Erziehung und Aufsicht des Elternhauses und der Schule, […] befreit von der regelmäßig zugeteilten Arbeit, fällt dem Studenten an deutschen Hochschulen ein ungewöhnliches Maß von Freiheit zu. Freizügigkeit von Hochschule zu Hochschule, die Möglichkeit, das gewählte Fachstudium zu wechseln, weitgehende Freiheit in der Wahl von Vorlesungen und Übungen, ein Lehr- und Lernsystem, das bis zu den Prüfungen im allgemeinen keine Überwachung des Studenten und seiner Arbeit zulässt, das sind die Hauptzüge der deutschen ‚akademischen Freiheit‘, die das studentische Leben so ungebunden macht, so losgelöst von aller bürgerlichen Enge.“

Walter Berendsohn, Hamburger Universitätszeitung, April 1919.

„Modularisierung bedeutet, Studienangebote konsequent von den Qualifizierungszielen her zu konzipieren und den Stellenwert und Beitrag jeder einzelnen Lehrveranstaltung im Hinblick darauf zu definieren. Indem jedes Modul zeitnah mit einer studienbegleitenden Prüfung abgeschlossen wird, können Studien- und Prüfungsinhalte deckungsgleich werden. Eignung, Studienerfolge und eventuelle Defizite lassen sich auf diese Weise frühzeitig und fortlaufend diagnostizieren und besser steuern.“

Centrum für Hochschulentwicklung der Bertelsmannstiftung (CHE): Argumente für eine rasche und konsequente Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge an deutschen Hochschulen, 2003. pdf

Enge Schranken der „modernen“ Hochschule: Die ganzen Semesterferien vorgearbeitet, weil der „workload“ während des Semesters kaum einen Jobben zulässt; Hausarbeiten fristgerecht abgeliefert; für mehrere Klausuren gepaukt und gleich wieder alles vergessen – und jetzt weiter rein in die Mühle?
Als Erstsemester schon Eingangstest, Aufbaukurs, Sprachschule absolviert?

Die „Qualifizierungsziele“, die diese Torturen angeblich erforderlich machen, ergeben sich aus dem von der privaten Wirtschaft prophezeiten „Bedarf des Arbeitsmarkts“, wo sich die Bachelor- und Master-Absolventen mit ihren Allgemeinen Baresbinichwert-Kompetenzen (ABK, offiziell: Allg. berufsqualifizierende Kompetenzen) anpreisen sollen. Die Inhalte der Lehrveranstaltung werden diesen ökonomischen Forderungen oft bis ins Detail angepaßt.
Dies sollen private Akkreditierungsagenturen garantieren, die anstelle demokratisch legitimierter Gremien oder wenigstens staatlicher Stellen nunmehr die Studien- und Prüfungsordnungen kontrollieren und genehmigen. (Kostenpflichtig selbstredend, was für die Universität einer Geldverbrennung nahe kommt.)
Was nicht wenigstens im weiteren Sinne wirtschaftsrelevant sein kann, soll dank der korsettartige Vorgaben der modularisierten Studiengängen gar nicht erst studiert werden. Dauerprüfungsdruck auf der Jagd nach „Credit points“, die fortlaufende Panik, als „Versager“ diagnostiziert zu werden und das der Anforderungserfüllung stets einen Schritt vorauseilende Kontrollsystem „StiNE“ sollen jeden Freiheitsdrang und erst recht jeden gesellschaftskritischen Impetus im Keim ersticken. Nicht von allein sind selbstverwaltete „autonome Seminare“ fast gänzlich verschwunden und offene Diskussionen in Lehrveranstaltungen eine Seltenheit geworden.

Gemeinhin sind Studierende keine zu optimierenden Roboter – wie es das CHE (s.o) nahe legt – sondern Menschen mit sozialen Interessen: Interesse an kultureller Entfaltung, sozialem Fortschritt, geistig anregender Tätigkeit, einem solidarischen Alltag, dem verantwortlichen Gebrauch der natürlichen Lebensgrundlagen und am friedlichen Zusammenleben der Völker. Zur Verwirklichung dieser Interessen sind alle Wissenschaften potentiell von positiver Bedeutung. Allerdings wäre dafür von neuem die Relevanz und Perspektive einer wirklich humanistisch orientierten Wissenschaft zu diskutieren.
Das hieße vor allem, den Grundkonflikt zur umfassenden Dominanz der privaten Ökonomie allerorten aufzunehmen.
Beispielhaft könnten sich die Wirtschaftswissenschaften gegen die Jobkonkurrenz für Vollbeschäftigungsmodelle engagieren (angefangen bei Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich), die Medizin müßte sich kritisch den gesellschaftlichen Ursachen von Krankheiten (z.B. Prüfungsstress…) stellen, die Naturwissenschaften sollten in gleicher Weise für eine verantwortliche Energiewirtschaft und gegen die permanente Weiterentwicklung- und Verbreitung von Waffen wirken; aus humanistischen Vorstößen in der Geschichte und rund um den Globus könnten tatsächlich Ableitungen für hier und heute gezogen werden (z.B. Beseitigung von Studiengebühren in Hamburg um 1970 und in Ungarn just now).

Es ist dringend an der Zeit, eine vertiefte Diskussion um die Relevanz der Bildungsinhalte anzugehen. Dies ist die Grundlage für jede vernünftige Reform des Studiums. Als erster befreiender Schritt sind über die Hochschulgremien die Leistungs- und Verängstigungsmechanismen aus den Studienordnungen zu entfernen.

Auf Vollversammlungen und in Fachschaftsräten kann dafür der Anfang gemacht werden. Zwar dürfte die CDU wieder an der Regierungsbildung beteiligt sein, aber Senator Dräger, der die Ba/Ma-Studiengänge in ihrer Restriktivität auf dem Gewissen hat, mußte schon den Hut nehmen.
Die so erreichte Chance auf Verbesserungen ist jetzt zu nutzen.
Also: Wie soll es besser werden?

http://www.fsrk.de/artikel_19.html [Stand 30. März 2008]


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