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FSRK

Studienreform: Eine Sache der Kritik.

Auswertung des „Studienreformtags“

„Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung.“
Leitbild der Universität Hamburg

Es soll am Freitag den 5. Februar nicht das letzte Mal gewesen sein, daß Studierende und Verwaltung (Hochschullehrer waren auch eingeladen) miteinander über die Notwendigkeit und Reichweite einer humanistischen Studienreform diskutieren. Darin zumindest waren sich die Teilnehmenden einig. Die vom Präsidium auf Druck der studentischen Proteste einberufene Konferenz sollte eigentlich streng modularisiert nur devote Anregungen zur Milderung des Bachelor-/Master-Systems zulassen und eine Menge Studierende über Beteiligungsmöglichkeiten dafür ins Bild setzen. Dieses Programm war von Beginn an illusionär. Nicht allein, daß Studierende sich am letzten Vorlesungstag nicht unbedingt Zeit für Interessenvertretung in beengtem Rahmen nehmen können. Vielmehr ist die Mitwürgung an der „Studierbarmachung“ von inhumanen, wissenschaftsfeindlichen und gesellschaftlich dysfunktionalen Studienordnungen wenig einladend.

So haben 50 Studierende, vorwiegend aus Fachschaftsräten, und eine Hand voll Mitarbeiter des universitären Verwaltungsreferats „Studium & Lehre“ miteinander diskutiert. Scharf kritisiert wurde die bürokratische Verflachung und Sachzwangideologie (stetes Verweisen auf die höhere Ordnung), mit der der gesellschaftspolitischen Frage „Wozu studieren?“ ausgewichen werden sollte. Universität für Frieden und Humanität, solidarisches Lernen und befreiendes Eingreifen in eine sozial und kulturell aufreibende Welt wurde als Inhalt des Lernens mit der sturen Verwaltungspraxis der Überwachung zur Einhaltung von fremdgesetzten Normen kontrastiert, die die Lernenden auf die Forderungen künftiger Arbeitgeber zurichten sollen. Deutlich wurde dabei, daß die anstehende Überarbeitung des Hamburgischen Hochschulgesetzes dazu genutzt werden muß, die gesetzliche Vorgabe einer Regelstudienzeit von 6 plus 4 Semestern und die Verpflichtung auf ein zweistufiges Studiensystem mit dem Bachelor als Pflicht-Hürde abzuschaffen.

Erfahrungsberichte aus den Fachschaftsräten verschafften einen Überblick über die ausgreifende Willkür und soziale Ignoranz von Lehrenden, die durch Anwesenheitspflicht, Notengebung, Modularisierung und Arbeitsüberlastung strukturell gefördert wird. Universität erinnert nicht nur im Einzelfall mittlerweile eher an eine preußische Oberschule, als an einen Ort gesellschaftlich verantwortlicher Persönlichkeitsentfaltung.

Klar zu Tage trat auch, daß das unbedingt erforderliche Engagement in Fachschaftsräten und akademischen Gremien für die Senkung der Prüfungsbelastung, Erhöhung der Wahlfreiheit und Entschleunigung des Studiums auf strukturelle Grenzen trifft, die durch eine solidarische Bewegung überwunden werden müssen: Die Ausschüsse für Lehre und Studium und fachbezogene Gremien müssen wieder aufgewertet werden, damit wissenschaftliche und didaktische Begründungen für die Gestaltung von Studium und Lehre gegen Verwaltung und Wissenschaftsbehörde besser zur Geltung kommen. Auch eine bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung der Universität ist für das Verlassen der schmalen Spur unerlässlich.

Besonders scharfe Hürden bilden aber die aggressiv pro-kapitalistischen hochschulpolitischen Anordnungen, durch Notenvergabe und „Kompetenz“-Orientierung (ABK) das Lernen marktgängig zu individualisieren, zur vermeintlichen Selbstbehauptung in forcierter Konkurrenz anzutreiben und die Beherrschung abstrakter Fertigkeiten einzufordern, anstatt auf einen menschengemäß kooperativen Prozeß der kritischen Weltaneignung zu setzen.

Diese Beschränkungen müssen sämtlich fallen. Das Ba/MA-System ist zugunsten der Magister- und Diplomstudiengänge abzuschaffen, die weiterhin als Grundlage einer demokratischen und wissenschaftlichen Studienreform dienen können und sollten. Dafür muß die Bewegung für humanistisches Lernen und für die demokratisch souveräne Entwicklung der Wissenschaften im eigenen, verallgemeinerbaren Interesse wachsen.

http://www.fsrk.de/artikel_169.html [Stand 10. Februar 2010]