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dokumentiert

Beschluß des Fakultätsrats Geisteswissenschaften

„Bauszenarien der Universität Hamburg“

I. Ausgangssituation

— Die Fakultät für Geisteswissenschaften hat gegenwärtig deutlich zu wenig Nutzfläche (Unterbringung von Gastwissenschaftler/innen, Studierenden-Arbeitsplätze). In der Studie wird ein Flächenbedarf der Fakultät von ca. 25.500 qm angesetzt, der künftig um ca. 4000 qm aufzustocken ist, woraus sich eine Summe von 29.500 qm ergibt. Dieser Flächenbedarf unterschreitet jedoch die derzeit der Fakultät tatsächlich zur Verfügung stehenden Nutzflächen, die sich auf rund 31.500 qm belaufen. Informationen über möglicherweise darüber hinaus ausgewiesene Aufwuchskontingente liegen nicht vor.

— Die Fakultät für Geisteswissenschaften ist aufgrund ihrer Forschungs- und Lehrgegenstände stark auf Kultur und Kulturgeschichte orientiert; ihre akademische Einbindung in das Grindelviertel ist daher besonders ausgeprägt. Die Gebäude der Universität spiegeln die einzelnen Phasen ihrer Geschichte. Sie zu erhalten ist seit Jahren ein Anliegen der Universität und zeigt sich in der Sanierung alter, auch ‚kolonialer’ Gebäude im ‚jüdischen Viertel’ als kulturellem Erbe der Universität und dessen Aufarbeitung (Hörsaalbenennung, enteignete Villen), in der Architektur der 1960er Jahre, die eng verbunden ist mit der Demokratisierung und sozialen Öffnung der Hochschulen (Audimax, Philosophenturm) sowie in der Verpflichtung auf eine friedliche Internationalität, wie sie in Namensgebungen zum Ausdruck kommt (Allende-Platz, Martin-Luther-King-Platz, Staats- und Universitätsbibliothek Carl-von-Ossietzky).

— Die Nähe zum politischen, ökonomischen und kulturellen Zentrum der Stadt zeichnet die Universität Hamburg als eine integrierte Stadtteil-Universität aus; sie hat alltägliches Gewicht im ‚Transfer’ zwischen Wissenschaft und allen anderen Bereichen der Gesellschaft. Nicht zuletzt die sozial wie ökonomisch in großem Umfang erforderlichen Nebentätigkeiten von Studierenden sind in dieser Verbindung bestens zu realisieren. Für Forschung, Lehre und Studium bedeutsam ist auch die erst jüngst hergestellte Nähe zu anderen Forschungseinrichtungen. Die Universität Hamburg ist verkehrsmäßig regional und überregional durch Busse, S/U-Bahntrassen, eine ICE-Trasse und großzügige Straßenzüge sehr gut angeschlossen.

II. Auswertung der Szenarien der „Studie zur baulichen Entwicklung der Universität Hamburg“ aus der Perspektive der Fakultät

Gemäß ihrem Leitbild beschäftigt sich die Fakultät für Geisteswissenschaften mit „Ideengefügen und Geltungsansprüchen, mit sozialen Handlungen und ihren Motiven, mit Strukturen und Prozessen von Gesellschaft und Herrschaft in Geschichte und Gegenwart“. Aus dieser Perspektive stellt der Fakultätsrat fest, dass die vorgelegte Studie der BWF ein einseitiges, vermarktungsorientiertes Bild von der Aufgabe der Hochschule zeichnet. Der Fakultätsrat der Fakultät für Geisteswissenschaften betont hingegen, dass Wissenschaft und Bildung dem allgemeinen Wohl dienen.

Szenario 1 („behutsames Einfügen von Neubauten sowie Bewahrung und Sanierung des Bestandes“)
— nur mäßige Beeinträchtigung durch Baulärm und Umzüge;
— vorhandene Infrastruktur (z.B. Kinos, Museen) kann weiterhin genutzt werden, etwa im Rahmen von Lehrveranstaltungen;
— bestehende sehr gute Verkehrsanbindung bleibt erhalten;
— Arbeitsbereiche der Fakultät bleiben auf verschiedene Standorte verteilt;
— fakultätsübergreifende Zusammenarbeit weiterhin gut möglich;
— kaum Flächengewinn, aber auch kein Flächenverlust.

Szenario 2 („Neubauten am Standort und Bewahrung einiger signifikanter Gebäude“ u. a. Philturm, ESA 1)
— wie Szenario 1;
— dazu: bessere Integration der Fakultät, sofern in Campusnähe ein größeres Gebäude hinzukommt;
— dazu: Beeinträchtigung von Forschung und Lehre durch Bauarbeiten und Lärm.

Szenario 3 („Neubauten am Standort und Bewahrung einiger signifikanter Gebäude“ u.a. Philturm, ESA 1, plus Umzug der MIN-Fakultät auf den Kleinen Grasbrook)
— wie Szenario 2;
— dazu: erschwerte interfakultäre Zusammenarbeit in Forschung und Lehre (z.B. für Lehramtsstudierende, die zwischen mehreren Standorten pendeln müssen).

Szenario 4.0 und 4.1 („Umzug der gesamten Universität auf den Kleinen Grasbrook mit unterschiedlich starker städtebaulicher Entwicklung vor Ort“: bei 4.0 Einbeziehung der gesamten Fläche des Kleinen Grasbrooks, bei 4.1 nur eines Teils)
— Fakultät inklusive Verwaltung, Dekanat und Drittmittelforschung kann in einem gemeinsamen Gebäude bzw. Trakt untergebracht werden, was bessere Möglichkeiten der Zusammenarbeit bietet;
— teilweise höherwertige oder bessere Ausstattung der Büros und Unterrichtsräume (z.B. behindertengerechte Zugänge);
— fakultätsübergreifende Zusammenarbeit gut möglich;
— Verlust der Anbindung an Quartier und kulturelle Infrastruktur sowie an die hiesige Medienwirtschaft;
— kulturelle Isolation am Grasbrook: Campusuniversität ohne Vernetzung in die Stadt;
— Aufgeben der historisch gewachsenen Strukturen und ihrer Geschichte;
— erschwerte und vielfach weitere Anfahrt für Beschäftigte und Studierende;
— Verunmöglichung der Integration von Studium und Nebentätigkeiten;
— Aufgeben des Standortvorteils der Universität Hamburg, im Vergleich mit vielen anderen Universitäten in der BRD, eine Universität in der Stadt zu sein (vergleichbar etwa mit der Lage der Humboldt-Universität zu jener der Freien Universität in Berlin).

III. Fazit und Stellungnahme

Der Fakultätsrat begrüßt, dass der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg bereit ist, die dringend erforderlichen öffentlichen Gelder in die bauliche Entwicklung der Universität zu investieren.
Unter der Prämisse, dass die Fakultät erstens deutlich mehr Flächen erhält und zweitens die Möglichkeit, sich räumlich zu zentralisieren, d.h. periphere Lagen wie die Sedanstraße oder die Max-Brauer-Allee aufzugeben und kleine Standorte in einen größeren zu integrieren, erscheint ein Verbleib am Standort als beste Lösung (d.h. die Umsetzung von Elementen aus den Szenarien 1 und 2).

— Ziel ist die Vermeidung von Streulagen und die Zusammenführung der Fakultät an wenigen zentralen Standorten.
— Ein konkretes Ziel aus der Perspektive der Fakultät ist die räumliche Wiedereingliederung der Indologie in den Komplex der Asien-Afrika-Wissenschaften.
— Ideal für die Bedarfe der Fakultät wäre die Anmietung des Postgebäudes in der Schlüterstraße (z.B. für die Ev. Theologie, Verwaltung, kleine Streulagen).

Szenario 3 erscheint aufgrund der Teilung der Universität und der nichtexistenten Vorteile gegenüber Szenario 2 (mit gleichem Bauplan für geisteswissenschaftliche Areale am Standort Rotherbaum) als schlechteste Variante aus der Perspektive unserer Fakultät.
Szenario 4 wurde von der Fakultät als Option ernsthaft geprüft, aufgrund der möglicherweise besseren räumlichen Ausstattung und der fakultären Kohärenz. Der Fakultätsrat wendet sich jedoch aus den genannten kulturell-historischen Gründen dezidiert gegen einen Umzug der Universität Hamburg. Die im Grindel-Viertel bestehende wissenschaftlich herausfordernde, kulturell anregende und wirtschaftlich lebendige Symbiose aufzulösen, wäre destruktiv und fahrlässig gegenüber Fakultät, Universität und Bevölkerung. Der Fakultätsrat fordert eine deutliche räumliche Vergrößerung auch für die Geisteswissenschaften.
Er spricht sich für eine zügige Sanierung und Modernisierung der Universität unter
Wahrung ihres geschichtlichen Erbes aus und befürwortet ihre Erweiterung unter demokratischer Einbeziehung der Universitätsmitglieder wie der Öffentlichkeit.
Die vom Bezirksamt Eimsbüttel erarbeiteten Vorschläge für den Verbleib der Universität am bisherigen Standort begrüßt er als wesentlichen Beitrag zu einer qualifizierten Debatte um die räumliche Zukunft der Universität Hamburg.

gez. Prof. Dr. Claudia Benthien (Komm. Dekanin) im Auftrag des Fakultätsrats

http://www.fsrk.de/artikel_164.html [Stand 2009]