Der Referentenentwurf sieht eine Verschärfung des privat-wirtschaftlichen Zugriffs auf Bildung und Wissenschaft und feudale Hierarchien anstelle demokratischer Autonomie vor. Besondere Brisanz gewinnt dies durch die Verbindung beider Elemente (z.B. wenn ein unternehmerisch dominierter Hochschulrat sich eine/n genehmen Präsidenten/in sucht, diese/r linientreue Dekane bestimmt, diese wiederum Berufungskommissionen einsetzen in denen dann auch Unternehmensvertreter/innen mitwirken dürfen, etwa aus den im Hochschulrat vertretenen Konzernen.)
Diese hochschulpolitische Richtung ist Teil der gesellschaftlichen Krise und gescheitert. Die beabsichtigte Gesetzesänderung bedeutete eine gesteigerte Einschränkung produktiver Wissenschaft und ist daher in hoem Maße gesellschaftlich Disfuktional. Der Referentenentwurf wird deshalb grundsätzlich abgelehnt.
Menschliche Emanzipation gedeiht durch wissenschaftliche Weltaneignung, Aufklärung, Demokratie und kollegiale Zusammenarbeit. Bildung und Wissenschaft müssen von fiskalischen und sozialen Hürden sowie normierender („Leistungs“-)Kontrolle unbedrängt sein.
Eine Reform des derzeitigen Hochschulgesetzes in entgegengesetzter Richtung ist deshalb erforderlich. Eckpunkte einer solchen Novelle müssen sein:
a) Das Studium an Hamburgs öffentlichen Hochschulen muß gebührenfrei sein. Die Paragraphen 6 a,b,c, d und e (1) sind zu streichen.
b) Das inhaltlich restriktive und sozial selektive Bachelor/Master-System muß dringend überwunden werden. An die Stelle kommerziell-bürokratischer Akkreditierung und Evaluierung trete demokratische Selbstverwaltung.
c) Der Hochschulrat sollte in ein gesellschaftlich repräsentatives Beratungsorgan umgewandelt werden. Die Leitungsorgane sind demokratisch zu wählen. Die Wahl sollte einem möglichst repräsentativen Gremium zukommen.
Ein gesamtuniversitäres, viertelparitätisches Gremium zur Wahl der Hochschulleitung, zur Erörterung und Beschlußfassung über Grundsatzfragen der Hochschulentwicklung, über die gesellschaftliche Stellung der Hochschule und aktuelle Herausforderungen ist erneut einzurichten (Konzil/Konvent).
Entscheidungskompetenzen sollen vorrangig den gewählten, mitgliedergruppenübergreifenden Gremien (Fakultätsräte, Akademischer Senat) zustehen und möglichst nah bei den betreffenden Einrichtungen angesiedelt sein.
Eine Mitbestimmungsebene unterhalb der Fakultätsräte ist wieder regelhaft vorzusehen.
d) Berufungsverfahren müssen Aufgabe gewählter Gremien der Akademischen Selbstverwaltung sein.
e) Die Einheit von Lehre und Forschung muß gefördert werden, insbesondere durch eine gleichmäßige Lehrbeteiligung von Hochschullehrern/-innen.
f) Die konkurrenzverschärfende „leistungsorientierte“ Mittelvergabe und Besoldung ist zugunsten demokratischer und bedarfsgerechter Mittelverteilung zu überwinden.
[Die Nummerierung entspricht derjenigen des Änderungsgesetzes]
Zu Nr. 3 § 3 Absatz 8
Diese Änderung ist abzulehnen.
Begründung:
Durch die Einführung von „Partnereinrichtungen“ für den „Wissenschafts- und Technologietransfer“ soll die direkte Einflußnahme der privaten Wirtschaft auf den Wissenschaftsprozeß institutionell begünstigt werden. Die Beteiligung der Mitgliedergruppen nach § 10 HmbHG an den Entscheidungen über Inhalt und Ziel dieser Einrichtungen ist nicht gewährleistet. Zur Wahrung des Grundlagencharakters universitärer Wissenschaft, für die grundgesetzlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre sowie für deren ethische Unbedenklichkeit ist die institutionelle Eigenständigkeit staatlicher Hochschulen uneingeschtänkt zu gewährleisten.
Zu Nr. 7 § 13 Berufungsverfahren
Diese Änderungen werden abgelehnt.
Begründung:
– Die Vorschlagslisten müssen von Berufungskommissionen erstellt werden, die anläßlich eines Berufungsvorhabens von den Fakultätsräten (in Hochschulen ohne Fakultäten von den Hochschulsenaten) gewählt werden. Nur dieses Verfahren gewährleistet, daß die Berufungsentscheidung nicht nach den Vorstellungen einer Einzelperson (Dekan/-in) präjudiziert werden können, sondern daß wissenschaftliche Erfordernisse, Kooperationsabsichten und die Bedürfnisse in Lehre und Studium zur Geltung kommen.
– Die beabsichtigte Einbeziehung von Externen, insbesondere aus der privaten Wirtschaft, verstärkt die ökonomistische Lenkung von Bildung und Wissenschaft und steht damit ihrer allgemeinwohlorientierten Entwicklung entgegen.
Zu Nr. 7 § 14 Berufungen, Bleibevereinbarungen, Berufungszusagen
– Neu wäre die Möglichkeit der „außerordentlichen Berufung“ (§ 14 (1) Satz 3).
Diese Änderungen ist abzulehnen.
Begründung:
– Außerordentliche Berufungen (ohne Berufungsverfahren) sind reine Willkürentscheidungen bzw. Entscheidungen nach Opportunität und schaden deshalb einer vernünftigen Wissenschaftsentwicklung.
Zu Nr. 9 § 16 Dienstrechtliche Stellung der Professorinnen und Professoren
Die Änderung ist - mit nachstehenden Einschränkungen - zu begrüßen.
Begründung:
Sie wirkt der Verdrängung von Hochschulmitgliedern aus der aktiven Teilhabe am wissenschaftlichen Leben entg egen. Es wäre zu regeln, daß sie ihren Mitglieds-Status behalten. Es ist nicht ersichtlich, warum diese Möglichkeit mit dem 75. Lebensjahr enden soll und was eine „hervorragende Eignung“ über die Qualifikation zur Berufung hinaus sein soll bzw. inwiefern das Präsidium befähigt wäre, diese festzustellen.
Zu Nr 21. § 42 Exmatrikulation
Diese Passage ist zu streichen.
Begründung:
Die Studierenden sind mündig und entscheiden selbstverantwortlich über die inhaltliche Ausgestaltung und Dauer ihres Studiums. Das gehört zu ihrer akademischen Freiheit nach Art. 5 GG und § 50 HmbHG („Freiheit des Studiums“). Eine Zwangsberatung und -exmatrikulation steht einer ursächlichen Problemerkennung und -lösung entgegen, weil vorhandene strukturelle, soziale und persönliche Hindernisse so weder analysiert noch behoben werden können. Stattdessen werden diese in „individuelles Versagen“ umgedeutet.
Darüberhinaus sind die Absätze des § 42 zu streichen, denen zufolge Studierende wegen
1. „schuldhaftem Fehlverhalten“ zum „Schaden“ der Universität,
2. nicht gezahlter Beiträge oder Gebühren sowie
3. wegen Überschreiten der doppelten Regelstudienzeit
exmatrikuliert werden können.
Begründung:
1. Eine Zensur findet nicht statt und Hochschulrecht ist kein Strafrecht.
2. Eine Exmatrikulation aufgrund nicht gezahlter Beiträge oder Gebühren ist unsozial und verschärft Probleme anstatt sie zu lösen.
3. Die Studierenden sind mündig und entscheiden selbstverantwortlich über Ablauf und inhaltliche Ausgestaltung ihres Studiums, auch über die Studiendauer.
Zu Nr. 24 § 51 Studienberatung
Von dieser Änderungen sollte abgesehen werden.
„(4) 1 Die Hochschulen regeln das Nähere durch Satzung, 2 Dabei sind über § 42 Absatz 2 Nummer 6 hinaus keine weiteren Sanktionen bei Nichtteilnahme an der Studienfachberatung vorzusehen. in der auch die Verpflichtung der Studierenden zur Teilnahme an einer Studienfachberatung nach dem Ende der Regelstudienzeit vorgesehen werden kann.“
Die Änderung ist in dieser Form abzulehen.
Begründung:
Die Streichung der Verpflichtung zur Teilnahme an der Studienfachberatung wäre eine positive Änderung. Alle weiteren Änderungen von § 51 sind aus den zu Nr. 21 genannten Gründen abzulehnen.
Zu Nr. 25 § 52 Studiengänge (8)
(8) Die Hochschulen sind verpflichtet, Bachelor- und Masterstudiengänge nach § 54, postgraduale Studiengänge nach § 56, soweit bei ihnen ein Grad erteilt werden soll, sowie alle anderen neu einzurichtenden grundständigen Studiengänge, in denen keine Rahmenprüfungsordnung vorliegt oder die geltende Rahmenprüfungsordnung überholt ist, in einem anerkannten Verfahren akkreditieren zu lassen. die Qualität ihrer Bachelor- und Masterstudiengänge nachzuweisen. Der Nachweis wird durch die jeweils in einem anerkannten Verfahren durchzuführende Akkreditierung der Studiengänge, durch systemakkreditierte interne Qualitätssicherungssysteme der Hochschulen oder durch die Kombination beider Akkreditierungsformen erbracht. Das Nähere wird in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen nach § 2 Absatz 3 festgelegt.
Diese Änderung weist in die falsche Richtung und ist abzulehnen.
Begründung:
Die Akkreditierung von Studiengängen ist Mittelverschwendung, stärkt insbesondere in den Ingenieur- und Naturwissenschaften den Einfluß der privaten Wirtschaft auf den Inhalt von Lehre und Studium und sorgt bürokratisch und restriktiv für eine Erstarrung des Studiensystems. Sozialen und bildungswissenschaftlichen Erfordernissen sowie fachwissenschaftlichen Neuerungen kann so nur schwer entsprochen werden.
Die Hochschulen sollten stattdessen dazu angehalten werden, die BA/MA-Studiengänge nach Maßgabe der Wissenschaftlichkeit, Sozialverträglichkeit und demokratischer Partizipationsmöglichkeiten insbesondere der Studierenden zu reformieren. Sie sollten die Qualität der Studiengänge und den Reformprozesses in zweijährig zu erstellenden Studienreformberichten nachweisen, der in den allgemeinen Universitätsgremien zu diskutieren, zu kommentieren und zu verabschieden ist und der Bürgerschaft zur Kenntnis gegeben wird. Die Regelung durch ZLV wird damit überflüssig.
Zu Nr. 26 § 54 Bachelor- und Masterstudiengänge
(3) 1 Aufgrund von Prüfungen, mit denen ein weiterer berufsqualifizierender Abschluss erworben wird, kann die Hochschule einen Master- oder Magistergrad verleihen. 2 Die Regelstudienzeit beträgt mindestens ein Jahr und höchstens zwei Jahre. 3 Zugangsvoraussetzung ist mindestens ein abgeschlossenes Hochschulstudium.
Diese Änderungen werden abgelehnt.
Begründung:
a) Leistungspunkte:
Das „Leistungspunkte“-System normiert und quantifiziert das Lernen und die Lernenden. Es wird der Berechnung des sogenannten „workloads“ der Studiengänge zugrundegelegt. Damit trägt es zur Verschulung und Verflachung des Studiums durch die Festsetzung des semesterweise pflichtgemäß zu bewältigenden „Pensums“ bei. Sie halten zur rein formalen Erfüllung quantitativer Ziele („Stoff“ und Zeit) an, behindern somit die wissenschaftliche Vertiefung, kooperatives Lernen und gängeln die Studierenden.
b) Verkürzung der Regelstudienzeit:
Die Verkürzung der Studienzeiten erhöht den Druck auf die Studierenden zu einem entfremdeten Schmalspurstudium nach Maßgabe spekulativ angenommener „Arbeitsmarktnachfrage“ .
c) Master-Zugang nur mit einem „abgeschlossenen Hochschulstudium“:
Der „konsekutive“ Übergang vom Bachelor zum Master schafft eine zusätzliche Hürde zum wissenschaftlichen Studium, die soziale und kulturell selektiv wirkt und damit dem Recht auf persönliche Entfaltung, der freien Wahl der Berufs- und Ausbildungsstätte sowie dem gesellschaftlichen Bedarf breiter wissenschaftlicher Qualifizierung entgegensteht. (Vgl. auch Kommentar zu Nr. 25)
Zu Nr. 28 § 57 Weiterbildendes Studium
Die Änderung ist abzulehnen.
Begründung:
Die Begrenzung des Zugangs zu weiterbildenden Masterstudiengängen auf Menschen mit Hochschulabschluß schließt qualifizierte und engagierte Bewerber/-innen (zum Bespiel Pflegepersonal, Erzieher/-innen) von dieser Möglichkeit aus und fördert damit eine elitäre Ausrichtung der Hochschulen.
Zu Nr. 30. § 59 Hochschulprüfungen
Auf diese Änderung sollte verzichtet werden.
Begründung:
Sie drängt Lehrende bei jeder Lehrveranstaltung im BA/MA-System eine solche Erklärung zu verlangen, weil nahezu alles (Hausarbeit, Referat, Essay, Laborberichte etc.) als Prüfungsleistung betrachtet wird. Dies stellt Studierende unter den Generalverdacht der Täuschung und individualisiert damit Mißstände, die auf die restriktiven Lernbedingungen zurückzuführen sind.
Es ist auch nicht ersichtlich, was „unzulässige fremde Hilfe“ sein soll; es besteht damit die Gefahr, daß solidarisches Lernen (zum Beispiel bei der Ausarbeitung von Referaten, Hausarbeiten, bei der Bearbeitung von Übungsaufgaben) negativ sanktioniert wird.
Zu Nr. 35 § 79 Präsidium
– die in § 13 Absatz 2 Satz 4 vorgesehenen Mitglieder der Berufungsausschüsse zu bestellen und in Hochschulen ohne Fakultäten die Berufungsausschüsse einzusetzen,
– Einvernehmen mit dem Berufungsausschuss, in Hochschulen mit Fakultäten auch im Benehmen mit dem Dekanat, über den Ver zicht auf eine Ausschreibung nach § 13 Absatz 1 Satz 3 und über die Durchführung eines außerordentlichen Berufungsverfahrens nach § 14 Absatz 1 Satz 3 zu entscheiden,
Diese Änderungen werden abgelehnt.
Begründung:
Die Wahl und Zusammensetzung der Berufungsausschüsse sollte als wissenschaftliche Gemeinschaftsaufgabe den Fakultätsräte (in Hochschulen ohne Fakultäten Aufgabe des Hochschulsenats) zustehen. Berufungen haben langfristige Bedeutung für die inhaltliche Entwicklung der Einrichtung und sollten nicht Teil eines dirigistischen „Top-Down“Verfahrens (Hochschulrat-Präsident-Dekan-Berufungsausschuß) sein. Die Berufung ohne Ausschreibung ist eine Berufung nach Gutdünken und deshalb mit einer wissenschaftlichen Institution in einer Demokratie nicht vereinbar.
Zu Nr. 39 § 89 Fakultäten
Die Änderung ist abzulehnen.
Begründung:
Einvernehmlichkeit ist das Minimum! Die Zentralisierung der Fakultätsverwaltungen entfremdet die Verwaltung von dem Wissenschaftsprozeß und schadet damit der Universität. Sie ist deshalb nicht durchzusetzen. Anstelle dieser Stärkung des betriebswirtschaftlichen Kommandos sollte von dem Bedarf, also den Erfordernissen wissenschaftlicher Redlichkeit und Produktivität, sozialer Verantwortung in Studium, Lehre, Forschung und Selbstverwaltung sowie von einem kollegialen Miteinander ausgegangen werden. Die „Grundsätze[n] von Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit“ sind ökonomistische Phrasen, die weder inhaltlich gefüllt sind noch für eine gelungene kollegiale Hochschulselbstverwaltung maßgeblich sein können.
Zu Nr. 40 § 90 Dekanat
Dieser Änderungsvorschlag wird abgelehnt.
Begründung:
Mit ihm wird darauf abgezielt, die aktuellen Kontroversen über die weitere Hochschulentwicklung, die sich auch in den Dekanewahlen der Fakultäten niederschlagen, autoritär abzuwürgen anstatt sie demokratisch auszutragen. Dieses Vorgehen ist für eine produktive und erfreuliche Zusammenarbeit zwischen Fakultätsmitgliedern und Fakultätsleitung sowie zwischen Fakultät und Hochschulleitung schädlich.
Zu Nr. 41 § 91 Fakultätsrat
Die Streichung wird abgelehnt. (Vgl. Stellungnahme zu Nr. 7)
Zu Nr. 42 § 98 Öffentlichkeit
Diese Änderung ist abzulehnen.
Begründung:
Sie hätte zur Folge, daß unsachliche und unfaire Vorgehensweisen in den Beratungen ausschließlich auf juristischem Wege, also fast gar nicht transparent gemacht und bekämpft werden könnten. Mindestens ist auf die Worte „und die Beratung“ zu verzichten.
– Die durchschnittliche Lerhverpflichtung aller universitären ProfessorInnen wird von acht auf neun SWS erhöht, die Lehrverpflichtung der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen wird ebenfalls erhöht.
– Die Lehrverpflichtung der ProfessorInnen wird individuell flexibilisiert und soll zwischen 4 und 14 SWS liegen.
Diese Änderungen werden abgelehnt.
Begründung:
Die Etablierung von einerseits forschungsorientierten und andererseits lehrorientierten Professuren negiert die besondere Bedeutung der Einheit von Forschung und Lehre: Wissenschaftliche Erkenntnisse in der Auseinandersetzung mit Studierenden entwickelt und bereichert und werden permanent und aktuell durch die Lehre verallgemeinert.
Zudem verstärkt die Regelung die Konkurrenz zwischen den HocschullehrerInnen und steht damit produktiver wissenschaftlicher Zusammenarbeit entgegen. Eine einheitlcihe Lehrverpflichtung für alle Professorinnen hat sich bewährt und sollte beibehalten werden.
Hamburg, den 25. Mai 2009