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FSRK

Sanktionierte Autonomie:
Zuckerbrot und Peitsche

von der FSRK-AG zum Senatsentwurf zur Änderung des HmbHG

Senatsentwurf zur Änderung des HmbHG

§ 2 Rechtsstellung, Ziel- und Leistungsvereinbarungen

(3) Die Hochschulen und die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die zuständige Behörde, treffen verbindliche Ziel- und Leistungsvereinbarungen über die Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Die Vereinbarungen sind jährlich fortzuschreiben. Die Ziel- und Leistungsvereinbarungen regeln für die Globalzuweisung nach § 6 Absatz 1 deren Aufteilung sowie die anzuwendenden Kennzahlen und Indikatoren. Die Ziel- und Leistungsvereinbarungen sollen die Verfahren für die Feststellung des Zielerreichungsgrades und die aus dem Zielerreichungsgrad sich ergebenden Konsequenzen regeln.

§ 3 Gemeinsame Aufgaben der Hochschulen

(2) Die Hochschulen sorgen dafür, dass die Qualität ihrer Arbeit in Forschung und Lehre, zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses und zur Erfüllung des Gleichstellungsauftrages systematisch und regelmäßig bewertet wird. Bei den Qualitätsbewertungsverfahren sind interne und externe Sachverständige zu beteiligen. Bei der Bewertung der Lehre sind die Studierenden zu beteiligen, insbesondere wirken sie in den dafür eingesetzten Gremien mit. Die Hochschulen treffen in Satzungen die näheren Bestimmungen über die Qualitätsbewertungsverfahren und veröffentlichen die Ergebnisse der Bewertungen.

(3) [Satz 2:] Sie [die Hochschulen] sind dabei an die Strukturentscheidungen der staatlichen Hochschulplanung gebunden; sofern Vereinbarungen nach § 2 Absatz 3 nicht rechtzeitig zu Stande kommen, können die zu erbringenden Leistungen und die zu erreichenden Ziele durch die staatliche Hochschulplanung festgelegt werden.

Sanktionierte Autonomie: Zuckerbrot und Peitsche

Die Zurichtungsinstrumente des Entwurfs zum "Hochschulmodernisierungsgesetz"

Im Zuge propagierter „Autonomie“ der Hochschulen, soll diesen mehr „Eigenverantwortung“ über die immer knapper werdenden Mittel zugestanden und durch Übertragung von Dienstherrenrecht und Liegenschaften sollen sie in die Lage gezwungen werden, „selbst marktorientiert zu handeln“ (s. LOI). Mit der verbindlichen gesetzlichen Regelung von Ziel und Leistungsvereinbarungen wird ein „Steuerungsmittel“ der Behörde gegenüber den Hochschulen weiter festgeschrieben und restriktiv ausgebaut (Grund- und Leistungsbudget sowie Innovationsmittel), um sicherzustellen, daß auch „standortsichernd gewirtschaftet“ wird. In den Vereinbarungen sollen die Hochschulen auf quantifizierbare Ziele verpflichten werden: Bei optimaler Erfüllung winkt zur Belohnung eine dreijährige „Planungssicherheit“ (falls die Finanzbehörde nichts dagegen hat!) bzw. ein Bonbon aus dem Leistungs- oder Innovationsfond, bei Nichterfüllung bzw. der Weigerung einen solchen Knebelvertrag einzugehen, wird offen mit empfindlichen Finanzsanktionen sowie staatlichen Regelungseingriffen gedroht. „Bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt“ – so will sich der CDU/Schill/FDP-Senat den Einfluß auf Gegenstand, Organisation und Entwicklung von Forschung, Lehre und Studium erzwingen. Zur Absicherung gewünschter „Zielerreichung“ sollen die Hochschulen zu regelmäßigen Evaluationen und Bewertungsverfahren mit vorgegebenen „Leistungs“parametern und -indikatoren verpflichtet werden, von deren Ergebnissen unmittelbar die Mittelzuweisung abhängig sein soll. Durch die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Evaluationen soll der Konkurrenzkampf zwischen den Hochschulen geschürt werden, wer „versagt“ kommt an den Pranger.

Diese betriebswirtschaftlichen Zurichtungsinstrumente sollen nun wesentliche Bedeutung im Hochschulgesetz erhalten, um die von Seiten der Interessenvertretung der Hamburger Wirtschaft eingeforderte und vom Hamburger Rechtssenat zum Programm erhobene vollständige Markt- und Verwertungsorientierung auch in Bildung und Wissenschaft durchzusetzen. Unter dem Druck des fortwährenden Sparzwangs sollen die Hochschulen dazu gebracht werden, sich in Ziel- und Leistungsvereinbarungen auf die angestrebten „Modernisierungs“maßnahmen zu verpflichten. Der „letter of intent“ macht’s vor: getarnt als gegenseitige Absichtserklärung unter dem Damoklesschwert drohender finanzieller Einbußen sollen sich die Hochschulen in Konkurrenz gegeneinander dem Diktat der marktwirtschaftlichen Umstrukturierung beugen oder untergehen. Die Pseudolegitimation für die entsprechenden Umstrukturierungen durch die vorgesehene sog. Expertenkommission im „letter of intent“ fliegt mit den deutlich richtungsgebenden Regelungen im Hochschulgesetzesentwurf auf.

Erpressung pur – solidarische Praxis in wissenschaftlich begründeter Tätigkeit bleibt so vollständig auf der Strecke. Mit der Festschreibung solcher Zwangsmaßnahmen im Hochschulgesetz soll somit nicht nur die strukturelle Unterwerfung der Hochschulen unter das Verwertungsdiktat erreicht werden, sondern durch die Erzwingung einer reaktionäre Haltung in wissenschaftlicher Praxis auch die Eliminierung eines aufklärerischen Bildungsverständnisses. Menschen sollen durch von außen gesetzte Bedingungen und Reize zur Ausführung fremdbestimmter Handlungen bewegt werden. Angestrebt wird, daß durch Anreize und Sanktionen (einstmals Zuckerbrot und Peitsche), ein vorgegebener Mechanismus ausgelöst wird. Über diese einfache Formel sollen Menschen dazu bewegt werden, „freiwillig“ das zu tun, was sie tun sollen. Die vorgegebenen Bedingungen sollen als natürlich und unveränderbar erscheinen (es grüßt der „Sachzwang“ Sparen).

Leider hat dieses Experiment im Sinne des Pawlowschen Konditionierens nicht einmal bei Tieren verläßlich funktioniert. Der unerwünschte Eigenwille wird erst Recht beim Menschen zum erheblichen Störfaktor. Denn Menschen sind denkende und handelnde Subjekte, die sich Einsicht in übergreifende, handlungsrelevante Weltzusammenhänge verschaffen müssen und können, um in Kenntnis des eigenen, verallgemeinerbaren Interesses gemeinsam mit anderen für die Erweiterung ihrer Verfügung über gesellschaftliche Entwicklung zu streiten. Deshalb gilt es, gegen den Privatisierungs- und Entdemokratisierungskurs und die Reduzierung des Menschen auf tierische Funktionen die demokratischen Erkenntnis- und Entscheidungsprozesse in Bildung und Wissenschaft auszubauen und somit die bewußte gemeinsame Planung menschlicher Lebensverhältnisse und darin die vielseitige Entfaltung Aller zu ermöglichen und zu entwickeln.

Ziele und Reformen in der weiteren Hochschulentwicklung sollten wissenschaftlich fundiert unter Beteiligung aller Hochschulmitglieder und der Behörde entwickelt werden. Hierfür ist eine bedarfsdeckende staatliche Hochschulfinanzierung, eine demokratische Selbstverwaltung, in der die Kooperation aller Hochschulangehöriger ermöglicht ist und der kritische Gesellschaftsbezug in Forschung, Lehre und Studium notwendige Voraussetzung.

Der Referentenentwurf zum "Hochschulmodernisierungsgesetz" allerdings muß unverzüglich vom Tisch!

Uniweite studentische Vollversammlung (VV)

Zukunft der Hochschulen - Vermarktung der Bildung?
Diskussion und Beschlußfassung zu studentischen Aktivitäten gegen den „Letter of Intent“ und die geplante HmbHG-Novellierung
Mittwoch, 15. Mai 2002, 14 Uhr
AUDIMAX I

V.i.S.d.P.: AG der Fachschaftsrätekonferenz (FSRK) unter Beteiligung von Mitgliedern der FSRe Geschichte, Jura, Sozialwissenschaft.

http://www.fsrk.de/artikel_11.html [Stand 9. Mai 2002]


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