Vollmundig kündigte die Bundeskanzlerin im Sommer an, einen Bildungsgipfel zu erklimmen, um schließlich diesen Herbst kaum eine sanfte Bodenwelle zu überwinden. Irgendwie soll mehr Geld in die Bildung, aber die politisch Verantwortlichen tun ratlos, wo es herkommen soll, während zwölfstellige Europakete für Banken- und Konzernrettungen geschnürt werden. Hier herrscht weiter die gescheiterte Pferdeäpfeltheorie: Stopfen wir vorne ordentlich bei den Reichen rein, wird schon hinten für die Armen etwas abfallen.
Derweil arbeitet der Hamburger Senat fortgesetzt an der Demontage vernünftiger Bildung und Wissenschaft:
Auf dem Gipfel ist die Sprache von dem Ausbau der Studienplätze, doch mit der Aufrechterhaltung der Studiengebühren in Hamburg wird weiter die soziale Abschreckung vom Studium betrieben.
Die Bundeskanzlerin erklärt „Lehrer ist einer der wichtigsten Berufe der Gesellschaft“, während die Sachwalterin der CDU an der Universität Hamburg, Frau Auweter Kurtz, im Amt der Präsidentin die Lehrerbildung zusammenstreicht.
Alle aktuellen bildungs- und wissenschaftspolitischen Maßnahmen richten sich dabei auf die Abwicklung positiver historischer Errungenschaften: Die Gebührenfreiheit des Studiums, die Demokratisierung der Bildungsinstitutionen und der Lehr- Lernformen, die Wissenschaftlichkeit der Lehrerbildung, die kritische Verantwortung der Wissenschaft für Frieden und für das Nie-wieder! dem Faschismus sind elementare 68er-Erfolge für die soziale Öffnung der Hochschulen. Hier galt die Perspektive „Bildung für Alle“. Die soziale Drangsalierung der Bildungssubjekte, die unternehmensartige Durchhierarchisierung der Entscheidungsstrukturen und die formale Einengung der Wissenschaftsinhalte durch Bachelor/Master und STiNE folgen dagegen der Maßgabe „Alle dem Standort“. Die Zerstörungswut gegenüber den materiell gewordenen historischen Erfahrungen gipfelt in dem Vorhaben, die Universität mit der in ihre Gebäude eingeschriebenen Geschichte in Eimsbüttel platt zu machen, um sie als Teil der Hafencity in privater Hand neu aufbauen zu lassen.
Die Marktförmigkeit aller menschlichen Lebensbereiche ist im globalen Maßstab gescheitert. Die kritische Gesamtverantwortung Aller ist die notwendige Alternative zu dem weltweiten Desaster, welches die Huldigung der Partikularinteressen angerichtet hat.
Eine gesellschaftlich verantwortungsvolle Wissenschaft und Bildung als freudvolle menschliche Emanzipation findet ihre Grundlage in dem Geschichtsbewußtsein für vorherige entsprechende Kämpfe.
Die umfassende Gebührenfreiheit der Bildung, demokratische Beteiligung Aller an der Entwicklung der Hochschulen, eine bedarfsdeckende Finanzierung der Bildungseinrichtungen und die soziale Absicherung der Bildungssubjekte sowie eine Studienreform zur strukturellen Beförderung kritischer Wissenschaft sind vernünftige Maßnahmen für eine positive Entwicklung der Universität an ihrem historisch gewachsenen Ort.
Die Geschichte lehrt uns: positive Veränderungen sind stets das Ergebnis eigenen Engagements. Wir rufen deshalb alle auf zur Demonstration: „Bildung? Das ist der Gipfel! Gebührenfreiheit und Geschichtsbewußtsein für kritische Bildung.“
"Galilei: [...] Ich halte dafür, daß das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern. Wenn Wissenschaftler, eingeschüchtert durch selbstsüchtige Machthaber, sich damit begnügen, Wissen um des Wissens willen aufzuhäufen, kann die Wissenschaft zum Krüppel gemacht werden, und eure neuen Maschinen mögen nur neue Drangsale bedeuten. Ihr mögt mit der Zeit alles entdecken, was es zu entdecken gibt, und euer Fortschritt wird doch nur ein Fortschreiten von der Menschheit weg sein."
(Bertolt Brecht: Leben des Galilei)