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FSRK

Wortbeiträge zum „Studienfinanzierungsgesetz“

aus der öffentlichen Anhörung des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft am 15. Mai 2006 in der Laeiszhalle/Musikhalle Hamburg

Editorial

„Der Name, mit dem wir unsere politische Ordnung bezeichnen, heißt Demokratie, weil die Angelegenheiten nicht im Interesse weniger, sondern der Mehrheit gehandhabt werden.“
Totenrede des Perikles nach Thukydides, 430 v.u.Z.

Unter der Überschrift „Wachsende Stadt“ betreibt der Hamburger CDU-Senat vor allem die Politik der „wachsenden Profite“ für einige wenige auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung. Hierzu gehört auch die Einführung von Studiengebühren. Die Hamburger Studierenden sind hiergegen oppositionell aktiv.
Je stärker es gelingt, diesen Streit in die öffentliche Auseinandersetzung zu bringen, desto schwieriger wird es für die CDU, zu verschleiern, daß hier Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung betrieben wird.
Die Fachschaftsrätekonferenz hat sich daher erfolgreich darum bemüht, die Oppositionsparteien in der Bürgerschaft zur Durchsetzung einer öffentlichen Anhörung zum „Studienfinanzierungsgesetz“ (Entwurf des Wissenschaftssenators Dräger zur Erhebung von 500 € pro Semester für alle Studierenden) vor dem Wissenschaftsausschuß zu animieren (siehe auch Beschluß der studentischen Vollversammlung vom 12.04.2006). Die bei dieser Anhörung anwesenden ca. zwanzig Ausschußmitglieder und Senatsvertreter (übrigens ohne Dräger) sowie die etwa 180 Personen umfassende Öffentlichkeit hörten ausschließlich Beiträge gegen die Gebühren.
In dieser Broschüre sind eine Vielzahl der Wortmeldungen dokumentiert. Sie zeigen, daß es keine vernünftigen Argumente für die Einführung des Bezahlstudiums gibt, jedoch reichlich und fundierte Gründe für die fortgesetzte Unentgeldlichkeit des Studiums und den Ausbau der staatlichen Finanzierung der Wissenschaftsinstitutionen.
Sie wurden so ausgewählt, dass die in den Hochschulen entwickelte Kritik an der asozialen, dekultivierenden, antiwissenschaftlichen und antidemokratischen Einführung des Bezahlstudiums, wie auch an den platten Lügen des Senators zum Ausdruck kommt. Dabei haben wir die größtenteils in freier Rede gehaltenen Ausführungen für die schriftliche Dokumentation redaktionell bearbeitet. Damit die Broschüre nicht zu umfangreich wird, haben wir dabei einige Beiträge ausgelassen, bzw. gekürzt, bei denen durchaus aufschlußreiche kritische Ausführungen zu bestimmten Einzelaspekten des Gesetzes gemacht wurden, uns zugleich aber darum bemüht, daß die Repräsentanz der verschiedenen Positionen gewahrt bleibt.

Das komplette Wortprotokoll der Anhörung ist zu finden auf unserer Homepage.

Für die CDU war soviel begründete Opposition offenbar auf Dauer nicht zu ertragen: Der Ausschußvorsitzende Wolfgang Beuß brach die Anhörung nach zweieinhalb Stunden unvermittelt ab. Die fadenscheinige Begründung, es würden keine neuen Aspekte mehr vorgetragen werden, wird auch durch diese Broschüre und die darin dokumentierte Vielfältigkeit der Argumente lügen gestraft. Insbesondere der Nachweis der Asozialität der Studiengebühren und speziell des verzinsten Darlehens haben die CDU-Fraktion schwer unter Druck gesetzt und auch einigen Streit hervorgebracht, weil hier hart am falschen sozialen Image der Volkspartei gekratzt wird. Die Broschüre soll daher ermuntern, sich der eigenen analytischen Stärke zu vergewissern, die Argumente zu schärfen und das oppositionelle Wirken zu steigern. Wir wünschen eine freudvolle und geistig produktive Lektüre.

Inhalt

— Thomas Gniffke, Fachschaftsrat Physik html,
— Eike Schwede, Landesjugendring Hamburg html,
— Christian Höft, AStA der Uni Hamburg html,
— Thorsten Hönisch, AStA-Referent für Hochschulpolitik, Recht und Soziales html,
— Olaf Walther, studentisches Mitglied im Akademischen Senat der Uni Hamburg html,
— Christian Sauerbeck, Fachschaftsrat Sinologie html,
— Niels Kreller, Fachschaftsrätekonferenz html,
— Jochen Rasch, Haushaltsausschuß des AS der Uni Hamburg html,
— Joachim Schaller, Rechtsanwalt der Verfassten Studierendenschaft der Uni Hamburg html,
— Alexandra Jäger, Fachschaftsrat Geschichte html,
— Till Petersen, Fachschaftsrätekonferenz html,
— Roland Willner, Politikwissenschaft und Journalistik, Uni Hamburg html,
— N.N., Studentin der Hochschule für Bildende Künste html,
— Golnar Sepehrnia, studentisches Mitglied im Akademischen Senat der Uni Hamburg html,
— Luise Albers, Fachschaftsrat Theologie html
— Wolfgang Beuß (CDU), Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses html
— Bildung und Humanität (Eine ungehaltene Rede, von Olaf Walther) html


Thomas Gniffke

Fachschaftsrat Physik

Wie gesagt, Thomas Gniffke vom Fachschaftsrat Physik. […] Nach meiner Ansicht, nach der Ansicht vieler Studenten, und hoffentlich bald auch Ihrer Ansicht nach, werden mit diesem Gesetz die Linien, die Ziele, die sich Wissenschaftspolitik heute setzt, verfehlt. Und zwar haben wir zum Beispiel das erklärte Ziel, dass möglichst viele Studenten ein Studium beginnen. Wir wollen den Zugang zur Bildung möglichst allen gleich öffnen. Wir haben ein Interesse daran, gerade diejenigen an der Bildung zu beteiligen, die bisher aufgrund ihres sozialen Status dort Barrieren haben. (Beifall aus dem Publikum) Dass dem so ist, das wurde längst festgestellt. Das hat uns PISA gelehrt, und daraufhin haben alle Politiker gesagt, da müssen wir etwas tun. Und genau an dieser Stelle, und das ist auch schon mehrmals betont worden, an dieser Stelle wird dieses Gesetz eine genau entgegengerichtete Wirkung haben. Und zwar möchte ich Sie darauf hinweisen, dass dieses Kreditmodell in keinem Fall eine wirkliche soziale Sicherung darstellen kann. Denn es führt immer noch dazu, dass auf jeden Fall die Menschen, die einen Kredit aufnehmen müssen, darüber, dass sie Zinsen zahlen müssen, real mehr bezahlen. Und es wird vor allen Dingen noch dazu führen, dass diese Tatsache sie abschreckt. Denn zum Beispiel sind 10.000 € Schulden für diese Menschen noch mal eine ganz andere Größenordnung. Wenn Sie nicht aus einer Familie kommen, in der ein oder zwei Elternteile arbeitslos waren, dann wissen Sie nicht, wie viel 10.000 € für diese Menschen darstellen. Die bekommen so viel Geld nicht in ein paar Jahren. Und die werden sich nicht dazu bereit finden, so viel Geld als Schuldenberg aufzuhäufen, noch bevor sie den ersten eigenen Euro verdient haben. (Beifall aus dem Publikum) Und was in diesem Gesetzesentwurf erschwerend hinzukommt, ist die Tatsache, dass das Ausfallrisiko für die Fälle, wo Menschen nicht in der Lage sind, dieses Geld zurückzuzahlen und womöglich dem Schicksal einer Privatinsolvenz gegenüber stehen, bei der Hochschule liegt. Nicht die Banken sondern die Hochschulen tragen also das Risiko. Denn auch, wenn eine staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau die Kredite vergibt, so kann sie sich doch darauf verlassen, dass sie das Geld aus der Kasse der Unis zurückbekommt und hier speziell aus dem Topf für Forschung und Lehre, der ja eigentlich durch die Studiengebühren aufgestockt werden sollte und wo wir jetzt schon den Effekt haben, dass Gelder für den Ausfallfonds zurückgelegt werden, noch bevor das Gesetz verabschiedet ist. Vielen Dank.


Eike Schwede

Landesjugendring Hamburg

Mein Name ist Eike Schwede vom Landesjugendring Hamburg. Der Landesjugendring Hamburg vertritt die Hamburger Jugendverbände mit ihren rund 200.000 jugendlichen Kindern und jungen Erwachsenen unter 27 Jahren, die in den verschiedenen Jugendverbänden, von der Jugendfeuerwehr über die Sportjugend, über die Gewerkschaftsjugend bis hin zu konfessionellen Verbänden und den Pfadfindern organisiert sind. Diese Jugendverbände leben von der ehrenamtlichen Arbeit ihrer Mitglieder. Diese ehrenamtliche Arbeit wird in der Freizeit der jungen Menschen geleistet. Viele dieser jungen Menschen sind auch Studierende in Hamburg. Diese freie Zeit wird durch die Einführung von allgemeinen Studiengebühren, die ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Tätigkeiten dieser jungen Menschen eingeführt werden, stark gefährdet. Junge Menschen, die 500 € zusätzlich pro Semester abgeben müssen, um studieren zu können, müssen entweder wesentlich kürzer studieren oder sichere Jobs annehmen, um das zu finanzieren. Dadurch wird ihre Arbeit für die Gesellschaft für die Kinder und Jugendlichen in Hamburg gefährdet. […]


Christian Höft

AStA der Uni Hamburg

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, mein Name ist Christian Höft vom AStAVorstand der Universität Hamburg. Ich möchte Ihnen heute noch mal ein bisschen ins Gewissen reden. 500 € Studiengebühren pro Semester sollen die Studenten der Uni Hamburg in Kürze zu Beginn des Semesters auf einmal zahlen, zuzüglich eines Semesterbeitrages, den es jetzt schon gibt, von 240 € im Moment. Das sind 740 €, die der Student dann aufwenden muss. Wenn Sie sich die letzte Sozialerhebung des Studentenwerks angucken, dann wissen Sie, dass der durchschnittliche Finanzbedarf, den ein Student in Hamburg hat, im Durchschnitt bei ungefähr 800 € liegt. Wenn wir nun 740 € an die Uni zahlen müssen, dann kommt auf diese Studenten, 38.000 Studenten, die wir vertreten, ein großes Problem zu. Wir sind uns einig darüber, dass unsere Universitäten mehr Geld benötigen. Wir sind uns nur nicht einig über den Weg, wie das geschehen soll. Wenn unsere Studenten mit Geld belastet werden, dann führt das zu verschiedenen Folgen. Erstens werden Studenten mehr arbeiten müssen, um diese Kosten decken zu können. Das läuft anderen Plänen, die der Senat für unsere Universität hat, zuwider, zum Beispiel der Einführung des deutlich verschulteren Bachelor- und Master-Systems. Es führt außerdem unserer Ansicht nach dazu, dass Menschen aus bildungsfernen Schichten, wie das immer genannt wird, eine noch geringere Bereitschaft haben werden, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Nun lautet das Gegenargument des Senates und der CDU-Fraktion immer, „Wir führen ja ein Darlehenssystem ein, das diese Kosten deckt“. Ich glaube, dass das etwas realitätsfern gedacht ist, denn einen Kredit aufzunehmen, ist für den durchschnittlichen Bürgerschaftsabgeordneten eine Selbstverständlichkeit, der hat schon ein Auto gekauft und ein Haus finanziert. Aber wir reden hier nicht über Menschen, die mitten im Berufsleben stehen und Geld verdienen, sondern wir reden über Studenten, das sind 18-Jährige, die gerade von der Schule kommen und die jetzt vor der großen Aufgabe stehen, einen Kredit aufzunehmen von einer Bank und sich auf lange Zeit finanziell zu verpflichten, wobei noch völlige Unsicherheit darüber besteht, wie später die berufliche Situation sich darstellen wird.

Wir glauben deshalb, dass Studiengebühren unserer Stadt schaden werden. Wir sind uns nämlich einig darüber, dass Hamburg wachsen muss. Was darunter zu verstehen ist, darüber müssen wir uns sicherlich noch in Zukunft streiten, aber wir glauben, dass es wichtig ist, dass Hamburg weiter nach vorne kommt in der Wissenschaft, dass die Schüler in Hamburg Gelegenheit zum Studium haben, immer wenn sie es wollen und nicht, wenn sie genug Geld dazu haben. Wir wollen, dass maximal viele Menschen die Chance haben, beste Bildung zu erreichen. Und deswegen glauben wir, dass sich Hamburg Studiengebühren nicht leisten kann. Vielen Dank.


Thorsten Hönisch

AStA-Referent für Hochschulpolitik, Recht und Soziales

Ja, schönen guten Tag. [...] Es ist so, dass viele ausländische Studierende nach Hamburg oder nach Deutschland kommen und im Vorfeld sehr genau planen, was ihr finanzielles Budget ist, zum Teil auch, um hier überhaupt einreisen zu dürfen, Finanzierungszusagen bekommen aus ihrem Elternhaus oder von Verwandten mit sehr genauen Beträgen. Hohe Studiengebühren werden dazu führen, dass viele ausländische Studierende - und es tauchen zum Teil bei uns im AStA auch schon Leute auf, die uns das schon so berichten - in vermehrtem Maße ihr Studium in Hamburg werden abbrechen müssen bzw. gar nicht erst dazu kommen werden, ein Studium in Hamburg aufzunehmen, weil sie es sich nicht leisten können und von ihren Eltern entsprechend auch nicht mehr Geld bekommen, um in Hamburg zu studieren. [...]


Olaf Walther

studentisches Mitglied im Akademischen Senat der Uni Hamburg

Guten Tag. Ich komme gerade von einer Veranstaltung am Kaiser-Friedrich-Ufer, wo auch Ihre Kollegin Frau von Welck ein Grußwort hatte. Es werden dort die verbotenen und verbrannten Dichter gelesen. Diese Veranstaltung findet bis 24 Uhr statt, wo ich jetzt auch alle dazu auffordern möchte, als Lehrveranstaltung da hinzugehen. Einer dieser verbrannten Dichter war Heinrich Heine. Auch er hat sich nicht nur um Blumen, Rosen, Schönheit und Lust Gedanken gemacht, sondern auch über Zinsen. Er sagte in seiner Lutetia, 1855:

„Es ist alles still. Wie in einer verschneiten Winternacht. Nur ein leiser monotoner Tropfenfall. Das sind die Zinsen, die fortlaufend hinabträufeln in die Kapitalien, welche beständig anschwellen. Man hört ordentlich, wie sie wachsen die Reichtümer der Reichen. Dazwischen das leise Schluchzen der Armut. Manchmal auch klirrt etwas, wie ein Messer, das gewetzt wird.“

Eigentlich müsste man jetzt nichts mehr sagen, doch meine Rede beginnt an dieser Stelle. Ich möchte darauf verweisen, dass der Akademische Senat in Reihe unausgesetzt und auch unter erhöhtem Druck des politischen Senats stets zum Ausdruck gebracht hat, mehrheitlich und eindeutig, dass er Studiengebühren ablehnt. (Beifall aus dem Publikum) Darüber hinaus spricht der Akademische Senat der Universität Hamburg sich für eine bedarfsgerechte und öffentlich ausreichende Studienfinanzierung aus. (Beifall aus dem Publikum) Von dieser Position her, die auch übrigens mehrheitlich von der Universität getragen wird und auch in einer größeren Urabstimmung der Studierenden zum Ausdruck gekommen ist, ist dieses Gesetz eigentlich rundum schlichtweg abzulehnen. (Beifall aus dem Publikum) Insofern möchte ich Sie auffordern, alles Vernünftige und Ihnen Mögliche zu tun, dieses Gesetz zu stoppen. Warum? Genannt werden in der Begründung für dieses Gesetz in wesentlicher Weise drei Punkte. Das sei erstens der Lenkungsaspekt, zweitens die finanziellen Mehreinnahmen und drittens, dass die Gerechtigkeit nicht Schaden nehme darunter.

Zur Lenkung: Die Lenkung, darauf ist in der Expertenanhörung vor dem Ausschuss schon hingewiesen worden, führt ins Abseits. Warum führt sie ins Abseits? Weil der Mensch, der Studierende, zu einer Ware gemacht werden soll, die dann Kunde genannt wird. Für diese Ware, die eigentlich Kunde ist, und der Kunde die Ware ist, sollen 500 € im Semester gezahlt werden. Daraufhin soll der Studierende sich so veredeln in so kurzer Zeit und so brav und so hechelnd, dass er dann auch gut sich verdingen kann auf einem Arbeitsmarkt, der das gar nicht hergibt. Und insofern ist dieser Lenkungsaspekt ein sehr irriger Aspekt und er soll dazu führen, dass Wissenschaft eine Wissenschaft just in time wird. Just in time heißt auch, bestimmten Konjunkturen oder Konjunktürchen hinterher zu jagen und sie ökonomischen Zwecken pur unterzuordnen. Dabei nimmt die Wissenschaft Schaden. Sie nimmt Schaden deshalb, weil lange Kulturen, Traditionen, gewonnene Erkenntnisse, Erfahrungen und der Maßstab der Humanität darunter hinweggetrampelt werden.

Der finanzielle Aspekt, der damit versprochen wird, ist ein Witz, mit Verlaub. Es wird gesagt, dass die Einnahmen der Universität sich verbessern würden. Lassen wir mal die Surroundings weg von Wirtschafts- und Sozialpolitik, Steuerpolitik und alledem. Schon allein im Detail offenbart sich jetzt, dass wohl von der Universität oder von den Hochschulen Ausfallbürgschaften für nicht zurückzuzahlende Kredite eingefordert werden, die Universität beispielsweise jetzt schon anfangen muss, für diese Ausfallbürgschaft anzusparen, das heißt aus den ohnehin schon zu knappen Mitteln Rücklagen bilden muss, mit denen sie dann so eine Ausfallbürgschaft leisten könnte. Was heißt das? Es geht zu Ungunsten von Forschung und Lehre und Studium, was ja eigentlich durch die Einnahmen von Studiengebühren verbessert werden soll. Das heißt, schon bevor ein Gesetz verabschiedet wird zur Erhebung von Studiengebühren - was dazu führen soll, dass Forschung, Lehre und Studium verbessert werden, marginal, vermutlich im Idealfall sogar - wirkt der Durchschlagseffekt des Gesetzes so negativ, dass verschlechtert wird, was verbessert werden soll bzw. versprochen wird zu verbessern. (Beifall aus dem Publikum) Also sie richten jetzt schon Schaden an.

Zur Gerechtigkeit: Ein alter menschlicher Begriff. Aber wie soll man Gerechtigkeit hier alleine durch Banken herstellen? Das ist ein Widerspruch in sich. Und deswegen wird auch viel gesäuselt und viel erzählt davon, dass man doch die Kredite irgendwie zurückzahlen könne. Man beginnt erstmal mit einem Eingangszinssatz von mindestens 5 Prozent, alles Weitere regeln nachfolgende Gesetze oder die Konjunktur. Insofern, was diese drei Aspekte betrifft, auch im Konkreten und im Einzelnen, ist dieses Gesetz rundum abzulehnen, aber eben zum Schluss auch noch aus einem ganz prinzipiellen Grund.

Die Erhebung von Studiengebühren entspricht, sofern die Bürgerschaft dieses Gesetz verabschieden sollte, einem negativen Zivilisationsbruch. Deshalb einem negativen Zivilisationsbruch, weil gute und sehr gute Erfahrungen in der Öffnung der Hochschulen, in der breiten Partizipation der Bevölkerung an wissenschaftlicher Bildung mit dem Wegfall von Studiengebühren seit Beginn der Siebzigerjahre gemacht wurden. Und insofern entspricht selbstverständlich die Erhebung von Studiengebühren der Gesamtpolitik dieses Senats. Denn mit der Inthronisierung durch Herrn Schill, mit einer gewissen stärkeren polizeilichen Präsenz, mit sehr stark ökonomisch treibenden Wirtschaftsclustern, die sich wachsende Stadt nennen, mit einem Tamm-Museum, was den Militarier auch noch feiert, und in Bezug auf die Drogenpolitik macht dieser Senat kein besonders gutes Gesicht für die Mehrheit der Bevölkerung dieser Stadt. (Beifall aus dem Publikum) Und mag die Erhebung oder der Wille zur Erhebung von Studiengebühren auch noch so technisch und noch so smart daherkommen, diese Maßnahme reiht sich ein in die übrigen Cluster. Gutes Singen. Dankeschön. (Beifall aus dem Publikum)


Christian Sauerbeck

Fachschaftsrat Sinologie

Dieses Gesetz, das euphemistischerweise Studienfinanzierungsgesetz heißt, wird ja vor allen Dingen damit begründet, dass damit mehr Geld zu den Hochschulen käme. Ich möchte an dieser Stelle den Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft darauf hinweisen, dass es dafür einfachere Wege gibt, die im Übrigen auch besser sind. Zum Beispiel hat die Stadt Hamburg einen Haushalt. Den kann sie dafür einsetzen, militaristische Museen zu fördern oder eine HafenCity zu bauen samt U-Bahn und was nicht alles noch dazu gehört. Man könnte das aber auch einsetzen, um Bildung und Wissenschaft zu finanzieren in dem Umfang, dass sie insofern bedarfsgerecht finanziert sind, als es dem Bedarf derer entspricht, die dieser Bildung und Wissenschaft wirklich sinnvollerweise bedürfen und nicht irgendwelchen Wirtschaftsstandorten bzw. konkret gesprochen den Konzernen. (Beifall aus dem Publikum) Der Finanzierungsaspekt ist in diesem Gesetz der einzige Grund, der genannt wird, um Studiengebühren einzuführen. Es kommt irgendwo noch was von Lenkungseffekt, das wird aber nicht mal deutlich gemacht, das muss die Handelskammer machen. Dazu komme ich später noch. Dass die Universität unterfinanziert wird, ist ein großes Problem und das muss auch geändert werden, aber wie gesagt nicht durch Studiengebühren. Sondern entscheidend ist, dass bei dieser Debatte rauskommt: Wem soll ein Studium nützen?

Auf die Idee, dass Studiengebühren auch nur den Hauch einer sozialen Gerechtigkeit an sich hätten, kommt man eigentlich nur, wenn man meint, dass sich aus dem Studium vor allem ein individueller Vorteil ergibt, sprich: Ich investiere in mich selbst, erhöhe meinen eigenen Verkaufswert auf dem Arbeitsmarkt und dafür ist es dann auch gerecht - weil ich dann später mehr verdiene - dass ich auch mehr bezahle für das Studium. Dazu muss man erst mal festhalten, dass Wissenschaft und gerade Hochschulbildung einen gesellschaftlichen Wert haben, der weit darüber hinausgeht, was ich später damit verdiene. (Beifall aus dem Publikum) Sie können sich ja vielleicht in der Bürgerschaft mal von dem Gesetz lösen und darüber debattieren, was Sie als Menschen, Hamburg als Stadt, so wären ohne Wissenschaft, ohne Kultur und all solche Sperenzchen. Also ein reiner Handelsstandort, glaube ich, wäre für die meisten von uns nicht sehr attraktiv.

Als zweites, denke ich, liegt auf der Hand, dass vor allen Dingen Unternehmen, die später Menschen einstellen, die studiert haben, daraus einen großen Nutzen ziehen. Denn das sind die tatsächlichen Nutznießer dieser Qualifikationen, die man sich im Studium aneignen kann, zumindest des Aspektes dieser Bildung, der als eine Arbeitsmarktqualifikation gewertet werden kann. Darum würde ich sagen, liegt es auf der Hand, dass man diese Unternehmen durch Steuern, die sich an ihren Profiten orientieren, an der Hochschulfinanzierung beteiligen könnte. (Beifall aus dem Publikum) Das wird aber nicht gemacht, sondern Airbus ist gemeinnützig, weil der Bau so schöne Arbeitsplätze schafft, und Steuern werden von Unternehmen, wenn überhaupt, dann in viel zu geringem Maße erhoben. Stattdessen wird sozusagen eine Umverteilung von unten nach oben betrieben. Und der dritte Teil dessen, wo Studiengebühren dann irgendjemandem zugute kommen, mag evtl. tatsächlich in dem Punkt liegen, dass ich später mehr verdiene, wenn ich einen tollen Abschluss mache. Aber dann möchte ich daran erinnern, dass es immer noch ein progressives Einkommenssteuersystem gibt, und wenn das nicht gerecht gestaltet ist, dann muss man das Steuersystem gerecht gestalten. Aber dann hilft es nichts, irgendwie Gebühren einzuführen, sondern dann muss man grundsätzlich die soziale Ungerechtigkeit in dem ganzen Steuersystem beheben.

Also die Finanzierung als Argument zu nehmen dafür, Studiengebühren einzuführen, ist vollkommen abwegig. Es gibt dafür einfach keinen positiven Grund. Insofern sind auch alle Modelle, wo irgendwie nachgelagerte Studiengebühren gezahlt werden, oder die erst ab einem bestimmten Einkommen zurückzuzahlen sind, oder die nicht ganz so viele Zinsen kosten, vollkommen obsolet und überflüssig und müssen überhaupt nicht weiter diskutiert werden. Genau daran macht aber dieses Gesetz sich seinen Spaß. Es kommt ja auch schon in der allgemeinen Begründung in Punkt die Legitimation: das sind ja nur 500 €, das ist nicht so schlimm, dass ist für alle kein Problem, wenn doch, dann gibt es da Kredite und Ausnahmen. Also wird gesagt, es ist irgendwie offenbar doch ein Problem für viele. Und ansonsten gibt es dann noch diese ideologische Rechtfertigung von wegen, was weiß ich, die Krankenschwester solle nicht dem Sohn des Chefarztes sein Zahnmedizinstudium finanzieren und so. Ich glaube, das habe ich vorhin ausreichend zurückgewiesen.

Also was ist der Kern der Debatte? Die Hamburger Handelskammer meint dazu 1999 sinngemäß: Kostenbeiträge sollen nicht in erster Linie als Finanzierungsinstrument, sondern als Investitionsmittel verstanden werden. Als materielles Element erhöhen sie die Rationalität der Studierenden im Umgang mit ihrem Studienfach. Steht eigenes Geld auf dem Spiel, werden sich die Studierenden in ihren Entscheidungen stärker an „Vernunft“erwägungen orientieren. Bereits vor dem Studium werden sie mehr Zeit investieren, um ihre Studienrichtung zu wählen, und nach Aufnahme des Studiums werden sie einen möglichst schnellen Abschluss anstreben.

Genau dafür sind Studiengebühren da. Sie sind aber nur aus Sicht derer, die die Handelskammer vertritt, in diesem Zusammenhang sinnvoll. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Steuerungs-, oder von Dräger Lenkungseffekte genannt, ziemlich verheerend. Dadurch, dass Bildung zur Ware definiert wird, soll ein Kunden- und Dienstleisterverhältnis zwischen den jetzigen Hochschulmitgliedern entstehen. Das hat nicht nur die Folge, dass die kooperative Weiterentwicklung von dem, was die Hochschule sein soll und was die Inhalte des Studiums sind, trockengelegt wird, sondern darüber hinaus wird sich das nach meinen Befürchtungen ganz konkret im Studierverhalten niederschlagen. Es ist ja nicht so, dass man als Kunde besonders gute Rechte in der Mitbestimmung hätte, also sie können ja mal versuchen, im Supermarkt zu sagen, ich bin hier der Kunde und ich bestimme jetzt mit Ihnen, Herr Filialleiter, über das Sortiment. Das wird weniger gut klappen, als wir das jetzt gerade in den Gremien der Universität machen. (Beifall aus dem Publikum) Der finanzielle Druck auf die Studierenden, der von Handelskammerseite deutlich gewollt ist und den auch die Bertelsmann-Stiftung mit ihrem Centrum für Hochschulentwicklung zum Beispiel deutlich propagiert, soll dahin führen, dass Studierende möglichst einen schnellen Abschluss anstreben. Das wird dazu führen, dass die Studiengänge auch immer mehr inhaltlich verflachen und immer mehr auf Abschluss und auf die reine Berufsorientierung orientiert sind. Damit geht aber alles koppheister, was eigentlich der andere Nutzen von Hochschulen ist, nämlich der gesamtgesellschaftliche, und das ist schon ein Problem. Zweitens ist das nicht nur der Inhalt der Studiengänge, sondern das wird auch das Studienangebot betreffen. Wenn Studierende Geld für ihr Studium bezahlen müssen und erwarten müssen, dass sie eines Tages da ein Return of Investment realisieren, dann haben sie nicht mehr die freie Wahl sich zu entscheiden, was sie gerne studieren wollen, was sie für gesellschaftlich für sinnvoll halten, was ihnen selber Spaß macht oder so was, sondern dann werden sie sich daran orientieren müssen, welches Studium eine halbwegs gute Rendite bringt. Das wird dazu führen, dass die Vielfalt der Fächer erheblich eingeschränkt wird, wie auch deren Tiefe, weil sich alles um die Berufsorientierung drehen wird.

Insofern ist das mit den Studiengebühren aus menschlicher Sicht abwegig und äußerst schädlich. Aus Sicht von bestimmten Unternehmen sind sie wünschenswert. Dann frage ich mich aber, ob Sie die Handelskammer sind und von Unternehmen gewählt wurden oder ob Sie die Bürgerschaft sind und von Bürgern gewählt wurden. (Beifall aus dem Publikum) Also man kann seine Kritik am Bürgerlichen haben, aber ich finde das schon mal eine wesentliche Verbesserung gegenüber der Idee, man müsse der Handelskammer dienen. Insofern, die Gebührenfreiheit des Studiums und die bedarfsgerechte, wirklich bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung der Hochschulen sind unbedingte Voraussetzungen dafür, dass an den Hochschulen und dem Rest der Gesellschaft irgendetwas Sinnvolles passieren kann. Danke. (Beifall aus dem Publikum)


Niels Kreller

Fachschaftsrätekonferenz

Ich möchte Sie bitten, zu folgenden Punkten Stellung zu nehmen:

Erstens: „Alle wollen Studiengebühren, und deshalb werden sie auch kommen“, so säuselt und flötet es aus allen Büros in der Wissenschaftsbehörde, um dann verstärkt als Posaune von Jericho über die bundesrepublikanische Bildungslandschaft hinwegzufegen. Nun sieht es aber so aus, dass von 16 Bundesländern gerade einmal sechs Gebühren einführen wollen und eines davon – Hessen – damit etwas Probleme hat. Herr Koch ist zwar gerade dabei, die Verfassung zu brechen. Aber es ist dort festgelegt, dass die Bildung gebührenfrei sein muss. Nun ja, wir werden sehen, wie das ausgeht. Zudem, zugegeben, es gibt eine Umfrage des Centrums für Hochschulentwicklung, eine wahrhaft neutrale Institution in dieser Auseinandersetzung, die besagt, dass auch Studierende mehrheitlich Studiengebühren wollen. Nun hat das Centrum für Hochschulentwicklung bei der Umfrage leider die Antwortoption „Ich möchte gar keine Studiengebühren“ vergessen, und es gab nur die Auswahl zwischen mehreren Modellen. Okay, es kommt bei wirklich repräsentativen Umfragen heraus, dass kaum jemand in dieser Bundesrepublik Studiengebühren will. Warum also werden sie eingeführt?

Zweitens: Zum Kreditmodell des Senats ist schon einiges gesagt worden. Ich möchte noch eine Sache anfügen. Und zwar ist das Kreditmodell so gestaltet, dass Akademiker, die nach ihrem Abschluss einen sehr niedrig bezahlten Job haben, sehr viel mehr zahlen, als Leute, die einen besser bezahlten Job haben. Also aufgrund der langen Laufzeit und der Zinsen müssen sie bis zum Doppelten dessen, was sie aufgenommen haben, zurückzahlen. Also hier eine Umverteilung oder eine Ungerechtbehandlung, dass diejenigen, die arm sind, mehr zahlen müssen und die, die reich sind, weniger bezahlen müssen. Das, würde ich sagen, ist eine totale Umkehrung des Prinzips des Sozialstaates. Und dazu sollten Sie auch mal Stellung nehmen bei ihrem Gesetz. Der dritte Punkt ist, dass Studiengebühren auch deshalb sozial ungerecht sind, weil sie die Ungleichheit in dieser Gesellschaft weiter befördern. Ein kurzes Beispiel dazu: In den Kriegskassen der 30 größten DAX-Unternehmen dieser Republik sind 370 Milliarden Euro. Und Kriegskasse bedeutet, dass das Geld ist, was für Übernahmeschlachten zurückgelegt wird, entweder um eine Übernahme abzuwehren oder um eine Übernahme in die Wege zu leiten. Und wir wissen, dass bei Übernahmen und Fusionen immer Arbeitsplätze vernichtet werden. Dafür ist dieses Geld da, dafür wird es zurückgelegt, dafür dürfen sie anscheinend das Geld zurücklegen. Aber es sollen Studiengebühren erhoben werden. Und wir haben mal durchgerechnet, dass wenn die 370 Milliarden Euro auf ein Postbankkonto legen würde, ein Postsparbuch, könnte man alleine von den Zinsen, die in einem Jahr davon abfallen, den Universitäten so viel Geld zukommen lassen, wie wenn alle Studierenden dieser Republik 500 € Studiengebühren zahlen. Und man hätte noch genug übrig, um allen Kindertagesstätten das an Gebühren zu geben, was die im Moment verlangen müssen. So sieht es aus. (Beifall aus dem Publikum) Offensichtlich gibt es also ein Interesse, diese 370 Milliarden nicht anzutasten, dafür aber von den Studierenden 500 € zu verlangen. Und deswegen möchte ich zum Schluss von Ihnen eine Stellungnahme jeweils haben, in wessen Interesse sitzen Sie da oben? (Beifall aus dem Publikum)


Jochen Rasch

Haushaltsausschuß des AS der Uni Hamburg

Studiengebühren sind dekultivierend. Und das, was da dekultiviert werden soll - natürlich geht es da immer um den Menschen. Und das Menschenbild hinter Studiengebühren ist eins von dem technokratischen Aufsteigertypus, dessen Erfolg rechtfertigt, wie er zu diesem Aufstieg kam. Das mag auch in der Person des Senators, der diese Gebühren einführt, repräsentiert sein. Das geht davon aus, dass der Mensch sehr gerne unter sich jemanden hätte, nur über sich niemanden gerne hat. Dass darüber diese Leute mit den 370 Milliarden Euro in den Kriegskassen seien, das wird dabei hingenommen. Das sei unabänderlich, das hätte das Ende der Geschichte besiegelt, das sei nun mal so, damit müsse man sich abfinden. Aber das Treten nach unten, das wird damit massiv propagiert. Dass man sich durchsetzen möge, durchboxen, durchhangeln und immer den Anspruch darauf habe, dass andere für einen knechten, schuften, z.B. die Universität bereitstellen, [...] dass alle irgendwie Service für einen leisten sollen. Diese Kultur des Gebührenzahlens, des Gebens und Nehmens, des Tauschens, bestätigt sich immer wieder selbst daraus, dass nachher irgendwie jemand oben steht und sagt: Ich hatte Erfolg damit und deshalb ist es legitim. Und was damit an Systembruch realisiert wird - weshalb ja auch jeder Befreiungstatbestand, wie wir auf der letzten Sitzung dieses Ausschusses erfahren haben, systemwidrig sei - was also an Systembruch damit realisiert werden soll, ist das Folgende. Heribert Prantl könnte man da zitieren, dass zumindest angestrebt war mit den Reformen der Siebziger Jahre, wie der sozialen Öffnung der Hochschulen, dass der Mensch durch die Sozialpolitik Bürger werde, dass er also aktives Subjekt der Demokratie und demokratischer Verhältnisse sein möge. Und davon entfernt man sich immer mehr, wenn die Menschen zueinander verhetzt werden, wenn sie nur noch auf ihren eigenen Vorteil starren und aufs Durchkommen, aufs Durchrennen durch die Universität. Dann werden beide positiven Traditionen dieser Stadt damit negiert und konterkariert.

Sagen wir mal so, sie sind nicht ungebrochen, zumindest die eine, nicht ungebrochen positiv. Aber nehmen wir mal das mit dem Bürgertum dieser Stadt, das nicht nur Profite gemacht hat und das Kolonialinstitut gegründet hat, woraus die Universität hervorgegangen ist - das muss zur Korrektheit schon angemerkt sein. Sondern wo es, sicher auch unter dem Druck der anderen Seite, der Arbeiterbewegung, immer jedenfalls in positiven Teilen darum ging, dass der Mensch doch gleiche Rechte haben möge vor dem Gesetz, dass er sich entfalten möge, dass er den Zugang zu Kultur und Teilhabe an der Gesellschaft erlangen und zu Aufklärung und Bildung, zu einem Verständnis von sich und anderen, zu einem Verständnis der Natur und der Welt, die ihn so umgibt, gelangen möge. Und wir wissen, dass dies zuerst, wogegen das Bürgertum sich ja auch sehr fortschrittlich gewendet hat, durch das Bildungsprivileg des Adels begrenzt war. Nun gut, das mit dem Adel, das haben wir zwar noch im Titel des Herrn Bürgermeister, aber ich meine, er ist eher Neoliberaler als Adliger.

Und die zweite Tradition dieser Stadt, die ihr ein Gepräge gegeben hat, das ist die Arbeiterbewegung. Daraus kommt der Anspruch auf soziale Gleichheit. Und dass der Mensch natürlich nicht nur, aber eben auch und zuvörderst erst mal auch gute soziale Bedingungen haben muss, nämlich gleiche Bedingungen. Davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt. Dazu gehört aber dann natürlich, das ist in den Backsteingebäuden dieser Stadt ja manifestiert, der Anspruch, dass man ein Dach über’m Kopf haben möge angesichts dessen, was so gesellschaftliche Entwicklung, also dessen, was möglich ist. Auch ein gutes Wohnen ist möglich, und dass dann eben auch entsprechende Infrastruktur und alles mögliche dazu kommt in dieser Stadt, die für die Menschen da sein möge.

Und wenn wir diesen Wohlstand erst mal haben, was vielleicht ein etwas beschränktes Bild auf die Arbeiterbewegung ist, dann ging es ihr doch von Anfang an auch, weil sie nämlich aus den Bildungsvereinen entstanden ist, um die Entfaltung des Menschen. Das heißt, dass während der Mensch zunehmend weniger überhaupt noch unmittelbar produzieren muss, am Fließband oder so, doch ganz wesentlich Politik, Kultur, Bildung, das Verständnis von sich und anderen, das wesentlich Prägende sein soll - die Vermenschlichung des Menschen. Daran zu hindern, dass man das kooperativ sich aneignet, dafür sind diese Studiengebühren da. Und stattdessen soll man scheinbar immer im eigenen Interesse handeln und richtet sich dann trotzdem letztendlich nur nach dem, was der Arbeitsmarkt, also sprich die Besitzer von diesen 370 Milliarden in Kriegskassen von einem abverlangen. Und da kommt nichts mehr davon vor, was in unserer Stadt doch so wesentliche positive Ansätze dessen sind, was eigentlich an Kultur oder Kulturellem aufzugreifen wäre. Darum muss es eigentlich gehen. Was dann auch heißt, dass nicht Bezahlstudium und Gehetze und Gedrängel und Gerenne und in der Mensa schnell das Essen reinziehen, schnell ins Seminar und hechel, hechel zur Buchhandlung noch ein Buch kaufen und zack noch zum Job und nach Hause und ab ins Bett fallen Sinn und Inhalt des Studiums sein möge. Sondern dass es um Muße, sich Zeit nehmen zum Nachdenken, Politik mit gestalten und dafür reflektieren, mit anderen diskutieren, sich beteiligen an der Entwicklung der Gesellschaft und auf Verbesserungen hin orientieren, dafür die Kooperation entwickeln - dass das der Sinn und Inhalt des Studiums werden möge, und dafür muss es auch gebührenfrei sein. Und noch mal so ein ganz kleiner Hinweis, was erreichtes Niveau trotz dessen ist, dass es sich hierbei um einen kapitalistischen Staat handelt. Dass nämlich in den Siebzigerjahren etwa 70 Prozent der Studierenden, als das BAföG eingeführt wurde, dieses als Vollzuschuss nicht rückzahlbar aus staatlichen Mitteln erhalten haben, 70 Prozent der Studierenden. Und damals war das BAföG zwar längst nicht so hoch, wie man sich das erträumt hatte, aber jedenfalls war es von einer Höhe, die deutlich mehr am Bedarf orientiert war, als das heute der Fall ist. (Beifall aus dem Publikum)


Joachim Schaller

Rechtsanwalt der Verfassten Studierendenschaft der Uni Hamburg

Guten Tag, ich bin Joachim Schaller. Ich arbeite als Rechtsanwalt und berate in diesem Zusammenhang viele Studienbewerber und Studierende und möchte zu zwei Punkten aufgrund auch meiner beruflichen Erfahrungen etwas sagen. Einmal zu den Studiengebühren und zum zweiten zu der Frage: „Wo werden eigentlich in Zukunft die Prüfungs- und Studienordnungen veröffentlicht?“

Zunächst mal zu den Studiengebühren: Ich bin der Auffassung, dass Studiengebühren abzulehnen sind, weil sie keine Verbesserung der Studienbedingungen bringen werden, sondern vielmehr viele Studienbewerber davon abschrecken werden, das Studium aufzunehmen beziehungsweise Studierende dazu bringen werden es aufzugeben. Das Problem ist nämlich, dass die Verschuldung, die damit einhergehen wird, viele Menschen, die ein Studium machen wollen, abhalten wird, dieses überhaupt aufzunehmen oder aber, dass sie nicht mehr in der Lage sind, es fortzusetzen. Ich erinnere mich noch ganz gut daran, als ich 1982 mit dem Studium angefangen habe, da ist Helmut Kohl mit der CDU an die Regierung gekommen. Und eine seiner ersten Maßnahmen war, das BAföG, das bis dahin zur Hälfte als Zuschuss und zur anderen Hälfte als Darlehen gezahlt wurde, umzustellen, so dass die Studierenden 100 Prozent als Darlehen später zurückzahlen müssen. Das hat dazu geführt, dass der Anteil der Studierenden, die aus wirtschaftlich schwachen Familienverhältnissen kommen, in den Folgejahren deutlich zurückgegangen sind, weil nämlich diese Problematik da war, dass ein erheblicher Schuldenberg auf sie zukam. Das hat übrigens dazu geführt, dass das - auch noch unter Helmut Kohl - einige Jahre später wieder umgestellt wurde und das BAföG wieder fiftyfifty ist. Ich denke, dass diese Verschuldungsproblematik auch weiter da sein wird und dass sie nicht nur BAföG-Empfänger, sondern viele andere Menschen auch treffen wird. Ich möchte das einmal an ein paar Zahlen deutlich machen. Der BAföG-Höchstsatz ist zurzeit 585 €. Das ist so seit 2001, also inzwischen seit fünf Jahren. Wir alle wissen, wie die Inflation seitdem gewesen ist. In dem BAföG ist nichts für Studiengebühren enthalten, sondern das BAföG ist für Lebenshaltung und den Ausbildungsaufwand gedacht. Nehmen wir mal als Lebensunterhalt den Satz für das Arbeitslosengeld II, Harz IV oft genannt, das sind monatlich 345 €. Dazu müssen viele Studierende noch die Krankenversicherung zahlen. Das sind etwa 55 €. Das heißt, von den 585 € BAföG bleiben nur noch 185 € überhaupt übrig. Davon müssen sie nicht nur ihre Miete und Heizungskosten zahlen, sondern auch die Ausbildungskosten, also das, was nötig ist, um Bücher zu kaufen, um Skripte zu kaufen, um inzwischen teilweise ja, weil es keine Skripte mehr gibt, diese aus dem Internet auszudrucken, um sonstiges Studienmaterial zu haben, um Exkursionen zu finanzieren, um das Besteck, was man beim Zahnmedizinstudium braucht, zu finanzieren, und, und, und, also diese ganzen Ausgaben. Das heißt, das BAföG, so wie es im Moment da ist, und längst nicht jeder bekommt ja den Höchstsatz, ist in keiner Weise kostendeckend und ist auf gar keinen Fall dazu geeignet, auch noch Studiengebühren zu zahlen. Und es gibt viele Studierende, die gar kein BAföG erhalten, aber trotzdem ähnlich wenig Geld bekommen. Alle diese werden in Zukunft, wenn sie 500 € jedes Semester noch zusätzlich auf den Tisch legen müssen, erhebliche Schwierigkeiten haben. Und ich prophezeie, dass die Zahl der Studierenden in dieser Stadt an diesen Hochschulen deutlich zurückgehen wird, obwohl immer gesagt wird - wenn man PISA und andere internationale Vergleiche sich anguckt - dass eigentlich der Anteil der Studierenden in Deutschland viel zu niedrig ist.

Zugleich möchte ich dann auch noch etwas sagen zu dem konkreten Gesetzentwurf. Dieser ist, vergleicht man ihn mit den Gesetzen, die in anderen CDU-Ländern, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg, vorgelegt und zum Teil ja schon beschlossen worden sind, sogar noch schlechter. Ich will das an einigen Punkten deutlich machen. Es geht nicht nur darum, dass die Frage, wie hoch denn diese Zinsen für dieses Darlehen sind, in keiner Weise irgendwie definiert wird. Nicht nur die Kosten für die Geldbeschaffung und für die Verwaltung des Darlehens sind offen, sondern die Bank, die damit beauftragt wird, kann nach dem Hamburgischen Gesetzentwurf damit auch noch zusätzliche Gewinne machen. Es gibt weitere Punkte, die aus meiner Sicht zu kritisieren sind. Es sind hier viele Studierende anwesend, die zum Beispiel in Fachschaftsräten oder anderen Gremien der studentischen und akademischen Selbstverwaltung aktiv sind. Dieses Engagement beschränkt sich natürlich nicht nur darauf, dass sie jetzt hier mal an dieser Veranstaltung teilnehmen. Das ist das Geringste. Sondern das sind Studierende, die sich intensiv um andere Studierende und deren Interessen kümmern, die in ihren Orientierungseinheiten die Einführungen in das Studium machen, die dafür sorgen, dass mehr Lehrveranstaltungen durchgeführt werden, dass die studentischen Interessen vertreten werden. Im Hochschulgesetz gibt es eine Bestimmung, die sagt, niemand darf wegen seiner Tätigkeit in der Selbstverwaltung, egal ob das akademisch oder studentisch ist, benachteiligt werden. Deswegen gibt es auch in allen Prüfungsordnungen Bestimmungen, die sagen, wenn jemand deswegen länger studieren muss, kriegt er zum Beispiel eine Prüfungsfristverlängerung oder eine Verlängerung für die Bearbeitung seiner Hausarbeit oder Ähnliches. Solche Regelungen, die dies bei den Studiengebühren ermöglichen, fehlen in dem Gesetzentwurf, den der Senat vorgelegt hat, völlig. Auch das unterscheidet ihn von den Regelungen in anderen Bundesländern. Der zweite Punkt, zu dem ich was sagen möchte, ist: In dem Gesetzentwurf steht auch, dass die Prüfungs- und Studienordnungen, die bisher im amtlichen Anzeiger zu veröffentlichen sind, dort nicht mehr veröffentlicht werden müssen. In der Begründung steht dann, ja, es würde ja ausreichen, wenn die im Internet irgendwie von den Hochschulen veröffentlicht werden. Ich frage mich unter mehreren Gesichtspunkten, was das soll. Weil erstens: Wir haben im Moment an den Hamburgischen Hochschulen zahlreiche Prüfungs- und Studienordnungen, die sind verabschiedet worden in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Das heißt, die sind 20 oder mehr Jahre alt. Wenn wir uns dann jetzt mal angucken, wie die Entwicklung im Internet und in der Computertechnologie ist und das mal ein bisschen zurückverfolgen – ich erinnere mich noch an die Zeiten der Typenradmaschine und Ähnliches, womit ich meine Hausarbeiten geschrieben habe –, dann kann niemand garantieren, dass der technische Standard, der heute da ist, dass der auch noch in fünf oder zehn oder 20 Jahren da ist, das heißt, ob die Dateiformate, in denen im Moment irgendetwas ins Internet vielleicht gestellt wird von den Universitäten und anderen Hochschulen, in ein paar Jahren überhaupt noch lesbar sind. Darüber hinaus frage ich mich: Wie ist zu garantieren, dass die Hochschulen auch die früheren Fassungen der Prüfungsordnungen vielleicht für die Studierenden, die vor ein paar Jahren angefangen haben und mit dem Studium noch nicht fertig sind, auch noch weiterhin im Internet haben? Deswegen bin ich der Meinung, dass eine solche Regelung, die darauf verzichtet, dass Prüfungs- und Studienordnungen amtlich veröffentlicht werden, nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar sind. Das Rechtsstaatsprinzip besagt für mich, dass jeder, der von einer Regelung betroffen ist - und in den Prüfungs- und Studienordnungen stehen die wesentlichen Regelungen dafür, wie das Studium denn aussehen soll, welche Fristen da sind, welche Prüfungsleistungen gemacht werden müssen - jeder Student und jede Studentin muss diese Regelung nachlesen können, und zwar schwarz auf weiß und nicht auf irgendwelchen Internetseiten, die die Hochschule jederzeit abschalten kann, die jederzeit verändert werden kann und Ähnliches. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall aus dem Publikum)


Alexandra Jäger

Fachschaftsrat Geschichte

Ich möchte was zur historischen Bedeutung der Gebührenfreiheit des Studiums sagen. Ich meine, dass sie sich wesentlich erklärt aus der dunkelsten Zeit der Geschichte der Universität und der Wissenschaft, nämlich dem Faschismus. In dieser Zeit haben sich die Wissenschaftler, sehr zahlreich einzelne Wissenschaftler aber auch die gesamte Universität, an der Ausbeutung und Ermordung von Millionen von Menschen beteiligt. Die wissenschaftliche Legitimation der so genannten Rassenlehre zum Beispiel, die Vorbereitung des Vernichtungskrieges durch Wissenschaftler bis hin zur Tötung durch Wissenschaftler bedeutet für uns als Universität, sich gerade mit der Geschichte auseinanderzusetzen und zu analysieren, damit so etwas nie wieder geschehen kann. Auch zu nennen ist das tatenlose Zusehen eines Großteils der Universität bei der Vertreibung und Verfolgung jüdischer Wissenschaftler und kritischer, anders denkender Wissenschaftler. Auf der Potsdamer Konferenz 1945 ist als ein zentraler Punkt die Demokratisierung Gesamtdeutschlands und vor allem des Bildungswesens als Maßnahme, als Lehre aus dem Faschismus genannt worden. Was darauf folgte, war zunächst eine gewisse Entnazifizierung im Bildungsbereich, dann aber doch vor allem in den Fünfzigerjahren eine zunehmende Restauration. Die im Rahmen der Entnazifizierung entlassenen kehrten an ihre Stellen zurück, und somit gab es eine sehr massive Kontinuität an den Universitäten. Eine sehr weit reichende Auseinandersetzung hatte es dann aufgrund der starken Studentenproteste in den Sechzigerjahren zu diesem Thema gegeben. So wurden auch als Lehren aus dieser Zeit klare Maßnahmen erst in den Siebzigerjahren in Reformen umgesetzt. Da ist vor allem zu nennen die soziale Öffnung der Hochschulen, dann die Demokratisierung der Universitäten, das Ordinariat wurde abgeschafft, die Gruppenuniversität, die zumindest teildemokratisch ist, wurde eingeführt, es kehrten endlich emanzipatorische Inhalte in die Wissenschaft zunehmend ein, und die Unabhängigkeit der Wissenschaftler vom unmittelbaren wirtschaftlichen Druck wurde zumindest als Erfordernis erkannt. Als ein zentraler Punkt, der mit diesen anderen Punkten zusammenhängt, ist natürlich die Gebührenfreiheit zu nennen, die von den Studierenden damals erkämpft worden ist. So, und jetzt sollen die Studiengebühren wieder eingeführt werden. Ich meine, dass das bedeutet, mit all diesen Lehren ganz massiv zu brechen. Studiengebühren würden einen massiven Druck auf die Studierenden ausüben, vor allem schnell zu studieren und rentable Fächer zu studieren. Das wird ja auch ganz massiv so von den Studiengebührenvertretern gefordert, dass der Student sich mal überlegt, was er da eigentlich studieren will, womit er Erfolg haben kann und wie er dann auch nachher einen sicheren Job kriegt, um seine Gebühren, seinen Kredit, zurückzuzahlen. Das würde also zum einen heißen, dass sich wahrscheinlich ein Student überlegt: Na ja, soll ich Geschichte studieren oder Kunstgeschichte oder Germanistik, das ist ja nicht ein rentables Fach. Wir kennen da ja auch die Diskussionen, die der Senator in dieser Stadt vorangetrieben hat, um die Kürzung der Geisteswissenschaften. Dass man zunehmend Ingenieurwissenschaften studieren sollte, statt so unrentable Fächer wie Afrikanistik. Das heißt zum ersten schon mal, dass die geisteswissenschaftlichen Fächer, die sich eben auch mit der Geschichte und mit der Analyse der gesellschaftlichen Zusammenhänge und der sozialen Situation auseinandersetzen, das zum Teil auch kritisch tun, weniger studiert würden und wahrscheinlich die unmittelbar verwertbareren Fächer stärker studiert werden würden. Zum anderen heißt das auch, das ist ja hier auch schon mehrfach angeklungen, dass sich eben nicht mehr so stark an der Demokratie in der Universität, in der Selbstverwaltung beteiligt werden könnte. Eben auch das ist ein Bruch mit den Lehren aus dem Faschismus. Dass man dem entgegenwirken kann, wenn sich alle an der Universität an der Fortentwicklung von Wissenschaft beteiligen und dieses dann auch wirklich breit diskutiert wird. Wir hatten im letzten Jahr den 60. Jahrestag der Wiedereröffnung der Universität. Es gab dazu auch eine Diskussion des akademischen Senats, der gesagt hat, die Universität will sich als Lehre aus dem Faschismus nie wieder Einzelinteressen unterordnen. Ich meine, dass man diesen Beschluss sehr ernst nehmen muss. Und beim Antifaschismus, meine ich, kann man keine Kompromisse machen, das heißt, wenn alle hier Anwesenden diese Lehren ernst nehmen, kann man auch nicht an diesem Gesetz irgendwie herumdoktern und gucken, dass es irgendwie vermeintlich sozial verträglich wäre oder so, sondern das Studium muss gebührenfrei bleiben. Das hier ist der einzige Weg, damit es überhaupt demokratischer werden kann und damit so etwas nie wieder geschehen kann. (Beifall aus dem Publikum)


Till Petersen

Fachschaftsrätekonferenz

Folgendes Zitat fanden wir vor etwa zwei Jahren auf einem Plakat: „Ist es nicht ungerecht, dass ein Kfz-Mechaniker einem Rechtsanwalt das Studium bezahlt, und das, obwohl der Rechtsanwalt später im Berufsleben von seiner Ausbildung finanziell profitiert, genau wie Ärzte, Ingenieure, Manager und, und, und? Ihr Einkommensvorteil wird von allen Steuerzahlern mit und ohne Studium finanziert. Diese Ungerechtigkeit kann durch Studiengebühren und sozial ausgewogene Bildungskredite beseitigt werden.“ Das ist eine Argumentation, die wir inzwischen auch bei Herrn Dräger finden, der muss das Plakat auch irgendwann gelesen haben. Dies Zitat finden wir auf den Plakaten der ‚Initiative neue soziale Marktwirtschaft’. Das klingt erst mal ganz freundlich, ist aber nichts anderes als der Zusammenschluss aller bundesdeutschen Metallarbeitgeber. Insofern ist auch klar, warum die auf den Kfz-Mechaniker kommen. Das ist nämlich derjenige, von dem diese Metallarbeitgeber profitieren ebenso wie von Rechtsanwälten und allerlei anderen. Es geht hier also um eine Umdrehung, nämlich den Studierenden als einen sozialen Schmarotzer darzustellen. Ich meine, diese Umdrehung von realen sozialen Problemen, sozialen Widersprüchen, an drei Punkten festmachen zu können.

Erstens wird mit diesem Gesetz, wie auch speziell mit diesem Darlehens- und Zinsmodell, eine Umkehrung gemacht, nämlich: Die Studierenden sollen sich doch endlich an den Kosten dessen beteiligen, woran sie sich dann bereichern können. Und wir haben vorhin schon gehört, im Prinzip ist dies Darlehenssystem ja nichts anderes als eine nachgelagerte Akademikersteuer. Sie zeichnet sich nur dadurch aus, dass, wer sehr viel Geld hat, von der Steuer befreit ist, weil er sofort zahlen kann und nicht die Zinsen zahlen muss. Und je mehr jemand verdient, desto weniger Zinsen muss er bezahlen. Das heißt, wir haben hier einen antiprogressiven Steuersatz bei einer Akademikersteuer. Insofern komme ich auf die Frage, und die sollte der Wissenschaftsausschuss, der hier gerade sehr aufmerksam zu sein scheint und miteinander tuschelt, (Beifall aus dem Publikum) das sollte der Wissenschaftsausschuss auf einer seiner nächsten Sitzungen mal beraten, was eigentlich das sozial gerechte an einem Finanzierungssystem ist, in dem gilt, je weniger ein Mensch hat, desto mehr muss er zahlen. (Beifall aus dem Publikum) In dem Zusammenhang will ich noch auf einen Extrapunkt kommen - ich komme gleich auf die Umdrehung zurück - weil er im Wissenschaftsausschuss auch schon sehr diskutiert worden ist. Was die soziale Selektivität betrifft, an dem Punkt war ich ja gerade, wurde der Befürchtung Ausdruck gegeben, dass doch, wenn die Universitäten für die Ausfallbürgschaft stehen, sie vor allen Dingen auch finanzkräftige Studierende reinholen. Und da wird argumentiert, dass die Universitäten ja über die Finanzkraft der Studierenden nichts wissen. Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass Sie vor kurzem in Ihrem Ausschuss auch schon ein neues Zulassungsgesetz beschlossen haben, wo drin steht, dass die Studierenden ausführlich über sich selbst Auskunft geben müssen, über ihre Biographie, ihre Motivation und dergleichen, sodass man bei den zukünftigen Zulassungen selbstverständlich die Möglichkeit hat, genau zu gucken, was eigentlich der soziale Hintergrund eines Studierenden ist. Auch das sollten Sie berücksichtigen. (Beifall aus dem Publikum) Ich will aber zurückkommen zur Frage der Umdrehung. Ganz wesentlich wird ja mit Einkommensunterschieden argumentiert, beispielsweise zwischen einem Kfz-Mechaniker und einem Anwalt, also Akademikern und Nichtakademikern. Und ich habe mir nun diese Zahlen angeguckt, die Herr Dräger da mal rausgesucht hat, wie die neun Prozent mehr Duchschnittverdienst. Die beruhen auf einem ganz simplen Zusammenhang: Die Akademiker verdienen deswegen im Schnitt leicht mehr, weil bei denen zurzeit noch die Arbeitslosenquote niedriger ist. Da gibt es andere Studien, die das nämlich rausrechnen. Das heißt aber, die Legitimierung für das Studienfinanzierungsgesetz rührt allein daher, dass es eine Massenarbeitslosigkeit gibt, also insbesondere bei Nichtakademikern deutlich über zwölf Prozent. Man holt sich also die Legitimität aus einem Zusammenhang, der eigentlich nicht eine Legitimation sein sollte, sondern dringend bekämpft werden sollte, nämlich das Vorhandensein von Massenarbeitslosigkeit. Das ist zumindest postuliertes Ziel aller Bürgerschaftsparteien. (Beifall aus dem Publikum) Und wer das ernst meint, der kann das nicht als Argument für die Studiengebühren anführen. Der Hauptpunkt ist aber eine ganz andere Umdrehung. Die Umdrehung nämlich, dass irgendwie die Frage gestellt wird, ob es jetzt sozial gerecht ist gegenüber dem Studierenden, dem Akademiker oder dem Kfz-Mechaniker. Und wird hier völlig außer Acht gelassen, wer eigentlich in dieser Gesellschaft wesentlich von Wissenschaft und Bildung profitiert. Das sind nämlich die Leute, die diese Anzeige geschaltet haben. Das sind beispielsweise die Metallarbeitgeber, wie Mercedes, DASA hier in Hamburg, wie Blohm und Voss und so. Diese profitieren wesentlich vom wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Und dafür müssen dann auch diese eine Form von Steuern zahlen und nicht die Studierenden. Hier findet die entscheidende Umkehrung statt, weil hier die Einkommensunterschiede keine neun Prozent ausmachen, sondern hier liegen die Unterschiede im 1000-Prozent-Bereich zwischen denjenigen, die die Produktionsmittel besitzen und denjenigen, die für die Ausbeutung ausgebildet werden sollen. (Beifall aus dem Publikum) Insofern meine ich, haben die Studiengebühren neben dem, was wir jetzt schon zur sozialen Selektivität gehört haben, zur Lenkungsfunktion auch eine ideologische Tradition, nämlich den Studierenden den Eindruck zu vermitteln, sie seien Schmarotzer und haben dem durch zweierlei entgegenzuwirken. Erstens dadurch, dass sie zukünftig dafür bezahlen, wovon im Wesentlichen andere profitieren. Und zweitens, dass sie ganz brav und diszipliniert in ihrem Studium ihr Individualinteresse verfolgen und sich so aufführen, dass sie sich möglichst gut später verkaufen können und so der Gesellschaft etwas zurückgeben. Der Gesellschaft etwas zurückgeben tut man nicht, indem man sich den Metallarbeitgeber unterordnet, die ja wie gesagt die Autoren dieser Argumentationslinie sind, und die ja ganz wesentlich ihre Profite aus Rüstungsindustrie realisieren. So gibt es beispielsweise auch den Zusammenhang, dass, wie ich meine, Gebühren auch damit zusammenhängen, dass die Wissenschaft unfriedlicher wird. So gibt es auch einen gegenteiligen Zusammenhang, den die UN bereits 1973 entwickelt hat. Da heißt es in Artikel 13 im von den Vereinten Nationen 1966 geschlossenen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte: „1. Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf Bildung an. Sie stimmen überein, dass die Bildung auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und des Bewusstseins ihrer Würde gerichtet sein und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten stärken muss. Sie stimmen ferner überein, dass die Bildung es jedermann ermöglichen muss, eine nützliche Rolle in einer freien Gesellschaft zu spielen, dass sie Verständnis, Toleranz und Freundschaft unter allen Völkern, allen rassischen, ethnischen und religiösen Gruppen fördern sowie die Tätigkeit der Vereinten Nation zur Erhaltung des Friedens unterstützen muss. Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts, Punkt c), der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise insbesondere durch die allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss.“ (Beifall aus dem Publikum) Hier gibt es also einen von den Vereinten Nationen hergestellten Zusammenhang zwischen der Unentgeltlichkeit der Bildung und Wissenschaft und ihrer allgemeinen humanen Nützlichkeit. Die besteht eben nicht darin, dass jene einzelnen Rüstungsunternehmen dient, sondern darin, dass, befreit von dem ökonomischen Druck beispielsweise der Entgeltlichkeit, die Bildungssubjekte die Möglichkeit haben, sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen. Also mit ihren eigenen Einschränkungen, und Kriege sind ja beispielsweise solche, mit der Perspektive, wie man aus der Wissenschaft allgemein nützlich dazu beitragen kann, dass es so etwas wie friedliche Entwicklung weltweit gibt, was man nicht dadurch tut, dass man Rüstungen fördert. Dafür ist die Entgeltfreiheit notwendig, um diese Muße in der Wissenschaft zu haben. Insofern meine ich, bilden Gebührenfreiheit und die allgemeine Humannützlichkeit von Bildung eine sehr enge Einheit. Insofern meine ich, gilt auch für einen Hamburger Senat, und mal ganz ab davon für die Bürgerschaft, dass man sich doch einem UN-Papier, das man unterzeichnet hat, verpflichtet fühlen sollte. Und ich bitte Sie auch im Ausschuss mal zu diskutieren, wie Sie eigentlich dieses Gesetz im Verhältnis setzen zu dem UN-Beschluss. Darüber hinaus sollten Sie ja auch der Landesverfassung verpflichtet sein, wo es heißt: „Jedermann hat die sittliche Pflicht, für das Wohl des Ganzen zu wirken.“ So heißt es in der Präambel der Landesverfassung. (Beifall aus dem Publikum) Und das Wohl des Ganzen ist die Entgeltfreiheit des Studiums, damit man die Muße hat, eine Wissenschaft zu realisieren, die allen nützt und nicht nur einigen wenigen. (Beifall aus dem Publikum)


Roland Willner

Politikwissenschaft und Journalistik, Uni Hamburg

[...] Ich finde es schade, dass zum wiederholten Male uns Studenten anscheinend misstraut wird. Ich danke für den Polizeischutz hier. Es ist allerdings sehr seltsam, hier reinzugehen als ganz normaler Student, der sich äußern möchte oder der demokratisch vielleicht dem Ausschuss etwas mitteilen möchte, aber dann durch ein Polizeispalier zu gehen, als ob man ein Verbrecher wäre, ich finde das komisch. Und das haben wir ja auch im letzten Jahr schon oft auch erlebt. (Beifall aus dem Publikum) Der dritte Punkt ist die Symbolik, die Sie hier ja mit dieser Offenheit demonstrieren wollen, dass Sie uns zuhören. Was ich wirklich auch massiv kritisiere, ist, dass der Senator Dräger nicht da ist, denn ich denke, dass er sich profiliert hat oder sich profilieren wollte, bundespolitisch oder in der CDU mit diesem Gesetz, und er steht ja mit seinem Namen wirklich für dieses Gesetz. Das heißt also, wenn Sie eine Anhörung machen, dann finde ich, muss er auch da sein und uns anhören, sonst hat das Ganze gar keinen Sinn. Ich möchte Sie hier nicht sozusagen kleinreden, natürlich sind Sie auch der Ausschuss, aber ich denke, Dräger steht symbolisch für dieses Gesetz und sollte sich deswegen auch anhören, was wir zu sagen haben. (Beifall aus dem Publikum) Zum Inhalt will ich mich kurz fassen, denn es wurde ja schon sehr viel gesagt. Ich möchte nur auch noch mal daran appellieren, dass Sie eine Verantwortung tragen als Ausschuss. Denn Sie treffen Entscheidungen, die für uns als Studierende ziemlich große Auswirkungen haben. Und Ihr Argument oder eben das Argument, was mit Studiengebühren zusammenhängt und in der Politik häufig zu hören ist, ist ja, dass Sie für uns die Bedingungen des Studierens verbessern wollen. Ich denke, da haben Sie uns auf Ihrer Seite, denn das wollen wir auch. Das Problem ist nur, dass Sie in die falsche Richtung argumentieren, nämlich die Studiengebühren würden dies leisten. Und da brauchen wir gar nicht ideologisch werden, sondern da können wir mal ganz praktisch darüber reden, wofür die Studiengebühren verwendet werden. Und dann können wir auch mit Professoren reden, die in Gremien sitzen, die im Akademischen Senat sitzen, denn die wissen ganz praktisch, was damit gemacht wird. Damit wird nämlich der Strom bezahlt und damit wird die Heizung bezahlt und damit werden die Dinge bezahlt, die die Universität im Moment erdrückt an Kosten. Denn das weiß jeder, das ist kein Geheimnis, das ist einfach so, dass die Uni kein Geld hat. Dass Studiengebühren argumentativ herhalten sollen, dass die Wissenschaft verbessert wird, das glaubt Ihnen einfach keiner. Und ich glaube auch nicht, dass das so sein wird. Denn die 500 € werden gerade einmal das decken, was im Moment wirklich an Defiziten da ist. Insofern, Sie sind der Wissenschaftsausschuss, Sie sind nicht Wirtschaftsausschuss, Sie sind nicht der Dräger-Profilierungsausschuss. [...]


N.N.

Studentin der Hochschule für Bildende Künste

Hallo, guten Tag. Ich bin Studentin an der Hochschule für Bildende Künste. [...] Leider werden Sie ja keine Position dazu beziehen, aber als Studentin und auch Angestellte an einer Kunsthochschule kann ich mir nicht vorstellen, wie die kleine Hochschule von 1.400 Studenten mit Studiengängen von heute nur noch 25 Studierenden im Bereich Architektur ein Ausfallrisiko tragen soll, was mit Studiengebühren einhergeht. Das ist mir echt unverständlich. Es sei denn, die Studierenden werden nach dem Abschluss ihres Studiums in Bereichen wie VW, BMW oder ähnlichen (Gelächter im Publikum) Konzernen arbeiten müssen. Ich sage hier nur Sensio Art Festival in Altona, Große Bergstraße, finanziert von Philips. Damit wird die Kunst benutzt, um ähnlich wie in der HafenCity den Bürgern die Umstrukturierungsmaßnahmen schmackhaft zu machen. So ein Mäzenatentum gab es im Mittelalter, davon waren wir dann lange weg. Ich kann nur sagen, das nennt man Ästhetisierung der Politik, und hier kann es nur um eine Politisierung der Ästhetik gehen. Dafür stehen wir von der Kunsthochschule. (Beifall aus dem Publikum)


Golnar Sepehrnia

studentisches Mitglied im Akademischen Senat der Uni Hamburg

Meine Frage ist, ob Sie glauben und ob eigentlich Senator Dräger glaubt, dass der historische Prozess aufzuhalten sei? Ich möchte diese Frage wie folgt begründen: Meiner Geschichtskenntnis nach ist ja so, dass in den letzten 2000 Jahren die Bildungsteilhabe doch immer größer geworden ist. Also vor ungefähr 600 Jahren war es so, dass es eigentlich auf eine ganz kleine Gruppe des Klerus beschränkt gewesen ist, das man die wesentlichen Grundkenntnisse wie Rechnen und Schreiben und vielleicht auch die Schönen Künste beherrschte, dann kam hinzu ein bisschen Adel, ein bisschen Handwerk, dann gab es so was wie bürgerliche Revolution, das Bürgertum hat sich daraufhin qualifiziert und danach erheblich qualifiziert, und dann gab es auch mit dem Voranschreiten von Wissenschaft, Künsten und Technik doch den erheblichen Bedarf an Mehrqualifizierung auch bei sogenannten Angestellten und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ich habe den Eindruck, dass an diesem Grundverlauf der menschlichen Geschichte sich eigentlich nichts wesentlich geändert hat, außer eben, dass es immer mehr ein Erfordernis ist, will man das, was eigentlich an Erkenntnissen, an Errungenschaften wissenschaftlich, technischer, sozialer, künstlerischer Qualität vorhanden ist, für alle Menschen nützlich verbreiten und verarbeiten und weiter entwickeln. Dass es dann doch erforderlich ist, dass die Bildungsteilhabe auch weiterhin immer stärker expandiert wird. Nun ist im Verlaufe dieser Erörterung hier häufig darauf verwiesen worden, welche doch sehr zerstörerischen Folgen es haben kann, wenn sich gewisse beharrende Kräfte erheblich dagegen verwenden, dass diese notwendige Bildungsexpansion auch weiter vollzogen wird. Das ist aufgerufen gewesen insbesondere mit der sehr tiefen gravierenden und zerstörerischen negativen historischen Zäsur von 1933, die in den Hochschulen ja darauf fußte, dass es ein sehr massives elitäres, privilegienorientiertes Bildungsverständnis gegeben hat. Dies ist auch sehr eng mit der Notwendigkeit verbunden gewesen, dass man einiges auf der Tasche haben musste dafür, dass man einen Bildungszugang hatte. Diese negative Zäsur hatte aber ja, nachdem in ihrer Folge erhebliches verbrochen wurde, zur Folge, dass es auch eine positive historische Zäsur gegeben hat. Und es ist darauf hingewiesen worden, wie sehr umfassende Bildungsteilhabe aller Menschen eine erforderliche Schlussfolgerung auch dieser Zäsur ist.

Vor diesem Hintergrund frage ich nun und bitte Sie zu erörtern, welcher Vernunft folgt eigentlich eine Gesetzgebung, die darauf gerichtet ist, dass man Geld aus der öffentlichen Hand, also irgendwie meistenteils aus Einkommensteuern oder von Einzelpersonen, dafür nimmt, es dann hinterher doch irgendwie den nicht aus allzu vielen Personen zusammengesetzten größeren Banken zukommen zu lassen? Welcher Vernunft folgt eigentlich ein Gesetz, bei dem man jetzt schon aus der Erfahrung weiß, dass es eher von höherem Bildungszugang abschreckt, als dass es dazu herausfordert? Welcher Vernunft folgt eigentlich ein Gesetz, bei dem man davon ausgehen kann, dass die soziale Keule der Studiengebühren dazu führt, dass man sich nicht nur gegenseitig berechnend im Alltag begegnet, sondern dass das, was Wissenschaftsinhalte sind, auch stark darauf orientiert sein müsste, dass es sich irgendwie verkaufen ließe oder man sich damit verkaufen könnte? – Also insgesamt die Frage: Glauben Sie denn eigentlich, dass Sie sich gegen diesen historischen Prozess - dass es also einen wissenschaftlichen, technischen, sozialen, kulturellen Fortschritt gibt, dass es infolgedessen immer mehr Bildung geben muss und damit auch immer mehr Demokratie - dass Sie sich dem erfolgreich entgegenstellen könnten? (Beifall aus dem Publikum)


Luise Albers

Fachschaftsrat Theologie

Ja, als Mitglied der Fachschaftsrätekonferenz hatte ich ja schon neulich bei der Sachverständigenanhörung das Vergnügen, einiges zu sagen. Deswegen würde ich jetzt gerne kurz noch etwas als Studentin und Fachschaftsrätin der Theologie sagen. Es ist richtig, von der Gleichheit der Menschen auszugehen, und es ist richtig, daraus Ableitungen für das Miteinander der Menschen zu ziehen. Das sollte man tun, wo man geht und steht, unter anderem auch als Mitglied des Wissenschaftsausschusses. Nun kann man die Gleichheit der Menschheit auch auf verschiedene Weise begründen, und eine Möglichkeit ist, von der gleichen Geschaffenheit, der gleichen Geschöpflichkeit der Menschen auszugehen. Deswegen möchte ich gerne Ihnen allen, aber vor allem den Abgeordneten in der Christlich-Demokratischen Union, einen einzigen Vers aus dem 5. Buch Moses vorlesen. Und zwar heißt es da bei Deuteronium 23, Vers 20: „Du sollst Deinem Bruder keinen Zins auferlegen! Zins für Geld, Zins für Speise, Zins für irgendeine Sache, die man gegen Zins ausleiht.“ Vielen Dank. (Beifall aus dem Publikum)


Wolfgang Beuß (CDU)

Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses

Frau Albers, wir sollten uns vielleicht irgendwann wohl noch einmal darüber unterhalten, welchen Sitz im Leben diese Stelle hat. Dann macht es vielleicht ein bisschen mehr Sinn. Aber vielen Dank trotzdem. (Gelächter im Publikum)


Bildung und Humanität

(Eine ungehaltene Rede, von Olaf Walther)

Der Vorsitzende des Bürgerschaftsausschusses für Wissenschaft, Wolfgang Beuß (CDU), hat die öffentliche Anhörung am 15.5.2006 zur geplanten Einführung von Studiengebühren unlauter und vorzeitig abgebrochen, da ihm „keine neuen Gesichtspunkte“ mehr vorlägen. Deshalb wird der folgende Beitrag nun schriftlich vorgelegt.

(Herr Beuß sei in diesem Zusammenhang gefragt: Welchen Sitz im Leben hat die CDU?)

„Erfaßt es tief! Laßt euch von mir, den ihr übrigens verstehen mögt oder nicht, wenigstens das Eine sagen und bis nah ans Herz bringen: Denken und Erkennen sind die einzige Art, das Leben zu verbringen, die zuletzt gelohnt hat. Darum verpflichtet sie auch. Ihr habt die Art gewählt, ihr seid verpflichtet, euch einzusetzen für eure Wahrhaftigkeit. Bekennt und handelt! Verständigt euch und seid einig! Menschen, die wahrhaftig sein wollen, heute trennt sie nichts, besonders keine Wirtschaftsdoktrin. Die künftigen Einrichtungen ergeben sich aus den heutigen Tatsachen.“
Heinrich Mann, „Studenten!“, Pariser Tageblatt (Erstdruck), 26. August 1935. Später in der Sammlung: „Es kommt der Tag. Deutsches Lesebuch“, Zürich: Europa-Verlag 1936.

Heinrich Mann, auch er ein durch die Nazis „verbrannter Dichter“, hat angesichts der damals gegenwärtigen menschenfeindlichen Barbarei auf den unbedingten humanitären Gehalt von Bildung und Wissenschaft hingewiesen und gezeigt, welche Verantwortung daraus erwächst. Wissenschaft sei der Wahrheit verpflichtet. Die Wahrheit läßt sich bestimmen als das treffliche Erkennen von Ursachen, Zusammenhängen, Verlaufsformen und möglichen Entwicklungsalternativen natürlicher, gesellschaftlicher und gedanklicher Prozesse.

So verstanden und realisiert, kommen die aktuellen Akteure der Wissenschaften dem Vernunftethos der Aufklärung nahe. Hier lernen sich die Menschen als kulturelle Wesen kennen, die sich und ihre Bedingungen selber schaffen. Insofern besteht auch die Verantwortung der Wissenschaften darin, einen vernünftigen Beitrag zu leisten, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern. Die Entwicklung und Verbreitung von Frieden, sozialer Wohlfahrt, demokratischer Partizipation, geistig und seelisch anregender Kultur sowie lebensfroher Gesundheit kann die Menschheit sicher gut vertragen.

Die Einführung von Studiengebühren steht diesem qualitativ wertvollen Beitrag fundamental entgegen. Da die Lernsubjekte sowie der Lehrbetrieb unter finanziellem Zwang quantitativ normiert werden sollen über Geld (Gebühren, Zinsen - im Verhältnis zur sozial prekären Lage der Studierenden und der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen), Zeit (schnelles Studium bei miserabler Betreuungsrelation) und Leistung (Punkte etc. als Zerhacken der Inhaltlichkeit des Studiums), um den kurzfristigen Markterfordernissen ökonomischer Verwertbarkeit - egal, ob Kakao oder Zündpulver - zu genügen, bleiben unter dieser Doktrin die Wahrheitsfindung respektive die Mehrung humanen Nutzens schlicht auf der Strecke.

Nach dieser Maßgabe, die wir weder dulden können noch dulden wollen oder müssen, werden auch Individualität als allgemein nützliche qualifizierte Eigenständigkeit und Kreativität als produktiver Einfallsreichtum für entwickelte Mitmenschlichkeit zerstört. Normierung tötet.

Da diese Maßnahme von der CDU zu verantworten ist, zeigt sich der politische Konservativismus in einer tiefen Krise. Eine Partei mit einer parlamentarischen Mehrheit verstößt gegen die Interessen der Mehrheit.
Das ist dringend zu ändern.

Studiengebühren sind rundum abzulehnen.

http://www.fsrk.de/artikel_68.html [Stand 15. Mai 2006]


Wortbeiträge zum „Studienfinanzierungsgesetz“