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dokumentiert
Beschluß des Fakultätsrats Geisteswissenschaften vom 3. September 2014

Stellungnahme des Fakultätsrats Geisteswissenschaften zum Perspektivpapier der BWF

Die Behörde für Wissenschaft und Forschung hat den Hamburger Hochschulen am 16. Juni 2014 den Entwurf für ein Strategie-Papier zugestellt mit der Bitte um Stellungnahmen. Der FR hat eine erste Diskussion zu dem Papier auf der Sitzung am 09. Juli 2014 geführt und Mitglieder des FR beauftragt, auf dieser Grundlage diese erste Stellungnahme zu erarbeiten.

Der FR begrüßt die Initiative der BWF, eine längerfristige Perspektive der Zusammenarbeit mit den Hamburger Hochschulen zur Diskussion zu stellen, als Grundlage für Planungssicherheit und für die kontinuierliche Verbesserung von Forschung und Lehre. Der FR fordert die Behörde auf, die vorgelegte Drucksache „Strategische Perspektiven für die Hamburgischen Hochschulen bis 2020“ zurückzuziehen, um damit einer partnerschaftlichen Entwicklung wieder einen Pfad zu eröffnen an dessen Ende eine gemeinsame strategische Perspektive stehen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, die Zeit für entsprechende Verständigung und kollegialen Austausch über Entwicklungsvorhaben der Bedeutung des Gegenstandes entsprechend großzügiger zu bemessen.

Aus Sicht der Fakultät ist positiv die Zusage hervorzuheben, dass die Fächervielfalt der Hamburger Geisteswissenschaften „als ein Alleinstellungsmerkmal erhalten werden“ soll (S. 52). In Anbetracht der nationalen wie internationalen Bedeutung geisteswissenschaftlicher Forschung und Lehre an der UHH (S. 6, 22), über die auch der aktuelle Jahresbericht der Fakultät Auskunft gibt, hält der FR jedoch ein noch deutlicheres Bekenntnis zu den Geisteswissenschaften für sinnvoll. So sollte die Absicht, den geisteswissenschaftlichen Schwerpunkt in Zukunft auszubauen und zu stärken (S. 27f.), klarer artikuliert und materiell untermauert werden. Zudem ist wünschenswert, die wertvolle Arbeit wahrzunehmen und mehr wertzuschätzen, die von allen Universitätsmitgliedern jenseits der künstlich gesetzten Kriterien von ZLV oder LOMI unternommen wird und quasi nebenbei die ganze Stadt geistig und kulturell bereichert.

Die Festlegung von Entwicklungsvorhaben anhand von Wirtschaftsclustern und Fachkräftebedarf ist einseitig und nicht im Interesse der Hochschulen und dem Großteil der Bevölkerung. Generell sind die „Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft“, orientiert an den Grundsätzen „einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Entwicklung“ (Leitbild UHH) und dafür die Bildung mündiger Menschen nach Einschätzung des FR die entscheidenden Maßstäbe für die strategische Entwicklung der Hochschulen. Dieser Maßstab findet jedoch in dem vorliegenden Papier keinen Niederschlag. So bleibt auch die von der Universität erarbeitete Strategie „Nachhaltige Universität“ unerwähnt.

Der FR begrüßt die bisher gezeigten Anstrengungen der Stadt Hamburg, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in die Hansestadt zu holen, und empfiehlt der BWF, diese Anstrengungen auch auf geisteswissenschaftliche Forschungseinrichtungen wie beispielsweise der Max-Planck-Gesellschaft zu erweitern. Allerdings ist dabei auch vom Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit aus die zentrale Stellung der Hochschulen als öffentliche Forschungs- und Bildungsinstitutionen beizubehalten. Die Einheit von Forschung und Lehre bildet eine wesentliche Säule kritischer und gesellschaftlich verantwortungsvoller Wissenschaft.

Im Entwurf wird ferner ausgeführt, dass sich die BWF für eine Fortsetzung des Hochschulpaktes und damit für eine Aufrechterhaltung der zusätzlich geschaffenen Kapazitäten im Studienplatzangebot einsetzt (S. 12f.). Die geplante Reduzierung des Studienplatzangebotes bis 2020 lehnt der FR aus strategischen Gründen ab. Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften wird perspektivisch weiter steigen, außerdem ist eine lebendige Demokratie auf die Mündigkeit und Kritikfähigkeit ihrer Bürger angewiesen; die Hochschulen müssen also weiter geöffnet werden. Der FR begrüßt eine Kapazitätserweiterung, sofern sichergestellt wird, dass die dafür freiwerdenden Mittel für wissenschaftliche MitarbeiterInnen im Sinne des mit der BWF und den Hochschulen vereinbarten Code of Conduct eingesetzt werden (vgl. „Faire Arbeitsbedingungen für Gute Wissenschaft“, Drucksache 20/10837 vom 11.02.2014). Dies betrifft die verbindliche Zusage über angemessene Vertragslaufzeiten zur Durchführung von Qualifikationsarbeiten bei wissenschaftlichen MitarbeiterInnen nach § 28.1 und 2 und die Schaffung der Option zur Überführung von Laufzeiten in adäquate Vertragsformate.

Im Entwurf müssen zudem dringend Perspektiven für das an der Universität beschäftigte Personal in den Bereichen Technik, Bibliothek, IT und Verwaltung (kurz: TVP) aufgezeigt werden. Ohne dieses Personal kann die Universität nicht funktionieren, es wird jedoch nicht einmal erwähnt. Der in vielen Arbeitsbereichen bestehende Einstellungsstopp hat bewirkt, dass zahlreiche TVP-Stellen gestrichen bzw. nicht wieder besetzt werden. Die anfallenden Arbeiten werden nun von den verbliebenen Mitarbeitern übernommen bzw. durch studentisches Personal abgefangen. Die unnötig hohe Belastung zusammen mit prekären Arbeitsverhältnissen, wie Arbeitsverträge mit sachgrundlosen Befristungen, die beim TVP die Regel sind, sind weder für die Beschäftigten befriedigend, noch tragen sie zur Gewährleistung eines täglichen, reibungslosen Ablaufs von Studium, Lehre und Forschung bei. Den derzeit existierenden gravierenden Mehr- und Überbelastungen des TVP muss durch die Schaffung und den Erhalt regulärer Arbeitsplätze entgegengewirkt werden. Die Beendigung des Einstellungsstopps wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.

In Zusammenhang mit den Planungen für bessere räumliche Bedingungen (S. 28f., 45) sollte die Fakultät für Geisteswissenschaften stärker berücksichtigt werden. Der FR begrüßt die Schaffung eines MIN-Campus, erwartet aber darüber hinaus die Benennung weiterer konkreter Ziele für die bauliche Entwicklung der Universität. Das aktuelle HIS-Gutachten zum Von-Melle-Campus sieht einen erhöhten Flächenbedarf der dort ansässigen Fakultäten und daraus entstehenden Handlungsbedarf. In den Geisteswissenschaften liegt der Flächenbedarf nicht nur in erhöhtem Drittmittelaufkommen begründet, sondern entsteht auch aus einer wachsenden Methodenvielfalt in Forschung und Lehre unter Einbezug empirischer Verfahren, deren Platzbedarf nicht mit dem traditionellen Ansatz für „Buchwissenschaften“ vergleichbar ist. Der FR schlägt daher die Ergänzung der Einlassungen zur baulichen Entwicklung der Universität um konkrete und zeitlich verortete Meilensteine zur Entwicklung des Campus Von-Melle-Park vor. Aus Sicht der Fakultät sollte die vollständige Erschließung des ehemaligen Fernmeldeamtes in der Schlüterstraße darin enthalten sein.

Der FR begrüßt die allgemeine Akzentuierung der Hochschulautonomie in dem Entwurf, sieht aber zugleich Tendenzen, diese Autonomie durch Steuerungs- und Kontrollinstrumente einzuschränken. Eine Einführung neuer und Ausweitung bestehender - zu Recht durch die Hochschulen kritisierter - Instrumente wie Kennziffern, ZLV und LOMI ist unangebracht und führt nicht zu dem notwendigen Vertrauen, das die Grundlage für den Auftrag der Hochschule bildet, durch Bildung notwendige Rahmenbedingungen für die Entfaltung aller zu mündigen Persönlichkeiten zu schaffen. Eine Alternative zu gängelnden Kontroll- und Sanktionsmitteln ist die Bereitstellung ausreichender Mittel für den Bildungs-, Sozial-, Kultur- und Gesundheitsbereich, um dort eine eigenständige, positive Entwicklung zu befördern.

http://www.fsrk.de/artikel_351.html [Stand 3. September 2014]


Stellungnahme des Fakultätsrats Geisteswissenschaften