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dokumentiert
Beschluß des Dekanats/der Erweiterten Fakultätsleitung und des Fakultätsrats der Fakultät Wirtschaft und Soziales der HAW Hamburg vom 19.08.2014

Gemeinsame Stellungnahme des Dekanats/der Erweiterten Fakultätsleitung und des Fakultätsrats der Fakultät Wirtschaft und Soziales der HAW Hamburg zum Entwurf einer Senatsentscheidung „Strategische Perspektiven für die hamburgischen Hochschulen bis 2020“

I. Zum Verfahren

Die Hochschulen sind aufgefordert, ihre Organe und Gremien zu beteiligen und bis zum 15. August 2014 Stellung zu nehmen. Diese Frist fällt in die vorlesungsfreie Zeit und ist zu kurz, als dass eine angemessene und geordnete Beratung in der HAW Hamburg möglich wäre. Wie bereits im Fall der Novelle des hamburgischen Hochschulgesetzes geht der Senat erneut über die Beteiligungsrechte der Hochschulen und ihrer Mitglieder hinweg. Dies offenbart eine Missachtung der demokratisch legitimierten Gremien und Organe der Hochschulen und ihrer Verfahrenserfordernisse.
Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Stellungnahmeverfahren für ein neues HmbHG hatten die Hochschulen vielfach darauf hingewiesen, dass eine kurz bemessene Fristsetzung von wenigen Wochen den demokratischen innerhochschulischen Entscheidungsprozessen nicht gerecht wird. Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, wieso bei der Erarbeitung einer langfristigen Strategie bis
2020 auf einmal ein solcher Zeitdruck erzeugt wird. Die Behörde hat mehrere Jahre an diesem Papier gearbeitet. Nimmt sie selber das Ergebnis ernst, sollte den Hochschulen nun auch eine angemessene Gründlichkeit bei der Kenntnisnahme, Reflexion und Positionierung zugemessen werden. Allein an der HAW Hamburg wird stattdessen erneut eine Beteiligung namentlich der 16.300 Studentinnen und Studenten faktisch unmöglich gemacht.

Daher ist eine Fristverlängerung bis Ende Oktober erforderlich, um die vorgelegten „Perspektiven“ demokratisch in den Hochschulen und Gewerkschaften diskutieren zu können. Dafür ist wie auch schon im Beteiligungsverfahren der Hochschulgesetznovelle mindestens eine hochschulöffentliche Fachtagung der Behörde im Oktober sinnvoll. In deren Kontext könnten z.B. auch Möglichkeiten diskutiert werden, wie die Hochschulen von Bürokratie entlastet werden können und welche Möglichkeiten der Hamburger Senat sieht, aktiv Hemmnisse zu beseitigen. Dies muss im Interesse aller Beteiligten liegen.

II. Zum Strategiepapier insgesamt

1. Strategieentwicklung im Hochschulbereich

Der vorliegende Entwurf von „Strategischen Perspektiven für die hamburgischen Hochschulen bis
2020“ ist fast durchgängig deskriptiv angelegt und enthält wenig Neues. Entgegen dem Titel mangelt es im Kern an einer übergeordneten, strategischen Zielsetzung zur Ausrichtung der Hamburger Hochschulen. Für die zukünftige, vertrauensvolle Zusammenarbeit ist eine klare, gemeinsam vertretene Zielsetzung zur Weiterentwicklung der Hamburger Hochschulen unter Berücksichtigung grundgesetzlicher Freiräume wünschenswert. Typischerweise müsste der Findung dieser Zielsetzung eine Bedarfsanalyse im Hinblick auf soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Chancen und Problemstellungen vorausgehen.

Eine mittelfristige oder langfristige Wettbewerbsstrategie zur Erreichung dieser Zielsetzung wäre aus Hochschulsicht zukünftig besser im interaktiven Prozess zu entwickeln und gemeinschaftlich festzulegen. Relevant scheint dabei auch die Einbeziehung von privaten und/oder „digitalen“ Hochschulen sowie der Helmut-Schmidt-Universität. Welche Hamburger Hochschule des Portfolios welchen konkreten Beitrag zur Erreichung der Zielsetzung leisten sollte und wie sich die Hochschulen untereinander abgrenzen, wäre durch Ziel- und Leistungsvereinbarungen inhaltlich zu konkretisieren und entsprechend zu budgetieren. Ein solcher Ansatz könnte koordiniertes sowie ressourcenschonendes Handeln ermöglichen und zur gesellschaftlichen Entwicklung insgesamt sowie der Abgrenzung im starken deutschlandweiten und internationalen Wettbewerbsumfeld dienen.

Das vorliegende Strategiepapier beantwortet nicht die Frage, wohin sich die FHH insgesamt entwickeln möchte und welche Rolle Wissenschaft und Forschung dabei spielen sollen.

Im vorliegenden Papier werden Forschungsergebnisse und HochschulabsolventInnen unter öffentliche sowie privatwirtschaftliche Verwertungsinteressen unterworfen („Erwerbspersonenpotential“). Dagegen geht es gesellschaftlich darum, eine breite wissenschaftliche Bildungsbeteiligung sowie gesellschaftskritische Forschung in Bezug auf internationale und lokale Entwicklungsherausforderungen zu realisieren. Eine Aufhebung dieses Widerspruchs zu Gunsten einer gemeinwohlorientierten Entwicklung der Hochschulen und des Gemeinwesens ist dagegen notwendig. Dies leistet das Papier nicht.

Das Strategiepapier nimmt stattdessen an verschiedenen Stellen Bezug auf die Fachkräftestrategie des Hamburger Senats (http://www.esf-hamburg.de/contentblob/3987026/data/fachkraeftestrategie.pdf). Wie die Fachkräftestrategie richtet es sich formal stark an Innovation aus und legt den Fokus für eine Vernetzung von für Wirtschaft und Gesellschaft wichtiges Wissen in Clustern (S.6, 10). Eine gelungene Analyse der Stärken der verschiedenen Hochschulen ist dies aber nicht.

Der Senat plädiert selbst dafür, dass eine Prognose des Fachkräftebedarfs für alle Bereiche der Stadt vorgenommen wird. Dabei wird auf Bedarfe der Branchen/Cluster verwiesen, zusätzlich auf grundsätzliche langfristige gesellschaftliche Herausforderungen fokussiert. Fachkräftemangel wird bundesweit für Ingenieure konstatiert, zusätzlich wird auf Bedarfe an Sozialpädagogen und Pflegefachkräften hingewiesen (S. 11). Ohne dass dies angegeben wird, stützt sich das Papier dabei einerseits auf das Papier Fachkräftestrategie, andererseits auf Daten der Bundesagentur für Arbeit. Im Papier Fachkräftestrategie wird allerdings für den Bereich Soziales/Pflege auf eine unscharfe Datenbasis verwiesen, weil verschiedene Bereiche nicht getrennt werden können. Für wichtige Angebote der Fakultät Wirtschaft und Soziales fehlt es insofern an einer angemessenen Datenbasis. Dies ist ein Beispiel dafür, dass nicht allein der grundsätzliche Planungsansatz problematisch
ist, sondern dass darüber hinausgehend auch die innerhalb dieses Ansatzes verwendete Datenbasis nicht geeignet ist. Insgesamt wird auf ein „langfristig angemessenes Studienplatzangebot“ abgestellt, ohne dass geklärt wäre, was das sein soll.

2. Zum Steuerungsanspruch der Politik

Der vorliegende Entwurf von „Strategischen Perspektiven für die hamburgischen Hochschulen bis 2020“ ordnet sich ein in den Kontext von Hochschulvereinbarungen in Verbindung mit einem neuen Hochschulgesetz und einem neuen Kapazitätsrecht. Diesen Regelungen ist gemein, dass die Hochschulen in deutlich stärkerem Maße der Steuerung und Kontrolle durch den Staat unterworfen werden, als dies in den letzten 10 Jahren der Fall war. Die Instrumente der Hochschulsteuerung sind vor allem solche des neuen Haushaltswesens. Entscheidendes Gewicht wird auf die „Ergebnisverantwortung“ der Hochschulen als Gegenstück für verlässliche Budgets gelegt, die mit einem „differenzierten Berichts- und Steuerungssystem“ einhergehen soll.

Die flächendeckende Unterordnung der Hamburger Hochschulen unter die Erfordernisse eines Haushaltsplans ist strikt abzulehnen. Wissenschaft und Forschung brauchen Freiräume und Entfaltungsmöglichkeiten. Der Hochschulautonomie als Ausfluss der institutionellen Garantie aus Art. 5 GG kommt dabei besondere Bedeutung zu. In dem Entwurf wird Hochschulautonomie verstanden als

— „die Autonomie der Hochschulen insbesondere mit Blick auf die fachlich-wissenschaftliche Prägung der Entwicklungsfragen“ (S. 4), also den ohnehin grundgesetzlich garantierten fachlich-wissenschaftlichen Kernbereich; vor allem aber als
— Selbstverantwortung i.S.v. selbst verantwortlich zu sein für das „Wie“ der Erfüllung der staatlichen Aufgaben, d.h. „Ergebnisverantwortung“ insb. für die Ausbildung von Absolventinnen und Absolventen als Gegenleistung für die Bereitstellung von Haushaltsmitteln (S. 48).

Ferner erscheint der Begriff im Zusammenhang mit der Festlegung von fachlichen Schwerpunkten und von Betreuungsrelationen bei Studiengängen im Rahmen des neuen Kapazitätsrechts (S. 50). Der Begriff „akademische Selbstverwaltung“ wird im Strategiepapier bezeichnender Weise nicht erwähnt. Der Begriff „Freiheit“ erscheint lediglich an zwei Stellen: „Die Hochschulen verfügen [aufgrund der Hochschulvereinbarungen] über eine weitreichende Planungssicherheit, die ihnen die notwendige Freiheit für strategische und inhaltliche Entwicklungen gibt“ (S. 6); „Das HmbHG belässt […] den Hochschulen die Freiheit der Verfahrenswahl“ (S. 18) nämlich die Wahl zwischen Programm- oder Systemakkreditierung. Eine so verstandene Freiheit und Autonomie bleibt hinter den Anforderungen an autonome Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume der Hochschulen deutlich zurück. Hochschulen sind aber keine „Staatsunternehmen“. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass die komplexen Prozesse an Hochschulen sich allenfalls global planen und steuern lassen.

3. Zur Stellung der HAW Hamburg

Die anerkannte Stärke der HAW Hamburg liegt in der praxisorientierten Lehre sowie in anwendungsorientierter und Transferforschung. Von Unternehmen und Organisationen ist die HAW Hamburg geschätzter Forschungspartner für angewandte Forschung. In dem Entwurf wird die HAW Hamburg jedoch auf eine Rolle zur berufsorientierten Basisausbildung mit Forschung in der Nebenrolle degradiert, die der Ist-Situation und Leistung an der Hochschule ebenso widersprechen wie dem Qualifizierungsinteresse der Behörde.

Bildung auf wissenschaftlicher Grundlage erfordert dagegen die Einheit von Studium, Lehre und Forschung, welche die HAW Hamburg in hohem Maße realisiert. Dies darf nicht durch definitorische Verkürzung und Beschränkung auf ein überholtes Fachhochschulbild zurückgenommen und eingeengt werden. Dies steht auch im Widerspruch zu allen aktuellen Empfehlungen des Wissenschaftsrates und zu den vom BVerfG in 2010 getroffenen Feststellungen zur Entwicklung der Fachhochschulen.

Im Hinblick auf die HAW Hamburg fällt auf, dass Angebote kleinerer spezialisierter Hochschulen (Rauhes Haus, HFBK) in ihrem Stellenwert hervorgehoben werden, während komplementäre Angebote der HAW Hamburg nicht gewürdigt werden. Auffällig ist auch, dass nur durchschnittliche Erfolge der HAW Hamburg bei Drittmitteln kritisiert werden, während gleichzeitig die enorme Belastung im Kontext des Hochschulpakts als selbstverständlich dargestellt wird. Ausweislich des in der Vorlage selbst verwendeten Datenmaterials nehmen HAW Hamburg und Universität zusammen rd. 90% der zusätzlichen Studienplätze des HSP II auf. Beide Hochschulen bieten im Rahmen des HSP jeweils 900 Plätze an – damit ergibt sich eine in Hamburg beispiellose Leistung im Hinblick auf die Anforderungen des Hochschulpaktes, andererseits aber auch eine beispiellose Belastung der HAW Hamburg. Die HSP II finanzierten Anfängerplätze entsprechen rd. 36% der grundfinanzierten Anfängerplätze. Auch die anderen öffentlichen Hamburger Hochschulen erbringen hier Leistungen, die nicht zu schmälern sind. Im Durchschnitt der öffentlichen Hochschulen (ohne die HAW Hamburg) wird aber nur eine Belastung von rd. 12% getragen. Die bisherigen Leistungen waren nur durch erhebliche Mehrlehre und Überlasten engagierter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu erbringen.

Die angebliche Handlungssicherheit der Hochschulen durch Festschreibung eines – im Fall der HAW Hamburg unauskömmlichen, unzureichend dynamisierten – Budgets wird durch zusätzliche Aufgaben weiterhin konterkariert. Dass zeitgleich zur Abstimmung des Strategiepapiers des Senats durch die zuständige Behörde der Ausweis von Rückstellungen für Mehrlehre verhindert bzw. die Auflösung von Rückstellungen für geleistete Mehrlehre durchgesetzt wird, setzt zusätzlich falsche Zeichen.

Ein Beharren auf zusätzlichen Aufgaben (duale Studiengänge, Digitalisierung, Weiterbildungsstudiengänge; S. 21f.) – die mit einem erweiterten Anteil Leistungsbudget durchgesetzt werden sollen – erfolgt zu einem Zeitpunkt, in dem die Wirksamkeit des neuen Kapazitätsrechts noch nicht klar ist. Hierbei handelt es sich durchgängig um Aufgaben, die lt. Wissenschaftsrat wünschenswert sind, aber zu erheblichem Mehraufwand führen, finanzielle und organisatorische Risiken bergen. Innerhalb eines festgeschriebenen und unauskömmlichen Haushalts sind zusätzliche Aufgaben kapazitätswirksam bzw. qualitätssenkend. Beides ist nicht im Interesse der Metropolregion Hamburg, weil ein hoher Anteil der Absolventinnen und Absolventen in dieser Region bleibt.
Die Planungen sind insoweit auch inkonsistent, weil zusätzliche Aufgaben nicht durch Änderungen der Lehrverpflichtungsverordnung abgesichert werden. Zusätzliche duale Angebote hätten eine der Forderung nach einer hohen Anzahl von Anfängerplätzen widersprechende Wirkung.

Angesichts des Nullsummenspiels innerhalb eines ohnehin zu knappen Haushalts führt eine personelle und finanzielle Stärkung der Profilbereiche (S. 25) zu einer Belastung der Fakultät Wirtschaft und Soziales. Die Fakultät hat aber bereits jetzt ein ungünstiges zahlenmäßiges Verhältnis von Studierenden und Lehrenden, zugleich aber rd. 10 Bewerberinnen und Bewerber je Studienplatz. Zugleich trägt sie hohe Lasten des Hochschulpaktes.

Hinsichtlich der gewünschten Kooperationen mit anderen Hochschulen wird deutlich, dass wesentliche Kooperationserleichterungen – z.B. Angleichungen der Semesterzeiten – nicht vorliegen und auch vom Senat zu schaffen wären. (S. 24) Zusätzlich ist nicht erkennbar, wie die Hochschulen von Aufgaben entlastet werden können (z.B. Finanz- und Rechnungswesen, Ziel- und Leistungsvereinbarungen verschiedener Ebenen Dokumentation, …), die zu einer Verlagerung von Ressourcen in Zentralbereiche führen, während zugleich Ressourcen in der Lehre und Forschung fehlen.

III. Zum Strategiepapier im Einzelnen

Der Entwurf wiederholt oder variiert zu großen Teilen Inhalte, die bereits an anderer Stelle festgelegt worden sind. Dies beinhaltet die Novelle des hamburgischen Hochschulgesetzes, das neue Kapazitätsrecht, die Hochschulvereinbarungen oder Regelungen des Haushaltswesens. Im Folgenden wird daher nur zu den relevant erscheinenden Punkten Stellung genommen.

Zu S. 11: Studienplatzzielzahlen: Grundständiges Studienangebot
Wenn das Papier konstatiert, dass zunehmender Fachkräftemangel – auch bundesweit – insbesondere im Bereich des Ingenieurwesens prognostiziert werde, Fachkräftebedarfe aber etwa auch im sozialpädagogischen Bereich und in der Pflege zu erkennen seien, so entbehrt das nicht der Ironie: Die Leitlinien des Senats von 2003 sahen den Abbau von Kapazitäten im „sozialpädagogischen Bereich“ vor. Das hat namentlich die HAW Hamburg umgesetzt mit der Folge abnehmender Anfängerzahlen. Einem wachsenden Fachkräftebedarf in den genannten Bereichen kann sie nur begegnen, wenn dafür zusätzliche Kapazitäten bereitgestellt werden.

Zu S. 12: Entwicklung der Studienplatzangebote
Die Tabelle „Entwicklung der Studienplatzangebote“ sieht bis 2020 einen Rückgang der aus den Haushaltsmitteln Hamburgs finanzierten Studienanfängerzahlen um annähernd 5 % vor. Dies steht in Kontrast zu den Ausführungen zu „Wichtigen Trends“ (S. 9 f.) sowie zu der Aussage, dass die prognostizierte Anfängerzahl des Jahres 2025 nur geringfügig unter dem prognostizierten Wert
für 2015 liegen werde (S. 10). Zwar wird ausgeführt, dass der Senat dafür Sorge tragen werde, „dass […] langfristig ein angemessenes Studienplatzangebot an den öffentlichen Hochschulen vorgehalten wird.“ Zur Finanzierung des Erhalts von Kapazitäten bzw. zusätzlicher Anfängerplätze wird jedoch ausschließlich auf den Hochschulpakt verwiesen („Die angegebenen Kapazitäten werden im Rahmen der Fortsetzung des Hochschulpaktes voraussichtlich noch ausgebaut“, S. 12; „Umso dringlicher ist eine Weiterentwicklung des Hochschulpakts 2020 von Bund und Ländern“, S. 10; „Die Behörde für Wissenschaft und Forschung setzt sich für eine Fortsetzung des Hochschulpaktes und damit für eine Aufrechterhaltung der zusätzlich geschaffenen Kapazitäten ein“ (S. 13).

Die FHH verantwortet mithin den Abbau von grundfinanzierten Anfängerplätzen entgegen den Bedarfen und Trends (steigende Abiturquoten und erweiterte gesellschaftliche „Akademisierungs“-Erfordernisse). Dies ist strategisch rundweg falsch. Sie setzt darauf, dass der Bund dies ausgleicht. Die Hochschulen stehen vor dem Problem, dass zunehmend Teile ihres Regelangebots an Anfängerplätzen nur mehr befristet finanziert werden. Damit gehen erhebliche Probleme einher. Namentlich die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen, die daraus folgt, führt zu erheblichem Verwaltungsaufwand sowie zu Rekrutierungsengpässen und problematischen Beschäftigungsbedingungen für die Betroffenen. Dass die HAW Hamburg weit überdurchschnittlich von diesem Problem betroffen ist, zeigen die oben benannten Zahlen zum Hochschulpakt.

Zu S. 13 ff.: Studienplatzzielzahlen: Masterplatzangebot
Die tabellarische Darstellung der Anfängerplätze im Master 2020 in Verbindung mit der Entwicklung der Bachelor-Anfängerplätze (Tabelle 1) zeigt eine eklatante Benachteiligung der HAW Hamburg beim künftigen Anteil an Master-Anfängerplätzen im Vergleich zu UHH und TUHH.

Die Ausführungen, wonach die Masterkapazitäten so zu berechnen seien, dass für jeden weiterstudierwilligen Bachelor-Absolventen rechnerisch ein Master-Studienplatz vorgehalten wird (S. 13), werden bereits im weiteren Text relativiert durch die auf S. 14 genannten Kriterien. Zudem wird dieser Grundsatz erheblich eingeschränkt durch die Anforderung, dass die Berufsbefähigung von Bachelor-Abschlüssen weiter zu steigern sei und – nur – dort, wo dies nicht ohne weiteres zu realisieren sei, die Übergangsquoten in das Masterstudium so auszulegen seien, dass für jeden weiterstudierwilligen Bachelor-Absolventen rechnerisch ein Master-Studienplatz vorgehalten wird (S. 16). Dies sowie das Vorhaben Bachelorstudienplätze für einzurichtende Masterstudienplätze zu streichen, ist abzulehnen.

Für die Fakultät Wirtschaft und Soziales fällt das Defizit an konsekutiven Master-Anfängerplätzen in den Departments Pflege und Management sowie Soziale Arbeit besonders gravierend aus. Müssten Bachelor-Anfängerplätze in erheblichem Umfang abgebaut werden, um dringend benötigte Master-Anfängerplätze einrichten zu können, so widerspräche dies den Bedarfen in den Bachelor-Studiengängen.

Zu S.15: 2.1.2 Zur Qualität der Lehre
Aus Sicht der Studierenden schwankt das Papier zwischen Kritik an Unternehmenserwartungen und deren Erfüllung, wenn es einerseits die Minderung von „Workload“ und Prüfungsdichte befürwortet und andererseits Auslandsaufenthalte der Studierenden ohne Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Voraussetzungen erhöht werden sollen. Darunter sollen auch Bildung (auf wissenschaftlichem Niveau und Persönlichkeitsentwicklung) und Berufsbefähigung gleichermaßen gestärkt werden, was keine Bachelor/Master-Reform, sondern eine minimale Korrektur – trotz erkannter Probleme – darstellt.

Stattdessen sind die Ermöglichung von Bildung zu mündigen Menschen, kritische Persönlichkeitsentwicklung und wissenschaftliche Qualifikation in allen Hochschulen und Hochschulformen zu verwirklichen. Dies ist unverzichtbarer Teil einer professionellen Qualifikation. Dafür sowie für die neuen Maßnahmen der Lehrqualitätsverbesserung wie Propädeutika, Studienkollegs etc. sind sinnvolle staatliche Mehrausgaben erforderlich.

Die Qualität der Lehre wird an der HAW Hamburg zielführend durch ein Exzellenzprogramm bei Neuberufenen und erfahrenen Professorinnen und Professoren gefördert. Das Alleinstellungsmerkmal der HAW Hamburg gegenüber anderen Hamburger Hochschulen ist der seminaristische Unterricht, der einen fachlichen Dialog zwischen Studierenden sowie Studierenden und Professorinnen/Professoren etabliert. Wünschenswert für die Qualität der Lehre an der HAW Hamburg ist die Weiterentwicklung der bestehenden Lehrmethoden und eine Flexibilisierung der Wahl der Lehrinhalte für Studierende, die ihrer individuellen Bildungsbiographie gerecht wird. Das schließt die Möglichkeit von Auslandsaufenthalten aber auch „Internationalisierung at home“ mit ein.

Zu S. 19 Neue Konzepte im Rahmen von Digitalisierungsstrategien entwickeln und nutzen
Es werden – auch aufgrund der Novelle des HmbHG – zusätzliche Aufgaben der Hochschulen begründet („Die Novelle des Hamburgischen Hochschulrechts berücksichtigt die wachsende Bedeutung der digitalen Lehre. Die Novelle zählt Online-Lehrveranstaltungen zu den Aufgaben der Hochschulen und ermöglicht ferner die Anrechnung digitaler Lehre auf die Lehrverpflichtungen
der Lehrenden“ (S. 19); „Wichtig sind in diesem Zusammenhang ferner Angebote im Weiterbildungsbereich[…], aber auch Angebote im Brückenbereich von Schule und Universität […]“), ohne dass dafür Ressourcen zur Verfügung stünden.

Zu S. 21: 2.2 Lebenslanges Lernen
Der Stellenwert der wissenschaftlichen Weiterbildung wird zu Recht betont. Sollen sie Hochschulen diesen gesetzlichen Auftrag in größerem Umfang als bisher und mit weiteren Angeboten wahrnehmen, ist dies – wenn zugleich die Kapazitäten in den grundständigen Studiengängen erhalten bleiben sollen – nur mit zusätzlichen Ressourcen möglich. Mit einer „Optimierung von Organisationsstrukturen“ wie in dem Strategiepapier angesprochen ist es nicht getan, da sich damit das Lehrkontingent der Hochschule nicht erhöhen wird.

Zu S. 22 f.: 3. Forschung und Transfer
Eine regelmäßig bemühte Grundannahme des Papiers ist die vermeintlich hohe Zahl von „Forschungsschwerpunkten“ an der HAW Hamburg. Tatsächlich existieren seit 2012 genau vier Forschungsschwerpunkte entsprechend der HRK-Forschungslandkarte (http://www.forschungslandkarte.de/profilbildende-forschung-an-fachhochschulen.html), nämlich die Bereiche

— Energie und Nachhaltigkeit,
— Gesundheit und Ernährung,
— Information, Kommunikation und Medien,
— Mobilität und Verkehr.

Die auf S. 60 des Papiers genannte Zahl von „mehr als 20 Forschungsthemen“ bezieht sich auf Forschungsgruppen, nicht auf Schwerpunkte entsprechend der HRK-Terminologie; Schwerpunkte werden von mehreren Forschungsgruppen bearbeitet. (Zu diesem terminologischen Problem dürfte beigetragen haben, dass vor der Einführung der HRK-Forschungslandkarte die einzelnen Forschungsgruppen in der HAW Hamburg selbst tatsächlich als „Forschungsschwerpunkte“ benannt waren. Die Umbenennung erfolgte im Februar 2014.)

Tatsächlich wird die Reduzierung auf die vier Forschungsschwerpunkte weder der Komplexität und Vielfalt der zweitgrößten Hochschule Hamburgs und einer der größten Fachhochschulen in der Bundesrepublik Deutschland gerecht. Bereits heute existiert das Problem, dass national und international in der Fachdisziplin renommierte, bei der Drittmitteleinwerbung erfolgreiche und für die Stadt Hamburg wichtige Bereiche der HAW Hamburg (wie z.B. die Bildungsforschung) nicht sachgerecht den Forschungsschwerpunkten der HAW Hamburg zugeordnet werden können. Insofern wäre es sowohl für die Innen- als auch für die Außenwirkung fatal, diese vier Forschungsschwerpunkte weiter zu reduzieren.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage skeptisch zu sehen, dass „bisher weniger forschungsaktive[...] Bereiche“ an der „Bildung von Schwerpunkten und Potenzialbereichen […] partizipieren“ sollen (S.23). Wenn bereits heute die Zahl der Forschungsschwerpunkte gerade für die HAW Hamburg durch die BWF als zu hoch bewertet wird, gleichzeitig aber die vier Forschungsschwerpunkte nicht ausreichen, um auch bereits erfolgreiche Forschungsbereiche sichtbar zu machen, erscheint diese Aussage als nicht überlegt. Tatsächlich ist zu fordern, dass die Zahl der Forschungsschwerpunkte so erweitert wird, dass eine sachgerechte Abbildung möglich ist.

Unaufgelöst bleibt innerhalb des Papiers der Widerspruch zwischen der Forderung nach Schwerpunktsetzung und den heterogenen Interessen der externen Partner: So schreibt die BWF „In ihren anwendungsbezogenen Forschungsaktivitäten greift die HAW Hamburg in besonderer Weise die Themen und Bedarfe ihrer zahlreichen regionalen Partner aus Wirtschaft und Gesellschaft auf“ (S. 59). Die Diversität dieser „zahlreichen regionalen Partner“ spiegelt sich aber eben auch in deren verschiedenen Interessen an anwendungsorientierten Forschungsprozessen wider, denen eine konsequente Schwerpunktausrichtung entgegensteht.

Ein weiteres Problem resultiert aus der Bedeutung der Forschung für die Ausbildung der Studierenden sowohl durch eine direkte Teilnahme der Studierenden an Forschungsprojekten als auch besonders durch die enge Verzahnung der Lehrenden mit Forschungsaufgaben. Konsequenterweise müsste sich eine Konzentration der Forschung auf Schwerpunkte auch in der Konzentration auf Lehrfächer, die in die Forschungsschwerpunkte „integrierbar“ sind, niederschlagen. Dies wiederum steht den in dem Papier formulierten Zielen der Lehre entgegen, die die Nachfrage am „Standort Hamburg“ befriedigen soll. Sollte das Konzept der Verzahnung von Lehre und Forschung aber aufgelöst werden, so wäre eine Qualifikation der Studierenden auf Hochschulebene nicht mehr gewährleistet und die Nachfrage nach Hochschulabsolventen bzw. nach Möglichkeiten zur Hochschulqualifikation könnte nicht mehr befriedigt werden.

Eine ähnliche Konsequenz betrifft die Hochschulprofile: Wenn Forschung auf Schwerpunkte konzentriert und die Kooperation zwischen Universitäten und der HAW Hamburg gestärkt werden
soll, dann muss dies – konsequent fortgedacht – zu einer Angleichung auch der Lehrschwerpunkte zwischen UHH und HAW Hamburg führen. Damit wäre die Eigenständigkeit einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften aber nicht mehr gegeben.

In dem Papier wird die Abstimmung von Forschungsstrategien gewünscht. Eine derartige Abstimmung erscheint auf einen ersten Blick attraktiv zur Stärkung von Schwerpunkten, kann aber bei einer konkreten Umsetzung auf das Problem stoßen, dass die Lebenszyklen der Forschungsthemen differieren und zwischen der Grundlagenforschung und der Forschung in Anwendungsbereichen typischerweise ein mehrjähriger Gap existiert, der außerdem nicht linear prognostiziert werden kann, da nicht alle Ergebnisse der Grundlagenforschung tatsächlich in Anwendungsbereiche umgesetzt werden.

Wenn eine Stärkung von Schwerpunkten zum „Erreichen einer kritischen Masse“ und zur Verbesserung der „Sichtbarkeit“ durchaus sinnvoll sein kann, so steht eine dauerhafte, selbstverstärkende Konzentration, die Forschung außerhalb der Kernbereiche massiv erschwert oder ggf. auch faktisch verhindert, im Widerspruch zur grundgesetzlich gesicherten Freiheit der Wissenschaft. Sie steht aber auch einer flexiblen Reaktion auf aktuelle Entwicklungen und dem Aufspüren von „Non-Mainstream Trends“ entgegen. Auch der Anstoß zu heutigen Schwerpunkten wie Erneuerbare Energien resultierte aus der Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in ihrer Community entgegen den Förderungsmainstream.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung nach einer klaren Ausrichtung „anreizorientierte[r] hochschulinterne[r] Steuerungsinstrumente“ auf die Entwicklung der Schwerpunkte als problematisch, evtl. auch als gefährlich, da so nicht ausreichend Raum für explorative Forschung gelassen wird und der Lebenszyklus von Forschungsschwerpunkten beachtet wird, der die heutigen Schwerpunkte möglicherweise schon im Jahr 2020 als überholt erscheinen lässt.

Insofern wird im Bereich Forschung und Transfer eine kurzfristige Profitorientierung besonders deutlich. Gesellschaftliche Entwicklungsaufgaben und Problemlösungen – von Inklusion an Schulen bis zur Lösung globaler ökologischer und sozialer Probleme oder eine Friedensorientierung – werden nicht explizit erwähnt. Stattdessen sollen Forschungskooperationen vor allem der besseren Einwerbung von Drittmitteln dienen, um unter anderem die mangelnde bedarfsdeckende öffentliche Finanzierung der Hochschulen zu kompensieren. Dies ist dagegen hin auf allgemeinwohlorientierte Forschung mit dem Ziel der Zivilisierung und Kultivierung der Gesellschaft zu überschreiten.

Bleibt noch darauf hinzuweisen, dass das Papier der HfMT und der HfBK Besonderheiten für eigenständige Formate in der künstlerischen Ausbildung zuerkennt, dies aber bei der Fakultät Design, Medien und Information der HAW Hamburg, für deren Departments mit 2.500 Studierenden – also mehr als an HfMT und HfBK zusammen – Gleiches zutrifft, ignoriert.

Zu S. 23 f.: Nachwuchsförderung ausbauen:
Das Ziel, schrittweise neue Formen der Nachwuchsausbildung zu etablieren, wie z.B. kooperative Graduiertenkollegs zwischen der HAW Hamburg und den Hamburger Universitäten, wird bereits in der Novelle des HmbHG genannt und ist zu begrüßen. Der konkrete Erfolg insbesondere im Verhältnis zur UHH bleibt abzuwarten.

S. 25: 3.1.2 Hochschulprofile
Bei aller Fokussierung auf Forschungsschwerpunkte bedürfen auch die Forschungsaktivitäten, die sich nicht einem Cluster oder Schwerpunkt unterordnen, der Unterstützung. Die Forschungsaktivitäten in der Fakultät Wirtschaft und Soziales haben in den zurückliegenden Jahren deutlich zugenommen und weisen einen weiterhin positiven Trend auf. Diese Entwicklung gilt es weiter zu fördern. Die Möglichkeit zu forschen ist im Übrigen grundrechtlich geschützt und muss jeder bzw. jedem Forschenden offenstehen.

Zu S. 30: 3.2 Transfer
Die Anforderung an die TUHH und die HAW Hamburg, eine Führungsrolle beim Ausbau des Wissens- und Technologietransfers zu übernehmen, stellt eine weitere zusätzliche Aufgabe ohne entsprechende Ressourcenzuweisung dar.

Zu würdigen ist ferner, dass die HAW Hamburg aufgrund der Praxisorientierung ihres Studienangebots und der Praxiskontakte der Lehrenden in Forschung und Lehre bereits den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis lebt.

Zu S. 33: 4. Internationalisierung
Die HAW Hamburg verdankt ihre globale Präsenz namentlich tiefergehenden Kooperationsprogrammen, wie z.B. kooperativen Studiengängen (University of Shanghai for Science and Technology/China); Studiengängen mit Doppelabschluss (University of Rhode Island/USA; Universidad de Talca/Chile), kooperativen Promotionsprogramme (Universitat Politècnica de València/Spanien; University of West Scotland/UK). Sinnvoll wäre es, diese Programme auszubauen und auf Masterniveau zu erweitern, da die bestehenden Kooperationspartner und die Studierenden das nachfragen und eine Internationalisierungsstrategie sich in allen Bildungsabschnitten finden sollte. Dem setzt bisher die Ressourcenlage Grenzen.

In dem Entwurf wird Internationalisierung vor allem in quantitativer Hinsicht dahingehend verstanden, dass die Zahl der Auslandsstudierenden und der Auslandsaufenthalte erhöht werden soll. Stattdessen sind internationale Kooperationen und Völkerverständigung als Wesensinhalte von Internationalisierung zu verfolgen. Durch sie erhöht sich auch die Qualität des internationalen Austausches. Damit geht ein erheblicher organisatorischer Mehraufwand einher, für den keine entsprechenden Ressourcen vorhanden sind. Darüber hinaus sollten mehr Möglichkeiten für Lehrendenaustausch geschaffen werden. Kapazitär und organisatorisch ist das im Augenblick kaum möglich. Der Seminaranteil in anderen Sprachen sollte ausgebaut werden.

Zu S. 40: 6. Gleichstellung und Familienfreundlichkeit
Die Hamburger Hochschulen setzten den ihr vom Gesetz vorgegebenen Gleichstellungsauftrag unter den Prämissen der Geschlechtergerechtigkeit als Gleichstellung von Frauen und Männern um. Dies geschieht in Form einer Förderung ausgeglichener Geschlechteranteile in den Hochschulen, des Schutzes vor Diskriminierung und der Herstellung gleicher Chancen von Frauen und Männern hinsichtlich des Zugangs zu Ressourcen, eines gleichen Maßes an Mitbestimmung und an Entscheidungsbefugnissen. Der Fokus liegt auf Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Hochschule: Studium, Lehre, Forschung, Weiterbildung, Verwaltung.

Wenn die Hochschulen konzeptionell und durch konkrete Maßnahmen Gleichstellung und Familienfreundlichkeit an den Hochschulen fördern und ausbauen sollen, so ist hierbei zu berücksichtigen, dass das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG, als Grundlage des Gleichstellungsauftrages der Hochschule, in den Vorgaben der BVerfG über die bloße normative Gleichstellung von Männern und Frauen hinausgeht. Das bedeutet, dass überkommene Rollenverteilungen, die zu einer höheren Belastung oder sonstigen Nachteilen für Frauen führen, durch staatliche Maßnahmen nicht verfestigt werden dürfen.

Geschlechtergerechtigkeit zu erzielen ist immer auch ein gesellschaftsverändernder Anspruch, z.B. mit der Zielsetzung, die in der Gesellschaft vorherrschende geschlechtsbezogene Studien- und Berufswahl zu verändern und die Einteilung in schlechter bezahlte sogenannte Frauenberufe und höher bezahlte und bewertete sogenannte Männerberufe sowie der geschlechtsbezogenen unterschiedlichen Rentenansprüche aufzulösen.

Zu S. 42: 7. Faire Arbeitsbedingungen für gute Wissenschaft
In dem die HAW Hamburg bei der Realisierung ihrer Studienangebote zunehmend auf befristet finanzierte Stellen zurückgreifen muss (Hochschulpakt), verschärft sich das Phänomen „prekärer“ Beschäftigungsverhältnisse. Ihm könnte am effektivsten dadurch begegnet werden, dass die Grundfinanzierung von Anfängerplatzkapazitäten erhalten bleibt. Einen langfristig prognostizierten Bedarf an Hochschulabsolventen mit kurz- bis mittelfristigen Finanzierungserwartungen des Bundes zu begegnen scheint keine geeignete Strategie zu sein.

Ein anderer Aspekt, faire Arbeitsbedingungen zu ermöglichen ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, um Personalentwicklungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Diese Ausrichtung fehlt im Strategiepapier.

Zu S. 43: 8. Exzellente Infrastruktur für Lehre, Forschung und Studium
Die Fakultät Wirtschaft und Soziales ist am Standort Alexanderstraße in einem angemieteten Gebäude untergebracht, dessen Mietkosten von der Hochschule getragen werden. Es ist jedoch Verpflichtung der Stadt, den Hochschulen Flächen bereit zu stellen. Dieser Verpflichtung muss sie auch im Hinblick auf die HAW Hamburg nachkommen.

Zu S.48 ff.: B. Rahmenbedingungen 9. Verlässliche Finanzausstattung und Ergebnisorientierung
Der nur vier Seiten umfassende Abschnitt B. Rahmenbedingungen kann als Kernstück der Drucksache angesehen werden. Er drückt aus, wie der Staat künftig die Hochschulen steuern will. Vorausgeschickt wird, dass die Hochschulen eine konstante Grundfinanzierung sowie „erhebliche Mittel aus Bundesprogrammen“ erhalten. Hochschulvereinbarungen, Ziel- und Leistungsvereinbarungen sowie eine leistungsorientierte Mittelvergabe in Verbindung mit Rechenschafts- und Berichtspflichten bis hin zum Quartalsbericht samt der Instrumente des „neuen strategischen Haushaltswesens“ (Kennzahlen, Controlling) sollen dem Staat die strategische Steuerung und Kontrolle der Hochschulen ermöglichen. Dabei wird deutlich, dass das Instrumentarium aus dem Bereich der Haushaltsplanung mittlerweile die hochschulischen Vereinbarungen dominiert (so auch Kennzahlen in ZLVen und LOM aus dem Haushaltsplan, vgl. S. 50). Das Leistungsbudget soll künftig 15 % des Gesamtbudgets umfassen (S. 50). An diversen Punkten der Drucksache werden dafür neue Kennzahlen angekündigt. Die Hochschulautonomie wird demgegenüber nicht weiter inhaltlich ausgestaltet.

Der Einsatz von Instrumenten wie Kennziffern, ZLV und LOM vordringlich zur Kontrolle drückt ein ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber den Hochschulen und ihren Mitgliedern aus. Dies wird den Aufgaben einer Wissenschaftseinrichtung nicht gerecht werden bzw. läuft diesen zuwider.

Zu S. 58 ff.: 11. Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW)
Die anerkannte Stärke der HAW Hamburg liegt in der praxisorientierten Lehre und Transferforschung. Wesentliche Erfolge im Bereich der Lehre wurden durch das bereits etablierte Exzellenz-Programm für Professorinnen und Professoren erworben und sind ausgezeichnet. Von Unternehmen und Organisationen ist die HAW Hamburg geschätzter Forschungspartner für angewandte Forschung.

In dem Entwurf wird die HAW Hamburg jedoch auf eine Rolle zur berufsorientierten Basisausbildung mit Forschung in der Nebenrolle degradiert, die der Ist-Situation und Leistung an der Hochschule ebenso widersprechen wie dem Qualifizierungsinteresse der Behörde. Namentlich die immer wieder exponierte Rollenzuweisung, eine berufsnahe Ausbildung zu gewährleisten, drängt die HAW Hamburg in bedenklicher Weise in die Nähe einer Berufsausbildungseinrichtung.

Bildung auf wissenschaftlicher Grundlage erfordert dagegen die Einheit von Studium, Lehre und Forschung, welche die HAW Hamburg in immer höherem Maße realisiert. Dies darf nicht durch definitorische Verkürzung und Beschränkung auf ein konservatives Fachhochschulbild zurückgenommen werden.

Zwar ist zu begrüßen, dass die HAW Hamburg von Vorgaben zu Studienplatzabbau, zu internen Kapazitätsumschichtungen oder Umorganisationen verschont bleibt. Die Verpflichtung, ihre Kapazität aufrecht zu erhalten, kann sie jedoch nur erfüllen, wenn sie von langfristig verfügbaren Hochschulpaktmitteln profitiert. Dies ist bisher ungewiss. Mit den daraus resultierenden Unsicherheiten und Schwierigkeiten (befristete Stellen, befristete Finanzmittel) wird die Hochschule allein gelassen.

Was die Ausführungen zur Forschung (S. 25 f., S. 59 f.) anbelangt, so birgt die Konzentration auf wenige Schwerpunkte und eine entsprechende Kanalisierung der Forschungsförderung das Risiko, dass die positive Entwicklung der Forschung in den letzten Jahren „in der Breite“ – auch und gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften – erstickt wird. Die Einschränkung der Forschung auf „Leuchttürme“ kann auch zur Innovationsbremse werden, weil echte Neuerungen auch auf Ideen, Ansätze usw. Einzelner zurückgehen, die gerade im Widerspruch zum Mainstream stehen und sich allenfalls längerfristig etablieren können. Wenn aber nur noch bereits Etabliertes akzeptiert ist, haben solche Innovatoren keine Chance mehr. Forschung muss dagegen als Regelaufgabe in der Breite der Hochschule erhalten und gefördert werden.

In punkto Weiterbildung ist sicherzustellen, dass das Gebot, Weiterbildung zentral zu steuern, angemessen ausgestaltet wird und funktionierende Einheiten und Angebote in den Fakultäten erhalten bleiben.

http://www.fsrk.de/artikel_345.html [Stand 18. August 2014]


Stellungnahme der Fakultät Wirtschaft und Soziales der HAW Hamburg zum Dingspapier