.
FSRK

Was wird eigentlich an der Uni gekürzt?

Eine Klarstellung zu den Plänen des Hamburg Senats.

„Olaf Scholz: Noch mal: Jeder, der Zahlen lesen kann, weiß, dass die Hochschulen Jahr für Jahr mehr Geld bekommen. Das steht fest. Es gibt offenbar welche, die öffentlich mit falschen Zahlen rechnen. Und es wird anscheinend versucht, über das Nötige hinaus an zusätzliches Steuergeld zu kommen.“

O. Scholz im Interview mit der Welt am Sonntag, 5. Juni 2011.

„Lese-Kompetenz heißt, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“

OECD, 1999; deutsche Übersetzung: Deutsches PISA-Konsortium.

Lesen wir also die Zahlen.

0.) Ausgangslage

Seit Ende der 1970er Jahre mussten die Hamburger Hochschulen trotz erheblich gestiegener Studierendenzahlen in regelmäßigen Abständen Kürzungen in ihrem Grundetat verarbeiten. Diese summierten sich bis Anfang des aktuellen Jahrtausends auf ca. 30%. Die sogenannten „Einsparpotentiale“, die laut Vertretern der aktuellen Regierung doch gewiss zu finden seien, sind – so es sie den je gegeben hat – also längst mehr als erschöpft.
In partieller Anerkennung dieser prekären Lage vereinbarte im Herbst 2009 die damalige Wissenschaftssenatorin mit dem neuen Uni-Präsidenten, dass der Hochschuletat unter Berücksichtigung von Inflation (bei Sachkosten) und Tarifentwicklungen (bei Personalausgaben) bis 2014 mindestens konstant bleibt.
Was ist seitdem passiert?

I.) Kürzungsrunde 2009

Summe für die Uni: 5,4 Mio. Euro

Im traurigen Monat November war‘s, da beschloss der damalige Senat Kürzungen der Hochschuletats für die Haushaltsjahre 2010 und 2011:
a) generelle Kürzung des Hochschuletats um 1%, Anteil der Uni HH: 2,8 Mio. Euro
b) ausbleibende Deckung von Mehrkosten für die UHH insbesondere für Energie und laufende Kosten des zentralen Lehrerprüfungsamtes: 2,6 Mio. Euro

Trotz dieser Kürzungen gilt, dass der Hochschuletat 2010 gegenüber 2009 geringfügig angestiegen ist, da der Betrag für a) leicht unterhalb des Ausgleichs für die Inflation (durchschnittliche Inflationsrate 2010: 1,1%) liegt und b) keine Minderzuweisungen durch den Senat, sondern eine Mehrausgabe für die Hochschule ist.

II.) Kürzungsorgie 2010

Summe für die Uni: 11 Mio. Euro

Im September 2010 legte der damalige schwarz-grüne Senat die Ergebnisse seiner Haushaltsklausur vor. Die darauf folgenden Proteste, nicht zuletzt aus den Hochschulen, führten zum vorzeitigen Ende dieser Koalition. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
c) Erneute Absenkung des Grundetats um ca. 1%: 2,5 Mio. Euro
d) Wegfall der gesetzlich zugesicherten staatlichen Kompensation für die Differenz zwischen alten 500 Euro und neuen, nachgelagerten 375 Euro Studiengebühren: 1,5 Mio. Euro
e) Zinsen und Verwaltung sowie Ausfallbürgschaften für die Stundung der Studiengebühren, die bislang von der Stadt bezahlt wurden und nun aus den Studiengebühren zu zahlen sind: 2,5 Mio. Euro
f) Kürung von Stipendien für ausländische Studierende: 0,4 Mio. Euro
g) Streichung von Sonderzahlungen für Profs. („Weihnachtsgeld“): 3,5 Mio. Euro
h) Anteil der Uni an dem verringerten „Strukturfonds“ der Behörde, mit dem zusätzliche Kosten bei Berufungen finanziert werden: 0,6 Mio. Euro

Auch hier gilt, dass trotz der massiven Kürzungen die Hochschuletats – rein in Zahlen betrachtet – steigen. Warum? Weil erneut die pauschale Kürzung in c) geringer ausfällt als die gleichzeitige Kompensation der Inflation (Durchschnitt 2011: ca. 2,5%!! = 2,9 Mio. Euro), weil die Studiengebühren und alles, was sie betrifft innerhalb der Hochschulen verrechnet wird und daher d) und e) im Haushalt des Senats nicht auftauchen und weil f), g) und h) in Haushaltstiteln außerhalb der Hochschuletats veranschlagt sind.
Zu alledem kommt im Übrigen noch die vollständige Streichung der Zuschüsse für das Studierendenwerk in Höhe von 2,5 Mio. Euro hinzu.

III.) Verhohnepiepelung 2011

Summe für die Uni: 4 Mio. Euro

Nachdem der schwarz-grüne Senat an seiner unsozialen, kultur- und bildungsfeindlichen Haushaltspolitik gescheitert ist, möchte man vom neuen Hamburger Senat einen positiven Kurswechsel auch im Haushalt erwarten. Nach seiner Haushaltsklausur im Mai 2011 verkündete dieser jedoch die Fortschreibung des schwarz-grünen Haushalts für 2011/12 mit leichten Modifikationen. Die sehen so aus:
i) Teilweise Rücknahme Streichung Stipendien f. ausländische Studierende: - 0,3 Mio Euro
j) Anteil der Uni an der stadtweiten Streichung von Verwaltungsstellen (insgesamt 250, davon 25 an den Hochschulen) 15 Stellen zu je ca.50 Tsd. Euro: 0,8 Mio Euro
k) Anteil der Uni an einer Steigerung der „globalen Minderausgabe“ 3,5 Mio Euro

Und wieder steigt rein nominell der Etat der Hochschulen, obwohl erneut gekürzt wird.
Zum einen liegt die Kürzung gemäß j) weiterhin unterhalb der inflations- und tarifbedingten Erhöhung der Etats. Zum anderen aber ist die „globale Minderausgabe“ eine echte Frechheit: Weil der Senat nicht darüber entscheiden möchte, wo dieses Geld gestrichen wird, erhalten die Hochschulen diesen Betrag zwar – er taucht also im Haushalt auf –, sie dürfen ihn aber nicht ausgeben!!! Deswegen heißt es „Minderausgabe“ und nicht „Minderzuweisung“.
Wer rechnet jetzt mit falschen Zahlen?

IV.) Fazit

Die für ab dem Jahr 2010 und nun noch mal für 2011/2012 angekündigten Kürzungen bei den Hochschulen summieren sich auf ca. 20,4 Mio. Euro. Diese Kürzungen des verfügbaren Jahresetats setzen sich zusammen aus offenkundigen Reduzierungen des Etats (Absenkung der staatlichen Zuweisung), aus Etatabsenkungen in anderen Haushaltstiteln, die auf die Hochschulen wirken (z.B. Absenkung des „Strukturfonds“), aus gesteigerten Kosten ohne entsprechende Haushaltsangleichungen (z.B. Verwaltungskosten der Studiengebühren) und schlichten Haushaltstricksereien (z.B. „globale Minderausgabe“). Bei einer Höhe der jährlichen staatlichen Zuweisung von ca. 242 Mio. Euro an die Uni Hamburg (hinzu kommen Studiengebühren, andere Gebühren, einmalige Sonderzahlungen vom Bund) macht die Reduzierung von 20,4 Mio. Euro etwa 8,4% aus.

Nachdem wir diese Zahlen gelesen, verstanden und reflektiert haben, können wir zur Schlussfolgerung kommen: Laßt uns kollektiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und durch Proteste aller Art für eine politische Umkehr wirken. Für eine Hochschulfinanzierung, die Lehre, Forschung und Bildung zum Wohle aller ermöglicht.

http://www.fsrk.de/artikel_245.html [Stand 7. Juni 2011]


Was wird eigentlich an der Uni gekürzt?